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Betriebsversammlung im Buna-Werk in Schkopau am 16. Juli 1953
[Erläuterung d. Hg.: Das folgende Dokument ist in den Akten des Bundesvorstandes des FDGB überliefert. Es trägt keine Überschrift; auch Urheber und Datum werden nicht genannt. Das Dokument gibt die - stenographierten oder von einem Tonband transkribierten - Diskussionsbeiträge von 11 Buna-Beschäftigten auf einer Betriebsversammlung am 16. Juli 1953 wieder, zu der das Zentralkomitee Minister Selbmann entsandt hatte, der offensichtlich als erster gesprochen hatte. Als Abschriften sind die Forderungskataloge von zwei Belegschafts-Gruppen sowie eine Stellungnahme der Buna-BGL angehängt.
Einem Bericht der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Halle zufolge traten etwa 4.000 Buna-Beschäftigte am 15. Juli 1953 gegen 9.45 Uhr in einen Streik. Ihre Forderungen lauteten: 1. Ablegung der Waffen der Volkspolizei im Betrieb, 2. Beseitigung der Wachtürme im Betrieb, 3. Bezahlung der Streiktage vom 17.6.1953 und 4. Herausgabe der Festgenommenen vom 17.6.1953.
Zwei Buna-Beschäftigten war am Vortage, dem 14. Juli 1953, zunächst von der - deutschen - Staatsanwaltschaft, dann vom - sowjetischen - Stadtkommandanten jede Auskunft darüber verweigert worden, wo sich zwei in Verbindung mit dem 17. Juni 1953 festgenommene Betriebsangehörige befanden. Dies scheint die Arbeitsniederlegung ausgelöst zu haben.
Die hier dokumentierte Betriebsversammlung, zu der die streikenden Abteilungen jeweils Delegierte entsandt hatten, wurde vom Ersten SED-Sekretär des Werkes, Rinkel, nach dem elften Redebeitrag wegen "offener Provokation" aufgelöst. Durch den Aufmarsch massiver bewaffneter Kräfte auf dem Werksgelände - sowjetische Soldaten, deutsche kasernierte Volkspolizisten sowie "normale" Polizeikräfte - wurde der Streik anschließend niedergeschlagen.]
Kollege Jannot, Alfred
Kolleginnen und Kollegen!
Den Ausführungen des Gen. Selbmann stimme ich zu. Ich bin auch Gen. und zwar Kandidat. Ich habe noch mehrere Erläuterungen zu bringen. Ich habe schon immer in der Arbeiterbewegung gestanden und mir meine Gedanken gemacht. In Buna gibt es viel, was zu irriger Meinung geführt hat. Wir kommen bald auf den Standpunkt, daß wir uns als Arbeiter beleidigt fühlen, man hat nur immer gehört von Provokateuren und zwar hat der Gen. Selbmann vollständig recht, wenn er sagt, daß von unteren Organen viel versäumt worden ist. Ich arbeite in einem Produktionsbetriebe, wir haben nicht gestreikt, ich war z.B. in I 61, weil ich mit Transportarbeiten zu [tun] habe. Hier herrschte früh keine andere Meinung, als die Forderung, die Verhafteten freizulassen. Damals wurde uns gesagt, unsere Streikkomitees werden freigelassen, wenn die Arbeit in Ruhe und Frieden wieder aufgenommen ist, das Streikkomitee wird nicht entlassen, bis Ruhe und Frieden wieder hergestellt ist. Diese Zustände waren eingetreten, jeder einzelne ist and die Arbeit gegangen.
Ich habe auch zu Genossen der Kreisleitung gesagt, was ihr nur in den Betrieben wollt, warum redet ihr nur soviel. Wenn an der Durchführung der gesamten Forderung etwas schneller und konkreter gehandelt wurde, wären keine einzelnen Provokateure aufgetreten. Nicht in den Reihen der Arbeiter sitzen die Provokateure, sondern in höheren Verwaltungsstellen. Die wirklichen Provokateure habt ihr noch nicht entdeckt, die habt ihr bis heute noch nicht eingesperrt. Wer hat denn die Verbindung mit dem Westen in unserem Werk? Größtenteils die Meister usw. stammen aus Westdeutschland, sie haben Verbindung mit dem Westen. Z.B. bei einer Ministerratssitzung ist doch ein denkender Mensch der Meinung, daß schon nach der Beendigung unten ein Motorrad steht und alles schnellstens zum Rias gebracht wird. Die Rias-Hörer wußten über Erhöhung usw. viel eher Bescheid als wir. Die Provokateure sind nicht bei uns, wir haben unsere Pläne erfüllt, wir haben immer gearbeitet und sind doch immer die Schlechten. Wir müssen ausbaden, was die anderen eingebrockt haben. Ich habe neulich erst bei meiner Grundorganisation gesagt, ich steige bald nicht mehr ein, große Ochsen ziehen nach hinten und ich ehrlicher Kumpel ziehe nach vorn. Der große Ochse hat aber viel mehr Kraft als ich. Wenn es uns jetzt auch erstmal schlechter geht, so muß aufgeräumt werden in den Verwaltungsstellen und Zentralvorständen, dort sitzen die Provokateure.
[2. Redner; Anm. d. Hg.]
Kolleginnen und Kollegen!
Bevor ich hier zu Euch spreche, möchte ich Euch bitten, weiter Ruhe und Ordnung zu bewahren, keine Zwischenrufe erscheinen zu lassen, das ist eines deutschen Arbeiters nicht würdig. Ich habe ein Schreiben, in dem aufgefordert wird, daß denjenigen, die heute hier sprechen, ihre Sicherheit garantiert ist. Ich nehme an, das ist selbstverständlich.
Kollege Selbmann begann vom 17. Juni zu sprechen. Bin genau seiner Meinung, daß es am 17.6. durchaus einzelne Elemente gegeben hat, die die ehrlichen Forderungen der Arbeiter mißbrauchten; aber ich bin auch etwas anderer Meinung, dahingehend auf den 15. Juli, nämlich gestern. [sic!]
Kollege Selbmann sprach davon, daß das Vertrauen der Arbeiter zur Regierung geschwunden ist. Ich glaube, dieses Vertrauen ist auch noch nicht wiederhergestellt und unter den gegebenen Verhältnissen, wie sie heute in den Buna-Werken stehen, wird das Vertrauen kaum wieder gefestigt werden. Kollege Selbmann sprach von einem neuen Kurs der Regierung. Das ist anzuerkennen und richtig. Es ist ebenfalls anzuerkennen, der ehrliche Wille der Bereitschaft [sic!], den Forderungen der Kollegen Rechnung zu tragen. Aber viele Provokateure sitzen heute noch in den verantwortlichen Stellen. Ein Faschist und Provokateur, der versucht, die Arbeiter aufzuwiegeln, der wird es nicht wagen, an das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Aber ein ehrlich eingestellter Arbeiter im Vertrauen auf die gute und gerechte Sache wird es wagen, vor die Öffentlichkeit zu treten. Ich möchte hier in aller Öffentlichkeit und Deutlichkeit sagen, daß wir unseren Kollegen und Kolleginnen dankbar sein müssen, daß sie am gestrigen Tage Ruhe, Ordnung und Disziplin bewahrten, dankbar sein, daß es keine Ausschreitungen gab, dankbar dafür, daß sie heute früh wieder ihre Arbeitsbereitschaft zum Ausdruck brachten. Ich habe den Kollegen gesagt, wenn der Streik von gestern Sinn und Zweck haben soll, dann laßt Euch zu keinen strafbaren Handlungen hinreißen. Nur so können wir mit Verhandlungen rechnen. In G 32 und F 62 ist dies gelungen. Unser Ziel ist Ruhe, Ordnung, Frieden und Einheit, unser sicherer Arbeitsplatz, und unsere Sorge ist, daß wir unsere Familie ernähren können.
Eine Resolution ist herausgegeben worden vom Kollegen Rinkel. Ich bin zum Kollegen Rinkel vorgegangen und habe ihm entgegnet, was er zwar nicht gern hörte, daß zwar die alten Fehler erkannt wurden, und daß schon wieder sehr schwere neue Fehler gemacht wurden. Nun Kollegen, ich glaube, Kollege Selbmann hat ganz recht, wenn er sagt, die Frage der Gewerkschaften, das ist der eine Fehler. Der FDGB ist eine unabhängige überparteiliche Organisation, aber das behaupte ich hier immer wieder, ein Funktionär der Gewerkschaft kann nicht gleichzeitig Funktionär irgendeiner anderen Partei sein, denn es werden immer Differenzen zwischen Partei und Gewerkschaft vorhanden sein. Das ist einer der Fehler. Wie heute früh tagte die zentrale Kommission, dort wurde, wie schon am Freitag, auch diese Frage vorgebracht. Dort erklärte Kollege Leonhardt kategorisch, es kommt gar nicht in Frage, daß die Gewerkschaftsleitung, also die BGL, von Buna zurücktritt. Ich glaube, Kollegen (seid ruhig) das war ebenfalls ein Fehler, ein sehr großer politischer Fehler vom Kollegen Leonhardt.
Kollegen! Unsere Forderung ist berechtigt. Wir werden uns dafür einsetzen, daß Eure Forderung erfüllt wird. Dann wäre nicht gestreikt worden. Es wäre richtiger, wenn Kollege Leonhardt gehandelt hätte. Es ist uns heute gelungen, bis zum Schluß dieser Veranstaltung, daß im Werk Ruhe und Frieden war, und wir erwarten auch, daß wir nicht mit leeren Worten, nicht mit leeren Händen vor die Kollegen und Kolleginnen hintreten und wir sagen können, daß der Vertreter des ZK, Koll. Selbmann uns zugesichert hat, daß er uns in dieser Frage unterstützen wird, auch in der Frage der Neuwahl der BGL. (Lautes Klatschen)
Ich möchte hiermit aber ausdrücklich feststellen, daß die Wahl, die zur BGL führte, keine Wahl war, wie sie der Arbeiter wollte.
Nun, Kollegen, wenn wir in der Lage sind, eine Arbeitervertretung, gleich welcher Richtung oder Konfession, aus unseren Reihen selber zu wählen, die gewillt ist, und das stelle ich hiermit klar fest, den neuen Kurs der Regierung und Partei in bezug auf Verbesserung der Lebenslage des deutschen Volkes, in bezug auf die Herstellung der Einheit unseres deutschen Vaterlandes, auf Wahrung der Interessen des gesamten deutschen Volkes einzutreten, daß diese Regierung dann voll und ganz von den gewählten Belegschaftsvertretern unterstützt wird.
Kolleginnen und Kollegen!
Mir fällt es heute schwer, hier zu Euch zu sprechen. Ich habe eingangs gesagt, daß ich die Bescheinigung auf Garantie auf persönliche Freiheit zerrissen habe. Warum habe ich die zerrissen? Wir waren gestern bei der Generaldirektion, um ihr mitzuteilen, warum die Unruhen im Werk sind, und was die Arbeiter verlangen. Es wurde dort ausdrücklich zugesichert, persönliche Freiheit, d.h. auf gut deutsch umgesetzt, keine Verhaftung. - Nun, Kollegen, es hat sich etwas ereignet, was nicht sehr schön ist. Ein Kollege von C 44, der auch mit mir bei der Generaldirektion war, ist verhaftet worden. (Zurufe) Ich weiß nicht, wie ich mich dazu stellen soll. Als ich mich heute früh mit den Kollegen in G 32 unterhielt, daß sie zur Vernunft kommen sollten, bekam ich die Nachricht, daß heute früh ebenfalls mein Vater verhaftet worden ist. Ich weiß nicht, ob sich dieses gegen mich richtet. Wenn es sich nicht gegen mich richtet, sondern gegen meinen Vater, der ebenfalls sich bis gestern mittag nicht beteiligt hatte, sondern in seinem Betrieb blieb, damit dort nichts passiert, so kann ich nicht verstehen, daß man aus diesem Verhalten daraus eine Geißel gegenüber mir macht. Das wäre abscheulich.
Deshalb habe ich diese Garantie zerrissen.
Die brauchen wir jetzt nicht. Ich bin kein Provokateur und auch kein Faschist. Ich habe den sowj. Oberst gefragt, ob er die Angst des deutschen Volkes kennt, die Angst der Arbeiter, die in den vergangenen 12 Jahren hinter der Hitlerherrschaft steckte, die weiter fortgesetzt wurde und viel gesteigert wurde in den vergangenen Jahren seit 1945, wo Menschen, nicht weil sie Verbrecher waren (Mörder, Räuber usw.), verhaftet wurden, nein weil sie ihre Unzufriedenheit geäußert hatten und diese hinter spanische Gitter kamen. Es liegt doch an uns selber, wenn das Vertrauen wieder hergestellt werden soll, diese Angst zu beseitigen und eine Rechtssicherheit wieder herzustellen. Nun, Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr bitter, wenn ich Euch dies sagen muß, aber es kommt aus dem Herzen eines ehrlichen Arbeiters. Kollege Selbmann, wir Arbeiter können nicht verstehen, weshalb man uns immer wieder hinhält; wenn betriebliche Verbesserungen durchgeführt werden, so bin ich der Ansicht, daß sie besser und schneller durchgeführt werden könnten, wenn wir eine geeignete Belegschaftsvertretung hätten. Diese Fehler, so schwerwiegend sie sind, haben zu einem 17.6. geführt. Meine Meinung ist, daß wir dies nicht länger verantworten können, daß die Urheber der Fehler da sind, die sitzen in den Betrieben und da muß der Schlußstrich mit aller Konsequenz gezogen werden. Man müßte ihnen sagen, du bekommst eine Bewährungsprobe, nicht auf dem Posten, wo du jetzt sitzt, sondern du mußt als Arbeiter gehen, da kannst du dich bewähren, dann kannst du zu jeder Zeit wieder in deine Funktion kommen, denn jetzt kennst du deine Arbeiter.
3. Diskussionsredner: Gen. Elsmann, Bau-Union
Genossen und Kollegen!
Man weiß manchmal nicht, wie man die Situation einteilen soll, wie man weiter disponieren soll. Auf der einen Seite sind sie ehrliche Arbeiter und bringen sie auch zum Ausdruck, auf der anderen Seite reden sie, daß man sie überhaupt nicht versteht. Es ist ein Unding, sich mit diesen Menschen auf die gleiche Stufe zu stellen, die Arbeit durchzuführen, die notwendig ist, den Betrieb aufrechtzuerhalten. In meinem Betrieb, der Bau-Union, ist auch ein Großteil der Kollegen nicht einverstanden, da sie noch keinen großen Teil der Durchführung bemerkten. Es ist richtig, der heutige Beschluß der Regierung über die Lohngruppe I - IV, das betrifft auch die Bau-Union, aber als die einzelnen Gruppen in der Grundstoffindustrie erhöht wurden, in den vergangenen Jahren, hieß es, die Staatssekretariate der einzelnen Wirtschaftsschichten würden beauftragt, bis 1.5. auch für die anderen Wirtschaftsgruppen diese Frage vorzubereiten. Die Arbeiter werden jetzt sagen: "Die Regierung tut jetzt etwas für die Gruppen I - IV, aber wo bleiben wir, V - VIII", und da haben sie recht.
Hier muß noch etwas korrigiert werden, aber, so wie man gestern die Frage sah, daß die Bauarbeiter, die ihre Arbeit aufrechterhalten wollten, von irgendwelchen Menschen gehindert wurden, und mit Eisenstücken bedroht wurden, die Arbeit aufzunehmen, daß kommt Provokateuren gleich. Unsere Kollegen sagen, wir sind in einem volkseigenen Betriebe, dafür stehen wir auch, aber wenn man diese Menschen vergißt, dann entstehen Verärgerungen. Verlangen wir, daß diese Übelstände beseitigt werden, dann wird auch das Vertrauen zur Regierung wiederkehren.
Beitrag des Kollegen Fiedler, B 79
Kolleginnen und Kollegen
Ich bitte von vornherein um Entschuldigung, wenn ich nicht so spreche, ich stehe heute das erstemal als Redner hier.
Ich bin von meinen Kollegen beauftragt, vom Kollegen Selbmann in folgenden Fragen Hilfe und Unterstützung zu erhalten:
Aus A 90 und B 79 sind die Kollegen Kobal und Krebs am 17. verhaftet worden. Nicht daß die Kollegen in Haft sitzen, sondern meine Aufgabe ist zu fragen, daß die Kollegen jetzt vier Wochen in Haft sitzen, ohne daß die Angehörigen Nachricht erhalten haben. Verschiedene Kollegen in unserem Betriebe versuchten (Ing. Werneburg, Dressler usw.) bei der Staatsanwaltschaft in Halle Nachricht über das Verbleiben dieser beiden Kollegen in Erfahrung zu bringen, damit die Angehörigen und auch wir als Belegschaft beruhigt sein konnten.
Die Delegation ist vertröstet worden, am nächsten Vormittag, 10.00 Uhr, Bescheid zu erhalten. Im Laufe des gestrigen Tages wurde erneut eine Delegation von zwei Kollegen nach Halle entsandt, die kamen mit leeren Händen zurück.
Bei der darauffolgenden Vorsprache bei der Generaldirektion hat uns der Generaldirektor (ich weiß nicht, Markewitzsch oder ein anderer Name - der Name wurde nicht verstanden) versprochen, sich einzusetzen, um uns Auskunft zu geben. Ich möchte den Kollegen Selbmann bitten, uns zu helfen, wo sich die Kollegen Kobald und Krebs befinden. Ich glaube, nach vier Wochen Haft haben die Angehörigen und auch wir als Belegschaftsmitglieder das Recht, zu wissen, wo sich diese beiden Kollegen befinden.
Eine zweite Frage, die die Höhereinstufung der kleinen kaufm. Angestellten und technischen Angestellten betrifft, die uns bis zum 1.5.53 zugesichert war, möchte ich Kollegen Selbmann im Auftrage meiner Kollegen vortragen.
Albert Ohme, B 79
Kolleginnen und Kollegen!
Der Begriff Solidarität ist ein Ausdruck des Handelns, ist eine große Kraft der Arbeiterklasse, die älteren Kollegen werden sich besser erinnern, es gab eine Zeit in der kapitalistischen Epoche, und es wäre zu begrüßen gewesen, wenn dieser Ausdruck des solidarischen Handelns 100% zustande gekommen wäre. Wenn damals alle unseren Genossen Ernst Thälmann wirklich gehört hätten, dann wäre uns vieles erspart geblieben. Wir haben oft die Mentalität unserer Kumpels, dann möchte ich sagen, soweit wie es um gerechte Forderungen geht, diesen Begriff des solidarischen Handelns in allen Ehren. Aber ich habe auch oft blutenden Herzens zugesehen, weil dann der Begriff solidarischen Handelns abgleitet zu den Dingen, die unsere Arbeiterklasse nicht zum Vorteil verhelfen. Es war mir schon immer ein Bedürfnis, dort beispielsweise auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Kumpels der Lohngruppen I - IV Verbesserungen zu sehen. In Anbetracht der jeweiligen Bestimmungen unserer Regierung sind Dinge in Erscheinung getreten, da könnte es noch besser sein. Ich möchte sagen, wenn wir begreifen, um was es geht, und wenn wir dann in dem Ausdruck unseres solidarischen Handelns mit dem vollen Ausdruck zu unserer Regierung besser gestalten, dann werden wir das Vermächtnis erfüllen von Florian Geyer, dann werden wir trotz aller Saboteure und Spalter das für unsere gesamte Nation, für das gesamte deutsche Volk die Sonne nicht untergeht.
Helmut Flach, C 34
Liebe Arbeitskollegen!
Ich bin von C 34, Betriebskontrolle. Ich stelle mir als erstes die Frage, wie war es möglich, daß ein 17. Juni zustande kam, wie ist es möglich gewesen, daß der gestrige Tag zustande gekommen ist? Wir waren gestern bei der Generaldirektion und haben Forderungen gestellt, die nach unserem Ermessen eine gesunde Grundlage hatten. Wir haben in C 34 einen Arbeitskollegen und AGL-Vorsitzenden namens Erwin Seeger. Seeger ist am 17.6. verhaftet worden und bis jetzt noch nicht wieder erschienen. Unser Betrieb hat in dieser Zeit versucht, Aufklärung über diesen Fall zu bekommen. Wir haben sie noch nicht erhalten.
Den gestrigen Tag kann ich bezeichnen als einen Ausdruck der Unzufriedenheit breiter Kreise der Arbeiter, des Buna-Werkes, in bezug auf die inhaftierten Leute. Wir haben Ruhe und Ordnung bewahrt und trotzdem haben die einzelnen Arbeitskollegen das innerliche Verlangen, endlich zu wissen, was ist mit den eingesperrten Kollegen. Ich kann nur eines sagen, solange wie wir um die Freilassung unserer Kollegen der Betr.-Kontrolle kämpfen, kann man keine Beruhigung der Arbeiter unseres Betriebes und der anderen Betriebe erwarten.
Im Augenblick herrscht Unruhe unter der Belegschaft, und diese Unruhe wird bleiben, bis man einmal sagen kann, der Kollege befindet sich dort und dort und hat das oder jenes verbrochen. Und wenn er etwas verbrochen hat, ist er der Bestrafung durchzuführen [sic!]. Wir haben jedoch festgestellt, daß Erwin Seeger kein Verbrechen begangen hat. Er ist [sic!] am 17.6. mit uns demonstriert, er war sogar der Mensch, der auf dem Marsch nach Merseburg aufgefordert hat die einzelnen Kollegen, verhaltet euch ruhig, plündert nicht, raubt nicht. Diesen Kollegen hat man eingesperrt. Vor einigen Tagen hieß es, Kollege Seeger befindet sich in Halle. Daraufhin waren zwei unserer Kollegen in Halle. Dort hieß es, wir können keine Auskunft geben. Wir haben weitere Schritte unternommen und Merseburg angesprochen. Auch hier bekamen wir keine Auskunft. Dann hieß es, Kollege Seeger befindet sich bei der sowj. Kommandantur. Auch hier war er nicht zu finden. Es muß doch eine Verwaltung geben, die Bescheid weiß, wo sich die verhafteten Kollegen befinden. Wenn ich z.B. einen Kollegen herausgreife und stecke den irgendwo hin, dann weiß ich auch, den habe ich dort und dort hingesteckt. Der Mann Erwin Seeger ist aber nachts verhaftet worden. Erwin Seeger ist mit uns demonstriert, in einer anständigen Form nach Hause gefahren und mit keinem zusammengekommen, dann hat er auch nichts verbrochen. Er ist aber von seiner Wohnung abgeholt worden. Diese Verhaftung muß also von Seiten der Buna-Werke geschehen sein. Wenn ich einen Kollegen von Buna in Halle verhafte, dann muß ich wissen, wo er zu finden ist. Solange wie wir Unklarheiten haben, weiß ich nicht, ob Ruhe bei den Arbeitskollegen eintreten kann. Ich habe in C 34, die Belegschaft hat 385 Mann, 80 - 85 %, die wir jetzt im Betrieb haben, ohne aufgefordert zu werden, gestern bei dem sogenannten Sitzstreik Unterschriften bekommen, für die Freilassung des Kollegen Erwin Seeger.
Weiterhin haben wir gestern versucht, eine Versammlung durchzuführen, jedoch diese BGL wollte so verstehen, sich wie ein Wurm zu ringen und zu wenden, diese Versammlung nicht stattfinden zu lassen. [sic!] Ich möchte betonen, diese Versammlung sollte nicht durchgeführt werden, sondern vom Herzen der Belegschaft. [sic!] Warum? Über die Unterschriftensammlung haben wir eine Überschrift gebracht: "Die Belegschaft der Betriebskontrolle verlangt eine sofortige Freilassung des Arbeitskollegen und AGL-Vorsitzenden Erwin Seeger, geboren am 27.9.98, da ihr keine provokateurischen Handlungen bekannt ist." (sic!) Der ganze Betrieb spricht nur gut vom Kollegen Seeger. Der ganze Betrieb sagt, Seeger ist mit der Arbeiterschaft einig und geht mit der Arbeiterschaft; warum unterdrückt man diese Menschen? Wir wollen, daß der Mensch, der mit der Arbeiterschaft geht, hochgehalten wird. Ich sage hier noch einmal, wie ich erfahren habe, daß verschiedene Kollegen, die gestern bei der Generaldirektion waren, wieder verhaftet worden sind, weshalb diese verhaftet worden sind. [sic!]
Ich will Euch sagen, ich habe am 17.6. keine Provokateure im Werk gesehen, die nach mancher Meinung sogar mit einem Fallschirm abgesprungen sind. Ich persönlich habe festgestellt, daß jedem einzelnen Kollegen das Herz in diesem Moment aufgegangen ist, als dieser in einem sogenannten Umzug einmal frei sprechen durfte und warum Kollegen, wir haben eine Regierung, eine Arbeiterregierung, jawohl, das haben wir. Wir haben aber ein gewisses Etwas darin, was uns als Arbeiter hindert und niederhält. Wenn meine Vorredner gesagt haben, daß z.B. eine Gewerkschaft und eine Partei nicht zusammengehören, kann ich mich diesen nur anschließen. Eine Gewerkschaft vertritt die Interessen der Arbeiterschaft, eine Partei vielleicht auch. Aber die Partei als solche hat bestimmte Ziele, um das Wohl des Arbeiters zu erkämpfen. Diese Arbeit sollen sie auf dem Rechtswege ausführen. Die Gewerkschaft ist dazu da, das Herzdrücken des Arbeiters der Partei heranzuführen und alle Forderungen heranzutragen an die Genossen, und wenn wir auf diesem Punkte stehen, wo wir als Arbeiter sagen können, ich habe eine Forderung und ein Recht zu fordern, werden wir eine solche Basis erreichen. Im Laufe der Jahre haben wir eine Sache, wo wir sagen können, wir haben viel Schönes und Gutes kennengelernt. Wir haben einen Aufbau in der Republik kennengelernt, desgleichen in der Wirtschaft, haben aber gleichzeitig als Arbeiter erkennen müssen, daß bei diesem Aufbau Fehler gemacht wurden in der gewerkschaftlichen Struktur. Kollege Leonhardt z.B. hat in der Betriebskontrolle verschiedene Referate gehalten, und es gab eine Zeit, wo der Arbeitskollege um einen Käse gekämpft hat. Diese Zeit haben wir überbrückt, aber in diesem Moment sage ich so viel, diese Käsefrage ist wieder aufgetaucht, und wenn diese kleine Frage auftaucht, tauchen auch größere auf und sind aufgetaucht.
Zum Abschluß frage ich den Kollegen Selbmann: Ist es möglich, über den Kollegen Seeger auf dem schnellsten Wege Bescheid zu haben, was mit ihm los ist, wo er sich befindet und warum er eingesperrt ist? Diese Forderung habe ich gestern schon gestellt mit Termin. Die Generaldirektion antwortete mir, das sei ein Ultimatum. Ich verlange vom Genossen Selbmann, wann kann die Sache mit Seeger geklärt werden?
7. Diskussionsbeitrag des Gen. Sasse
Liebe Arbeitskollegen, liebe Genossen!
Es ist heute seit den Geschehnissen des 17. Juni das erste Mal gewesen, daß ein verantwortlicher Minister unserer Regierung ganz klar eine Linie aufgezeigt hat, die wir bisher im Buna-Werk vermissen mußten. Es ist doch so, daß unsere Parteileitung an den Ereignissen des gestrigen Tages und des heutigen Tages selbst die größte Schuld trägt. Warum?
Es gibt ein Sprichwort, das sagt: "Wer nicht hören will, muß fühlen."
Der Ausgangspunkt für die Geschehnisse des gestrigen Tages ist die Auseinandersetzung mit unserem Genossen Fred Oelßner, der hat in diesem Saal ein Schlußwort gehalten, was ungenügend und äußerst schwach war. Er hat uns als naive Kinder bezeichnet. Wenn wir es uns betrachten, unsere Betriebszeitung "Aufwärts", dann müssen wir feststellen, daß wir wirklich die Sprache des Arbeiters nicht verstehen wollten. Unsere Betriebszeitung stellte unsere 35 Redner außer einigen als Provokateure hin. Auf die wirklich tiefen Betrachtungen, die die Arbeiter hier vortragen wollten, ist man hier nicht eingegangen.
Wenn man z.B. Versammlungen einberuft, wie wir es in C 45 gemacht haben, wir haben eine Versammlung einberufen, wo die Kollegen Forderungen stellten, es sind Forderungen dabei, für die ich persönlich nicht eintreten kann und nicht vertreten habe, aus dem einfachen Grund, weil die Arbeitskollegen hinter den 7 Punkten, die aufgestellt waren: Freilassung der politischen Gefangenen, nicht erkannten, was diese Forderung besagte. Hinter diesen 7 Forderungen, die bei uns plötzlich auftauchten, von denen vorher bei uns nicht diskutiert wurde, die drei Stunden vor der Versammlung am schwarzen Brett aufgehängt wurden und dann von den Kollegen diskutiert wurden, sind keine Forderungen von ehrlichen Arbeitern. Wenn heute Gen. Selbmann als erster aufgezeigt hat, daß nicht alles Provokateure im Werk sein können, sondern daß auch die Masse dahinter steht, so ist er der erste gewesen, der diese Feststellung machte.
Die Ausführungen, die Gen. Selbmann in seinem Referat machte, zeigen uns, daß die Sache des Buna-Werkes bei Gen. Selbmann in guten Händen ist, daß wir Vertrauen zu ihm haben können. Ich möchte auch über die große politische Forderung mit eingehen, die Gen. Selbmann in 3 Punkte eingeteilt hat. (sic!) Die Forderung: "Freie gesamtdeutsche Wahlen ..."
Ich möchte Dir sagen, diese Frage ganz ernsthaft zu prüfen. (sic!) Es ist ein Unterschied zu finden, und wenn Du als Genosse Selbmann als Minister sagst, wir fordern gesamtdeutsche Wahlen - wir stellen uns vor, wenn wir die Einheit Deutschlands erreichen wollen, daß eine sogenannte Ehe geschlossen wird zwischen Ost und West, und ich beschimpfe die Frau, die ich in Leipzig sitzen habe und sage dann eines Tages zu ihr, komm du man von Leipzig nach Halle und wir werden dann diskutieren, wie unsere Ehe abgeschlossen werden kann. Ich glaube nicht, daß es in diesem Falle zu einem Abschluß kommt. Aus diesem Grunde möchte ich die Bitte aussprechen, daß man die große Hetze über den Westen einstellt, denn es ist keiner hier im Buna-Werk, der eine Adenauer-Regierung wünscht, keiner ist da, und wenn unsere Regierung es versteht, die Interessen der Arbeiterschaft zu vertreten, wirklich die Punkte realisiert, dann kann es keinen Arbeiter in der DDR geben, der sich nicht fest hinter diese Regierung der Arbeiterschaft stellt. Aus diesem Grunde braucht unsere Regierung keine Angst zu haben bei freien Wahlen und nichts zu befürchten, dann werden wir Arbeiter dafür Sorge tragen, daß die gesamtdeutsche Regierung die Interessen unserer Werktätigen vertritt.
"Neuwahl der Gewerkschaften" habe ich im Betrieb diskutiert, ich habe gesagt, daß diese Forderung nicht in Verbindung gebracht werden kann, daß man dort, wir wollen eine Gewerkschaft haben, die mit der Partei nichts zu tun hat. (sic!) Eine solche Forderung kann nicht stehen und dürfen sie nicht stellen. Sie hat zum Ziel, die Einheit und Einigkeit der Arbeiterschaft zu zerschlagen, im Interesse der Provokateure. Unsere Gewerkschaft hat seit 17.6. nicht verstanden, eine solche klare Linie zu beziehen (sic!), wie es Gen. Selbmann aufgezeigt hat. Sie hat nicht verstanden, auf die Forderungen der Kollegen klar und sofort und unmißverständlich einzugehen. Wenn ich an unsere Versammlungen denke, muß ich sagen, daß unsere Kollegen der BGL sich die Versammlungen angehört haben, aber keinerlei Stellung dazu abgegeben haben. Die Gewerkschaft muß die Sprache der werktätigen Menschen sprechen, dann versteht auch der werktätige Mensch, was die Gewerkschaft will.
"Freilassung aller politischen Gefangenen": Auch hier habe ich mich kämpferisch mit unseren Kollegen auseinandergesetzt. Unsere Forderung, die wir aufgestellt hatten, hieß: Freilassung aller politischen Gefangenen, die am 17.6. verhaftet wurden und klar für die Sache der Werktätigen gekämpft haben. Hier haben es Kollegen verstanden, die Forderung aller politischen Gefangenen zu stellen. (sic!) Nachdem diese Forderung aufgestellt war, habe ich mich mit den Kollegen unterhalten, und sie verstehen etwas ganz anderes, die verstehen, daß man nur solche politischen Gefangenen, die sich für die Sache der Werktätigen eingesetzt haben, freiläßt, von solchen Verbrechern distanziert sich unsere Belegschaft. Es ist verständlich, daß es auch politische Gefangene geben kann, die vor dem 17.6. verhaftet wurden, weil sie sich damals gegen den falschen Kurs der Regierung gestellt hatten. Damals waren sie als Feinde der Arbeiterschaft betrachtet worden und deshalb inhaftiert.
Wenn man die Fragen so stellt, die Forderung die Freilassung der politischen Gefangenen, die die Interessen der Werktätigen vor und nah dem 17. vertreten haben. (sic!) Wir als Arbeiter des Buna-Werkes glauben, daß wir diese Losung, die hier steht: "Mit der SED und unserer Regierung vorwärts zum Wohlstand und Glück unseres Volkes", daß wir als Arbeiter des Buna-Werkes kämpferisch hinter dieser Losung stehen.
Fritsche, Ernst
Kolleginnen und Kollegen!
Die ATA mit einer Gesamtbelegschaftszahl von 650 hat heute ihre Vertreter geschickt, um die Sorgen und Nöte vortragen zu können. Die generelle Übertragung über den Werkfunk ist leider nicht entsprochen (sic!), und das bedauern wir um so mehr, denn wir halten die Übertragung für eine Beruhigung und gewissermaßen Sänftigung. Denn gerade diese Worte sind für die Belegschaftsmitglieder unbedingt wichtig. Die Forderung von der Anwendungstechnischen Abteilung und zwar, daß die Redefreiheit unter allen Umständen gewährt werden muß (wird von den Anwesenden unterbrochen). In der vergangenen Nacht sind drei Belegschaftsmitglieder verschwunden, der erst gestern neugewählte AGL-Vorsitzende Frauendorf und noch zwei andere Kollegen, darunter eine Kollegin. Wir wollen, daß wir frei und offen darüber diskutieren, und daß alles zum Ausdruck gebracht werden kann. Nachdem die BGL ihre Fehler zugegeben hat und von Seiten der Gewerkschaftsgruppen Mißtrauensschreiben gestellt wurden, ist es unverständlich, daß der Wille der Belegschaft des Buna-Werkes nicht respektiert wird. Hier wurde ein großer Fehler erstens vom Bundesvorstand des FDGB und zweitens von der Partei begangen. Beide Organe tragen viel Schuld an den Vorkommnissen des 17. Juni und noch viel mehr an denen des 15. Juli. Warum mußte das geschehen? Wir können nicht umgehen, wenn die Hauptforderungen unserer Belegschaft erfüllt worden wären, wäre es in keiner Weise zu den gestrigen Auseinandersetzungen gekommen, denn wir alle haben den Willen, in Ruhe und Frieden unsere Arbeit zu erfüllen und auch unsere Produktionsstätten und damit unseren Arbeitsplatz zu erhalten und zu schützen. Dazu ist erforderlich eine sofortige Ablösung der BGL, aus dem Werk sollen die Besten diese wichtigen Funktionen übernehmen. Wir sind uns einig. Wir werden diese Kollegen finden, die uns die Gewähr geben, eine einwandfreie Arbeit im Interesse unserer Belegschaft zu leisten. Die weitere Forderung auf Freilassung der Inhaftierten wollen wir mit allem Nachdruck, und wir werden uns auch nicht beirren lassen, daran festzuhalten, bis der letzte Mann oder die letzte Frau wieder entlassen und in unseren Betrieb wieder zurückkehrt. Wie wir vernommen haben, soll die Werkkommission wieder eingesetzt werden, wir geben unserer Genugtuung zum Ausdruck, daß die Generaldirektion diesen Wunsch erfüllt hat. Die Arbeit muß zügig vonstatten gehen, selbst, wenn Tag und Nacht gearbeitet wird. Durch diese Arbeit ist die Kommission voll verantwortlich, alle Wünsche der Belegschaft schnell zu überprüfen. Aber wir wollen die Früchte auch sehen und wollen, daß Wesentliches geleistet wird.
Hier müssen die noch zu Gebote stehenden Mittel ergriffen werden. Unsere Abteilung hat 30 Punkte von der technischen und 10 Punkte von der politischen Seite aufgestellt.
Bis heute ist nichts geschehen, nicht mal eine Stellungnahme ist erfolgt, so geht das nicht! Weiter wird gefordert, der Abzug der bewaffneten Polizei aus dem Werk!!!! (Stürmische Zwischenrufe: "Bravo, bravo!!!!!")
Hierzu brauche ich keine großen Worte zu sprechen. Wir hoffen, daß die Generaldirektion, Werksleitung und die Organisationen die Einsicht haben, daß dieser Zustand ein unerklärlicher ist. Für den deutschen Arbeiter ist es unwürdig, mit Waffengewalt zur Arbeit angetrieben zu werden. (Wieder stürmische Bravorufe!) Das, was wir schon acht Jahre schmerzlich empfinden, ist, daß unsere Arbeitsplätze mit Stacheldraht umgeben sind. Es fehlt die Freiheit. Aus den Jahren des Nazismus hätte man Erkenntnisse sammeln, die notwendigen Schlüsse ziehen müssen. Selbst unser Präsident hat kürzlich gesagt, daß die Rechtsgewalt in der DDR überprüft werden muß. Daß die Massen recht haben, sehen wir aus den Beweisen, die auch in den anderen Ländern, z.B. der SU durch die Absetzung des Innenministers und jetzt durch die Absetzung unseres Justizministers in der DDR. In diesem Zusammenhang sehe ich die Grundlage für die wahre Demokratie, die kann nur auf der Basis der unbedingten Rechtssicherheit beruhen. Und diese brauchen wir dringend. (Beifall) Die Forderung der Belegschaft unserer Abteilung wird ganz besonders unterstrichen. Durch die Forderung nach freien und geheimen Wahlen für die DDR und später für ganz Deutschland.
Fortsetzung des Diskussionsbeitrages Golizewski
Nehmt die Kollegen, die geschult worden sind und sagt: "Ihr müßt uns vertreten!" Auch von den guten Kollegen hat sich mancher gedrückt, und ich möchte Euch sagen, nehmt die Kollegen heraus, die da sind, guckt sie Euch an, wie sie jahrelang mit Euch gekämpft und gehungert haben, dann werden auch Eure Forderungen durchgesetzt werden!
Eine Tatsache möchte ich Genossen Selbmann mitgeben:
Die Regelung der Verdienstsätze von 1 - 4. Das ist eine Schraube ohne Ende. Manche Kollegen werden hochgestuft, das Existenzminimum der trotzdem nicht sicher. Es geht darum, das Existenzminimum der Familie zu sichern. Die Frage geht dahin, allen muß geholfen werden; denn an der Verdienstmöglichkeit des arbeitenden Menschen hängt alles dran. Da hängen auch die Rentner dran, unsere Regierung hat es versprochen. Uns geht es nicht schnell genug. Gen. Grotewohl sagte: "Auf der Hand können wir doch keine Weizenfelder wachsen lassen."
Gen.! Die Partei, die Grundorganisationen stehen unter Euch, denkt daran, daß ihr die Aufgabe habt, ihnen zu helfen. Achtet sie so! Sie sind die rechtmäßigen Vertreter zwischen Regierung, Partei und Euch! Und nur auf dieser Grundlage können wir vorwärts kommen und schneller helfen. Wenn dieser zu dämlich ist, die Sache zu verstehen, dann sucht Euch doch die richtigen Leute aus! Dann könnt Ihr doch das erreichen, was Ihr wollt!
10. Diskussionsredner: Gen. Flierl
Gestern wurde uns in der Betriebsversammlung in C 34 von Ing. Pötsch gesagt, wir können nur einen Mann zur Generaldirektion schicken, wir wollten zwei schicken. Nun gut, es ist einer gegangen.
Von Dr. Moll wurde uns gesagt, es ist garantiert, daß niemand verhaftet wird. Was mußten wir erleben? Unser Kollege Kuzella ist verhaftet worden. Soll das so weiter gehen? Ich glaube nicht, und wenn das nicht aufhört, hört auch der Streik nicht auf. Wir fordern immer wieder unsere Gefangenen frei, und wenn das nicht aufhört, wird es auch keine Ruhe geben.
Man spricht von Provokateuren. Was war das gestern?
In verschiedenen Bauten steht die V.P. Der Arbeiter war anständig und hat sie nicht beachtet. Wollte man uns provozieren? Man geht wohl darauf aus? Nun ein Wort über die politischen Gefangenen. Wir haben in C 66 einen Kollegen, der hat sieben Wochen gesessen, seine Frau hat nicht erfahren, wo ihr Mann war. Erst als ihr Mann Termin hatte, wurde sie verständigt. Wo bleibt hier der § 136, Kollege Selbmann?
Das heißt, daß die Familien eingehend benachrichtigt werden. Wir fordern über den Kollegen Niegram eine neue Verhandlung zu führen. Er war genau so verärgert wie wir alle. Er ist zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden. (Pfui-Rufe)
Ich habe mit dem Rechtsanwalt und Staatsanwalt gesprochen. Es ist nicht herausgekommen, wer dem Koll. N. so eine Charakteristik ausgestellt hat. Wir als Arbeitskollegen würden jetzt ihm eine Charakteristik selbst ausstellen und verlangen, daß der Kollege rauskommt.
Noch eins, die Regierung hat Fehler gemacht. Ich frage Dich, Kollege Selbmann, hat Walter Ulbricht Fehler gemacht? (Ein großer Teil Kollegen brüllt "Ja".) Nein, Kollegen, er hat keine Fehler gemacht, denn er wurde "Held der Arbeit". Das war der größte Hohn, den wir zu fressen bekommen haben.
Kollege Selbmann, die Geduld hat lange gedauert. Wir sind keine Provokateure. Ich hatte 14 Tage Urlaub. Mann wollte mich heute nicht hier herschicken. Ich habe gesprochen. Mehr wie wegholen können sie uns nicht.
Sollen sie die Zuchthäuser noch voller stopfen oder neue bauen. Aber man muß endlich einmal aufhören mit den Verhaftungen. So lange kann die Regierung bei uns nicht fußen, wie die Verhaftungen weitergehen.
Ein Kollege der Karbidfabrik
Arbeitskolleginnen und Kollegen!
Ich stehe hier als Vertreter der Karbidfabrik. Kollege Selbmann hat betont, daß die Arbeiter der Karbidfabrik hinter den Forderungen von G 32 stehen.
Wahr ist, daß die Arbeiter der Karbidfabrik sich solidarisch erklären und fühlen mit den Forderungen, die Freiheit der Inhaftierten, wenn sie nachweisen können, daß sie nicht an der Provokation beteiligt waren.
Wir haben in den Belegschaftsversammlungen dem Gen. Rinkel alles gesagt, was uns bedrückt. Bis zum heutigen Tage ist uns auch schon eine Hilfe zuteil geworden, nämlich die Sonntagszulage, die wir bereits schon einmal bekommen haben, werden wir wieder erhalten.
Unsere Hauptforderung ist mit, die Ofenarbeiter von der Lohngruppe 5 auf Lohngruppe 6 einzustufen. Uns wurde einmal gesagt, bei Inkrafttreten des neuen Lohngruppenkataloges kommen die Ofenarbeiter von Gruppe 5 nach 6. Der Lohngruppenkatalog ist nicht in Kraft getreten, und das Geld haben wir demzufolge auch nicht erhalten. Von unserem Parteisekretär wurde berichtet, daß in diesem Quartal kein Geld zur Ausgabe kommt. In dem Moment, wo Umgruppierungen vorgenommen werden, muß das Geld bezahlt werden.
Viele Kollegen waren im Kriege und in der Gefangenschaft. Ja, sogar in sowjetischer Gefangenschaft, und es ist nicht einmal in der Gefangenschaft passiert, daß man mit Waffen an die Arbeit getrieben wird.
Wir fordern von Dir, Gen. Selbmann, die sofortige Herausziehung der kasernierten V.P. aus unserem Werk, damit wir uns als freie Arbeiter fühlen können und dürfen.
Schuber, C 29
Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte erst betonen, daß ich mich mit sämtlichen Forderungen meiner Vorredner solidarisch erkläre.
Eine weiter Forderung von C 29 ist:
Sofortiger Rücktritt der bisherigen BGL.
Einsetzung einer provisorischen BGL.
Vorher wird die Arbeit nicht wieder aufgenommen.
Auf Grund dieser offenen Provokation schloß Gen. Rinkel die Versammlung.
Abschrift
Die Belegschaft der Anwendungstechnischen Abteilung hat durch ihre Gruppenorganisatoren der AGL folgende Forderungen übermittelt zur Weiterleitung an die Werksleitung und BGL
- Sofortige Freilassung aller politisch Inhaftierten, insbesondere der bei den Unruhen am 17. Juni 1953 festgenommenen Kollegen.
Überprüfung bereits erlassener Urteile und objektive Beurteilung der Vergehen. Bildung einer Werkskommission für Sofortmaßnahmen bei Verhaftungen von Belegschaftsmitgliedern.
- Freie und geheime, demokratische Wahlen in ganz Deutschland.
Nach Bildung der hieraus hervorgegangenen Regierung Abzug aller Besatzungstruppen.
- Die Presse- und Redefreiheit in ganz Deutschland muß garantiert werden. Es darf niemand wegen seiner politischen Überzeugung verhaftet werden.
Durchführung aller Versammlungen mit Staatsfunktionären als öffentliche Versammlungen.
- Verbot aller militärsportähnlichen Organisationen. Die deutsche Jugend soll friedlich am Aufbau mitarbeiten und nicht durch Kriegsspiele die Kluft zwischen Ost und West noch vertiefen.
- Der FDGB muß, wenn das Vertrauen der Werktätigen zum FDGB wieder hergestellt werden soll, eine Trennung von Partei und Gewerkschaft vornehmen. Der Artikel 5a) der Satzungen des FDGB ist zu streichen. Ein Gewerkschaftsfunktionär kann nicht zugleich Parteifunktionär sein.
- Abschaffung der kasernierten Volkspolizei.
- Sofortige Aufhebung des Ausnahmezustandes.
- Bezahlung des 17. Juni aus Staatsmitteln oder durch den FDGB, da das Monatssoll des Werkers übererfüllt wurde.
- Verbesserung der Lebenslage durch eine Preissenkung. An erster Stelle sind die HO-Preise auf eine vernünftige Basis zu bringen. Ferner Einstellung des Verkaufs von Fleisch und Fettwaren zu HO-Preisen, dafür Erhöhung der Kartenrationen zu Normalpreisen. Desgleichen sind die Erzeugnisse Vollmilch, Eier und Käse zu Normalpreisen auf Karten auszugeben.
- Es wird gefordert, schnellstens eine Steuerreform durchzuführen. Besonders soll die Lohnsteuer auf ein erträgliches Maß, desgleichen die SVK-Abzüge von 10 auf 5 % gesenkt werden.
- Herabsetzung der FDGB-Beiträge.
- Ablegung der Waffen der Polizei im Werk während des Tordienstes.
- Wiedereinführung der Prämienverschickung nach Ilsenburg auf Werkskosten. Besonders zu berücksichtigen sind hierbei die Kollegen aus gesundheitsgefährdeten Betrieben (Rußwalzer usw.)
- Die früher übliche Weihnachtsprämie muß für jedes Belegschaftsmitglied von der Werksleitung und BGL garantiert werden. Die Verteilung ist nach den Richtlinien, die bis 1950 gültig waren, vorzunehmen.
- Der Heimaturlaub muß bis zur endgültigen Klärung der Wohnungsfrage gewährt und bezahlt werden.
- Einheitliche Fahrpreise auf den Straßenbahnen in der DDR sind sofort einzuführen.
- Abschaffung der Lohngruppe I. Bis zum 1.8.53 Aufbesserung der Lohngruppen I- IV.
- Abschaffung der Lebensmittel-Zusatzkarten D und E. Um einen ausreichenden Lebensstandard zu gewährleisten, müssen alle arbeitenden Menschen mindestens die Lebensmittelkarte C erhalten.
- Herausnahme der Frauen aus gesundheitsgefährdenden Betrieben sowie Hoch- und Tiefbau, Straßen- und Bahnbau.
- Herabsetzung des Mindestalters für Altersrente; bei Frauen auf 53, bei Männern auf 60 Jahre.
- Badezeit für den gesamten Betrieb von C 19. Dieser Betrieb muß als Schmutzbetrieb anerkannt werden.
- Erhöhung der Erschwerniszulage der Kalanderfahrer und Pressefahrer auf 12 Pfg. pro Std.
- Das Prämienleistungslohnsystem muß mit steigender Arbeitsproduktivität erhöht werden und nicht wie in letzter Zeit gesenkt werden.
- Gleichzeitig fordern wir für unsere kaufmännischen Kollegen die Schaffung eines Prämiensystems bzw. die Angleichung an die Produktions- bzw. DDR-Prämie.
- Erhöhung des Grundurlaubs für die chemische Industrie auf 18 Arbeitstage.
- Neuwahl sämtlicher Gewerkschaftsfunktionäre bis hinauf zum Bundesvorstand unter Berücksichtigung des Punktes 5 unserer Forderungen. Ein entsprechender Mißtrauensantrag gegen unsere zur Zeit bestehende BGL ist bereits mit konkreten Unterlagen an die Instrukteur-Brigade des FDGB und der BGL abgeschickt.
- Regulierung der Gehälter der kaufmännischen Angestellten um ein Wesentliches.
- Bessere Medikamente für die Kranken und Gewährleistung kostenloser Anfertigung orthopädischer Schuhe für Beinamputierte.
- Wahrheitsgemäße Berichterstattung des "Aufwärts". Begründung: Von der Versammlung mit Ölßner wurden nur die der Partei zusagenden Kritiken groß beleuchtet, während die zahlreichen Beanstandungen, Wünsche und Forderungen der meisten Diskussionsredner unberücksichtigt bleiben. Über die Ablehnung der Resolution wurde kein Wort berichtet.
- Die BGL wird aufgefordert, im "Aufwärts" zu veröffentlichen, von welchen Betrieben bereits Mißtrauensanträge gestellt wurden.
Die Belegschaft der ATA fordert bis zum 20.7.1953 eine Stellungnahme im "Aufwärts" zu den von uns geforderten 30 Punkten. Andernfalls der normale Arbeitsablauf durch die vorhandene Unzufriedenheit gestört werden kann. Bis zur restlosen Klärung zahlt die ATA keine Gewerkschaftsbeiträge.
Oben angeführte Punkte wurden in den Gewerkschaftsgruppen gestellt und diskutiert. Die Forderungen wurden von der überwiegenden Mehrheit gegen einige Gegenstimmen und Stimmenthaltungen angenommen.
Abschrift
Erklärung der Betriebsgewerkschaftsleitung den die [???] Gewerkschaftsmitglieder der Chemischen Werke Buna
Kolleginnen und Kollegen!
Was ist in den letzten Wochen durch die Gewerkschaften und die Betriebsgewerkschaftsleitung im Interesse der Werktätigen der Chemischen Werke Buna getan worden?
Die Beschlüsse des Politbüros der SED und des Bundesvorstandes des FDGB zur Erhöhung der Lohngruppen 1 - 4 sind auch auf die Vorschläge und Forderungen der Betriebsgewerkschaftsleitung unseres Werkes mit zurückzuführen. Die BGL ließ sich bei ihren Beschlüssen davon leiten, daß die Lage der Arbeiter in den untersten Lohngruppen am schlechtesten ist und hier dringend geholfen werden muß.
Die Betriebsgewerkschaftsleitung hatte beschlossen und beim Zentralvorstand gefordert, die 50%igen Zuschläge für Schichter an Sonn- und Feiertagen wieder einzuführen.
Dieser Vorschlag wurde ebenfalls vom Bundesvorstand und vom Politbüro der SED bestätigt.
Die Wiedereinführung der alten Fahrpreisregelung, die Wiederherstellung der alten Zustände auf dem Gebiet der Sozialversicherung, die beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung mit Arbeitskleidung sind nicht zuletzt von unserer Regierung beschlossen worden, weil wir als Betriebsgewerkschaftsleitung das ernsthaft gefordert haben.
Wir haben auch die Lösung betrieblicher Forderungen sofort angepackt. In den letzten Wochen wurden 572 Lohnregulierungen entsprechend dem BKV durchgeführt und den Arbeitern zu ihrem Recht verholfen.
Auf unseren Vorschlag wurden 148 Wohnungseinheiten in diesem Jahre zusätzlich im Rohbau fertiggestellt. Wir haben dafür gesorgt, daß die Sozialräume in A 44 schnellstens ausgebaut werden, damit sich die Arbeiter wohlfühlen und in den Pausen gut erholen können.
Auf unseren Vorschlag wird die Konsumverkaufsstelle auf der Friedenshöhe zur Erleichterung des Einkaufs eingerichtet und Schulräume ausgebaut, damit unsere Kinder nicht so weit zur Schule gehen müssen.
Ist nicht auch der Vorschlag der BGL von Bedeutung, die Tragezeit der Arbeitskleidung von 18 auf 12 Monate herabzusetzen, dem die Werkleitung zustimmte?
Diese Beschlüsse sind sehr bedeutungsvoll und berühren das Leben eines jeden Arbeiters.
Darüber hinaus werden durch die BGL in diesem Jahre 1.500 Kinder frohe Ferientage verleben und 2.200 Arbeiter ihren Urlaub in den schönsten Ferienheimen des FDGB zu billigen Preisen und guter Verpflegung verbringen können.
Das sind Tatsachen, die allen Arbeitern der Chemischen Werke Buna zeigen, daß die BGL ernsthaft bemüht ist, die Interessen der Werktätigen zu vertreten.
Aber wir haben auch Fehler gemacht, ernsthafte Fehler, die die Arbeiter verärgern. Der ernsteste Fehler bestand darin, daß wir zuviel den Plan gesehen haben und nicht den Menschen, der ihn erfüllt. Dadurch wurde unsere Arbeit einseitig, und das gilt es zu korrigieren. Unsere Fehler und die dadurch aufgetretene Unzufriedenheit der Gewerkschaftsmitglieder gaben einigen arbeiterfeindlichen Elementen die Möglichkeit, Forderungen aufzustellen, die eine Zerschlagung der Gewerkschaftsorganisation zum Ziele haben. Nicht die Gewerkschaften zerschlagen, sondern den neuen Kurs rasch und unbürokratisch durchführen, das ist jetzt unsere Hauptaufgabe, und daran müssen alle Gewerkschafter mithelfen!
Das verlangt von uns die Erfüllung aller berechtigten Forderungen und Wünsche unserer Kollegen.
Die Betriebsgewerkschaftsleitung wird in den nächsten Tagen folgende Sofortmaßnahme in Angriff nehmen:
- Durchführung von Lohnregulierungen, die die Arbeiter berechtigt fordern und die ihnen nach den Gesetzen und nach dem BKV zustehen.
Diese Aufgabe muß bis zum 31.7.1953 im wesentlichen gelöst sein.
- Umgestaltung des Wohnungswesens und die Sicherung des Einflusses der Gewerkschaften auf die Verteilung des Wohnraumes.
Termin: 1.9.1953
- Überprüfung der Lebensmittelkarten-Einstufung und Versorgung unserer Werktätigen in unserem Betriebe.
Termin: 15.8.1953
- Untersuchung der Prämienverteilung und Ausarbeitung von Vorschlägen an die Werkleitung mit dem Ziel, auch auf diesem Gebiet den Einfluß der Arbeiter und die Kontrolle der Gewerkschaften sicherzustellen.
Termin: 1.9.1953.
- Erweiterung der gewerkschaftlichen Kommissionen durch Gewerkschaftler aus Betrieben bis zum 5.8.1953.
besonders die Kommissionen:
- Lohnkommission,
- Rat der Sozialversicherung,
- Wohnungskommission,
- Feriendienstkommission,
- Kommission für Arbeitsschutz,
- Kommission für Arbeiterversorgung.
Hierbei ist notwendig, die Kommission für Arbeiterkontrolle zu bilden.
Wir erwarten von unseren Kolleginnen und Kollegen, daß sie ihren Pflichten gewissenhaft nachgehen, daß sie arbeiten, ihre Gewerkschaften unterstützen und dafür sorgen, daß die Gewerkschaftsarbeit nach demokratischen Grundsätzen durchgeführt werden kann.
Die Betriebsgewerkschaftsleitung wird regelmäßig Rechenschaft über ihre Arbeit vor den Mitgliedern in Mitgliederversammlungen ablegen. In diesen Versammlungen haben die Gewerkschaftsmitglieder das Recht, die Arbeit ihrer Leitungen zu beurteilen und die Pflicht, dafür zu sorgen, daß solche Leitungen an der Spitze der Belegschaft stehen, die die Durchsetzung des neuen Kurses gewährleisten.
Vorwärts auf dem neuen Kurs in unserer
Gewerkschaftsarbeit!
Betriebsgewerkschaftsleitung der Chemischen Werke Buna
gez. Werner Leonhardt,
gez. Fritz Goldschmidt
gez. Wolfgang Weist
gez. Werner Domann
gez. Walter Kohl
gez. Elfriede Körner
gez. Eva Falkenhorst
gez. Karl Röber
gez. Werner Bänsch
gez. Kurt Parreidt
gez. Paul Grämke
gez. Willi Gropp
gez. Horst Höfchen
Schkopau, den 17.7.1953
Abschrift
Schkopau, den 14.7.1953
Die Diskussion und Aussprache der Belegschaft der Betriebsgruppe H 51/H 55/F 45/F 31 mit ihren Funktionären der Gewerkschaft ergaben einmütig die Aufstellung folgender Forderungen:
I. Allgemeine freie geheime und direkte Wahlen für ganz Deutschland nach einem Wahlgesetz, das die Zulassung aller deutschen Parteien und Massenorganisationen zuläßt.
II. Die Einheit Deutschlands und die Aufstellung einer gesamtdeutschen Regierung.
III. Abbau des Verwaltungskörpers auf ein zweckmäßiges gesundes Maß.
IV. Rechtssicherheit für alle Staatsbürger
- durch Schaffung einer qualifizierten deutschen Gerichtsbarkeit
- durch eine deutsche Volkspolizei, die dem Willen und den Bedürfnissen aller Staatsbürger entspricht
- Freilassung aller nur politischen Gefangenen
V. Schaffung einer parteipolitisch unabhängigen Gewerkschaftsorganisation, die die Interessen aller Werktätigen vertritt
- Neuwahlen in allen Gliederungen einschl. Bundes- u. Zentralvorstand, in freier geheimer direkter Wahl
- Satzungsänderung dahingehend, daß alle Gewerkschaftsmitglieder einen Rechtsanspruch auf Leistungen aus der Gewerkschaft besitzen
- Haushaltsaufstellung und Kontrolle des Etats
- Beitragsermäßigung um 30 %
- Beitragsberechnung nach dem Nettolohn
VI. Aufbau einer unbürokratisch gelenkten, den Volkbedürfnissen und dem Volksvermögen entsprechenden Planwirtschaft
- Preisgestaltung, die dem tatsächlichen Sach- oder Gebrauchswert der Erzeugnisse entspricht
- Planmäßige Preissenkungen
VII. Gerechte, konstante Löhne und Gehälter, die einer klaren, einfachen u. unkomplizierten Berechnungsart unterliegen
- Überprüfung und Zurückführung der Bezüge der Intelligenz und ein gesundes Niveau, das die tatsächlichen Leistungen der Intelligenz, aber auch die Belange der breiten Masse berücksichtigt.
- Eine dem Preisniveau entsprechende Lohnerhöhung der Lohngruppen 1 - 4
- 50% Lohnzuschlag für Sonntagsarbeit
- 15% Lohnzuschlag für Nachtarbeit von 18 - 6 Uhr
- Zahlung einer Jahresabschlußprämie, wie sie 1948 gezahlt wurde
- 20 Pfg. pro Arbeitsstunde Erschwerniszulage für alle Lohnempfänger der Betriebsgruppe
- Einführung einer Prämienverfügung, die eine monatliche Prämienzahlung von 20 - 25% ermöglicht.
- Bezahlung einer Schichtübergabezeit von 10 Minuten für alle Lohnempfänger der Produktion
- Lohnregulierungsanträge sind binnen 4 Wochen zu entscheiden, bei Ablehnung schriftlich zu begründen.
- Einführung des Wirtschaftszweig-Lohngruppenkataloges bis 15.8.1953
VIII. Soziale Forderungen
- Fahrgelderstattung für alle Weitwohner
- Lebensmittelkarte A für alle Lohnempfänger der Betriebsgruppe
- Lebendmittelkarte B (mindestens aber C) für alle Büroangestellten der Betriebsgruppe
- Erhöhung des Jahresurlaubs auf 18 Arbeitstage für alle Büroangestellten der Betriebsgruppe
- Die Tragezeit für Arbeitsbekleidung wird auf 12 Monate begrenzt, bei Säureverbrennungen erfolgt sofortiger Ersatz
- Fahrrad-Versuchsbereifung ist wie früher verbilligt zu verteilen
- Belieferung und Verteilung von je 1/2 Liter Vollmilch für alle Betriebsangehörigen
- Beibehaltung der Lebensmittelkartengruppe auch im Krankheitsfalle
- Planmäßige Schaffung von gesunden Wohnräumen für alle Werksangehörigen durch Neubauten von jährlich 250 - 300 Wohnungen.
IX. Wettbewerbe u. Prämiierungen von Aktivisten usw. sollen nicht mehr stattfinden; die dafür aufgewendeten Mittel sollen für angemessene Lohnregulierung verwendet werden.
X. Der Betriebskollektivvertrag für 1953 soll den neuen Verhältnissen entsprechend überprüft, abgeändert und der Belegschaft gedruckt bis zum 15.8.53 ausgehändigt werden.
XI. Bei Arbeitsplatzwechsel infolge Berufserkrankung darf keine Lohnrückstufung erfolgen.
XII. Urlauber, die während der Saisonzeit einen Ferienplatz vom FDGB erhalten, haben keinen Aufschlag zu zahlen.
Diese Forderungen gelten als Diskussionsgrundlage für die demnächst in Anwesenheit je eines Vertreters der Werkleitung, der BGL und der SED stattfindenden Belegschaftsversammlungen.
Der Vorsitzende der AGL der Z-Abteilung wird beauftragt, inzwischen die vorstehenden Forderungen der Belegschaft mit allem Nachdruck gegenüber der BGL oder den sonst zuständigen Stellen zu vertreten und über das Ergebnis seiner Bemühungen wöchentlich-erstmalig am 22.7.53 der Belegschaft zu berichten.
XIII. Gelesen und mit allen Punkten einverstanden:
Als Diskussionsgrundlage anerkannt.
Folgender Zusatz wird vorgeschlagen:
Zur Festigung des Bündnisses zwischen Intelligenz und Arbeiterschaft wird die gemeinsame Benutzung aller werkseigenen Kulturstätten und die gemeinsame Veranstaltung von Omnibusfahrten zum Wochenende, zu Markttagen und kulturellen Veranstaltungen gefordert.
[Quelle: SAPMO-BArch, DY 34/3646.]
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