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Kurt Crato
12.2.1911 - 17.6.1953
gest. um 14.00 Uhr in Halle am Zuchthaus "Roter Ochse"
Kurt Crato wird als Sohn eines Tischlers am 12. Februar 1911 in Halle geboren, er erlernt den Beruf des Vaters und arbeitet als Tischler, bis er zur Wehrmacht eingezogen wird. Während des Krieges lernt er in Aussig (dem heutigen Usti nad Labem) seine spätere Frau Maria kennen. Sie heiraten am 22. September 1942 in der Hallenser Marktkirche, können aber noch keine gemeinsame Wohnung beziehen. Ihr Sohn Norbert kommt am 18. September 1943 in Aussig zur Welt. Nach Kriegsende gerät Kurt Crato in Gefangenschaft, aus der er 1949 entlassen wird. Seine Frau Maria muss 1946 das Sudetenland verlassen. Sie ist für einen Transport nach Westdeutschland vorgesehen, sucht aber, als ihr Sohn krank wird, bei den Schwiegereltern in Halle Zuflucht. Als der Vater endlich heimkehrt, findet er als gelernter Tischler bald beim Waggonbau Ammendorf Arbeit.
Am Vormittag des 17. Juni 1953 marschiert er mit seinen Arbeitskollegen im Demonstrationszug von Ammendorf in Richtung Stadtzentrum Halle. Als das Gerichtsgebäude gestürmt wird, fährt Kurt Crato mit dem Rad zur Weidenplanschule, er holt seinen Sohn Norbert aus dem Unterricht und bringt ihn nach Hause in Sicherheit. Er erzählt seiner Frau von den Ereignissen, und dass die Aufständischen jetzt auch das Zuchthaus stürmen und die Inhaftierten befreien wollten. Er wisse, was Gefangenschaft bedeute, sagt er ihr, dieses Schicksal wolle er den Häftlingen im "Roten Ochsen" ersparen. Trotz der Warnungen seiner Frau schließt Kurt Crato sich wieder den Demonstranten an. Beim Eindringen in den Hof des "Roten Ochsen" wird er durch mehrere Maschinenpistolenschüsse schwer verletzt. Als die Krawalle sich der Cratoschen Wohnung nähern, nimmt die Mutter den Jungen bei der Hand, um nach dem Vater zu sehen. Doch sie kommt nicht weit; als die ersten Schüsse fallen, wird die Angst um den Sohn stärker als die Sorge um den Vater, sie kehrt um und eilt ins Haus zurück. Später erfährt sie von einem Nachbarn, dass man ihren Mann schwer verletzt in einer Arztpraxis abgeliefert habe, wo ihm aber nicht mehr zu helfen gewesen sei. (1) Mehr erfährt sie nicht, von niemandem.
Am 22. Juni beschließt man bei der Bezirksbehörde der Volkspolizei (BDVP) in Absprache mit der SED-Bezirksleitung, Kurt Crato zusammen mit anderen Erschossenen am 24. Juni in aller Stille zu beerdigen und die Angehörigen erst nachträglich zu verständigen. (2) Man will neuerlichen Aufruhr vermeiden. Der Verantwortliche für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Halle ruft einen Pfarrer an und fordert, angesichts des Ausnahmezustands "das Glockengeläut einzustellen" (3). Der damals fast zehnjährige Norbert Crato erinnert sich an eine kleine, "heimliche" Andacht am bereits geschlossenen Grab des Vaters. (4)
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1 |
Die Sterbefallanzeige des Bezirksstaatsanwaltes benennt als Sterbeort "Am Kirchtor am Haus Nr. 20" (Gefängnis). Nach Angaben einer Bekannten des Sohnes Norbert Crato wurde er schwerverletzt in den Vorgarten eines der Häuser gebracht, die dem Gefängnis gegenüber liegen. |
2 |
Vorschlag zur Beisetzung der Opfer vom 17.6.1953, 22.6.1953, in: LHASA, Abt. Merseburg, BdVP Halle, Rep. 19, Nr. 74, Bl. 95 ff. |
3 |
LHASA, Abt. Merseburg, SED-BL Halle IV/2/55/1137a, Teil 1, Bl. 172 (zitiert nach Löhn, "Spitzbart, Bauch und Brille", S. 183). |
4 |
Gespräch von Edda Ahrberg mit Norbert Crato in Halle, 4.12.2003. - Bestattet wurde Kurt Crato am 24. Juni 1953 zwischen 7.00 und 8.00 Uhr auf dem Gertraudenfriedhof in Halle (Abt. 4, Reihengrab 2411). Das Grab ist nicht mehr vorhanden. |
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