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Horst Pritz
2.11.1935 – 17.6.1953
gest. am Nachmittag in Magdeburg in der Carl-Miller-Straße
Horst Pritz wird am 2. November 1935 in Magdeburg geboren; er ist gelernter Dreher, arbeitet aber als Instrukteur bei der FDJ-Stadtbezirksleitung West und hat an diesem Tag wie die meisten seiner Kollegen besonders viel um die Ohren: Er ist von morgens an "zum Diskutieren eingesetzt". (1)
Zwischendurch trifft er sich mit seinem Vater in der Eisdiele am Beimsplatz; nach Auskunft seiner Schwester hat er sich mit ihm über die Ereignisse des Tages gestritten. Der Vater, der im Eisenhüttenkombinat Ost arbeitet, steht politisch auf einem anderen Standpunkt als der junge Funktionär. Die Mutter, angestellt im HO-Warenhaus und SED-Mitglied, unterstützt ihn dagegen. Zurück in seinem Büro, erfährt Horst Pritz von dem gefährlichen Auftrag an eine junge Kollegin, die quer durch die Stadt zur FDJ-Kreisleitung geschickt werden soll; er bietet seine Begleitung an.
In der Kreisleitung angekommen, erhält er einen Anruf von der FDJ-Bezirksleitung: Man bittet um Unterstützung, und die Beiden eilen zurück. Doch am Polizeipräsidium ist kein Durchkommen mehr. Sie versuchen einen Umweg über die Carl-Miller-Straße und finden sich plötzlich zwischen den Fronten: Von vorn kommen ihnen Demonstranten entgegen, hinter ihnen fahren russische Panzer auf, vor denen Menschen flüchten. (2) Horst Pritz, heißt es, habe den Panzern zugewinkt, da habe sich eine Luke geöffnet, und es seien Schüsse gefallen. (3) Er wird am Kopf getroffen und ist sofort tot. (4) Sein Vater muss ihn später identifizieren, was ihn, nach Auskunft seiner Schwester, schwer getroffen hat. Ein Zeitzeuge berichtet, dass er unversorgt mehrere Stunden auf dem Gehweg gelegen habe, da russische Soldaten die Menschen ferngehalten und ihn später auf einen ihrer Pritschenwagen geworfen hätten. Die Blutspuren seien noch lang erkennbar gewesen; jemand habe Bekanntmachungen mitten darauf gelegt, und vorher so gefaltet, dass ein großes Ulbrichtfoto zu sehen war. (5)
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1 |
Bericht der BDVP Magdeburg vom 24.6.1953, in: LHASA, Abt. Magdeburg, Rep. M 24, BDVP Magdeburg 1952-60, Nr. 179, Bl. 67.
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2 |
Telefongespräch von Edda Ahrberg mit Erika Hoffmann, der Schwester des Toten, am 10.2.2004.
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3 |
Gespräch von Edda Ahrberg mit Hans-Joachim Nagel am 26.1.2004.
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4 |
Die Sterbefallanzeige wurde vom VPKA Magdeburg, Abt. K, am 22.6.1953 getätigt. Sie vermerkt als Zeitpunkt des Todes "gegen 17.30 Uhr". Der Ablauf der Ereignisse und die Aussagen von Zeitzeugen deuten jedoch auf einen wesentlich früheren Zeitpunkt (zwischen 13.00 und 15.00 Uhr) hin. Als Sterbeort wird angegeben: Carl-Miller-Str., "etwa 50 Meter nördlich der Eisenbahnüberführung" [in Richtung Sternstraße]. – Bestattet wurde Horst Pritz am 24. Juni 1953 auf dem Westfriedhof Magdeburg. Die Beerdigung wurde von der FDJ organisiert. Der Sarg wurde bereits am 6. Juli 1953 wieder umgebettet in die heute noch bestehende Grabstätte (Westfriedhof, W II 736/737). Der Grabstein trägt den Spruch: "Er gab sein junges Leben am 17. Juni 1953."
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5 |
Gespräch von Edda Ahrberg mit Herrn Schaeper am 28.1.2004 am Sterbeort.
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