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Manfred Stoye
3.1.1932 – 18.6.1953
gest. um 3.00 Uhr in der Universitätsklinik Halle
Manfred Stoye wird am 3. Januar 1932 als Sohn eines Böttchermeisters in Halle geboren. Nach dem Krieg bleibt der Vater in Gefangenschaft, die Mutter hat große Not, ihre sechs Kinder zu ernähren. Der halbwüchsige Manfred muss als ältester Sohn an Vaters statt mit für den Unterhalt der Geschwister sorgen, er "organisiert" Lebensmittel u.a. bei den Amerikanern, die nach Kriegsende in Halle stationiert waren, wird später dabei gefasst und in eine Erziehungsanstalt gesteckt. Bei den Geschwistern und den Freunden ist er sehr beliebt.
Am 17. Juni 1953 ist Manfred Stoye als Kesselschmied bei der Waggonfabrik Ammendorf beschäftigt. Er zieht mit den Demonstranten in die Innenstadt. Als am Nachmittag der Sturm auf das Zuchthaus "Roter Ochse" beginnt, hat sich die Situation grundlegend geändert, um 14.15 Uhr hat Bezirks-Polizeichef Zaspel den Befehl erlassen: "Die Benutzung der Schusswaffe ist ... ab sofort erlaubt!" (1) Das wissen die Demonstranten noch nicht, als sie mit einem LKW das Tor aufbrechen und triumphierend in den Vorhof stürmen. Dort sehen sie sich einer Reihe bewaffneter Volkspolizisten gegenüber. Zu spät erkennen die unbewaffneten Aufständischen, wie ernst ihre Lage nun geworden ist: Tote und Schwerverletzte bleiben auf dem Pflaster liegen, als die Menge panisch aus dem Zuchthaushof flieht. Einer von ihnen ist Manfred Stoye, er erliegt seinen Verletzungen am 18. Juni in der chirurgischen Klinik.
Die Polizeiberichte versuchen den Schusswaffengebrauch beim Sturm auf das Zuchthaus als Selbstverteidigung gegen "bewaffnete faschistische Banditen" darzustellen. Aus allen verfügbaren Archivalien und Erlebnisberichten geht jedoch hervor, dass am Kirchtor nur die Polizei geschossen hat. Im polizeilichen "Vorschlag der Beisetzung der Opfer vom 17.6." erheben sich die Genossen von der VP deutlich über ihre Zuständigkeit, wenn sie die Angehörigen des einen 24 Stunden vor der Beerdigung, die des anderen drei Stunden vorher über Ort und Zeit der Beisetzung informieren. Als die Angehörigen Manfred Stoyes auf den Friedhof kommen, ist das Grab schon geschlossen. (2) Bei ihm habe es sich um ein "ausgesprochen asoziales Element" gehandelt, "im Hause und der gesamten Umgebung unbeliebt und nirgends organisiert", heißt es zur Begründung der untersagten Trauerfeier. (3)
Die große Familie der Stoyes ist daran zerbrochen, sich so hart für oder gegen diesen toten Manfred entscheiden zu müssen, das "faschistische Element", als das ihn die Betriebszeitung der Waggonfabrik anprangerte. Nur wenige Angehörige wollen sich seiner noch erinnern.
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1 |
Befehl des Chefs der BdVP Halle an alle Volkspolizeiämter, 17.6.1953, in: LHASA, Abt. Merseburg, BDVP Halle, REP 19, Nr. 73, Bl. 152-172 (zitiert nach Löhn, "Spitzbart, Bauch und Brille", S. 62). |
2 |
Bestattet wurde Manfred Stoye am 24. Juni 1953 zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr auf dem Gertraudenfriedhof in Halle (Abt. 4, Reihengrab 2408). Das Grab ist nicht mehr vorhanden. |
3 |
Vgl. Vorschlag zur Beisetzung der Opfer vom 17.6.1953, 22.6.1953, in: LHASA, Abt. Merseburg, BdVP Halle, Rep. 19, Nr. 74, Bl. 95 ff. |
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