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Alfred Wagenknecht
28.11.1909 - 21.6.1953
gest. unter ungeklärten Umständen im Untersuchungsgefängnis in Niesky
Alfred Wagenknecht wird am 28. November 1909 in Lauban (heute Luban) geboren, er arbeitet im elterlichen Fuhrgeschäft und der dazugehörigen Landwirtschaft in Rothenburg/Lausitz und macht sich 1935 dort als Fuhrunternehmer selbständig. Ein Bierverlag und ein Omnibus kommen hinzu, das Geschäft floriert; Alfred Wagenknecht ist verheiratet und hat fünf Kinder, als er 1939 zur Wehrmacht gezogen wird. Nach dem Krieg ist das Unternehmen - Rothenburg war Kampfgebiet - stark in Mitleidenschaft gezogen, doch schon im Juli 1945 wird der Juniorchef aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, und man kann damit beginnen, das Fuhrgeschäft wieder aufzubauen; eine Flüchtlingsfamilie hilft in der Landwirtschaft. Der tägliche Milchtransport bleibt das Hauptgeschäft und sorgt für ein konstantes Einkommen.
Am 17. Juni 1953 fährt Alfred Wagenknecht die Milch aus den umliegenden Dörfern zur Molkerei nach Görlitz. Auf dem Rückweg nimmt er einen in Görlitz befreiten Häftling mit nach Rothenburg und erfährt so von den Ereignissen in der Kreisstadt. Als er am 19. Juni gegen 18.00 Uhr von seiner Tour heimkehrt, wird er vor seinem Haus verhaftet. Er geht, wie er gekommen ist, in seinen Arbeitssachen mit den Polizisten, führt auch das Fahrrad mit, weil er nachher noch aufs Feld will. Er ist sich keiner Schuld bewusst und beruhigt die Kinder: "Habt keine Angst, ich gehe mit und kläre das." (1)
Nach zwei Tagen bekommt seine Frau Herta einen Anruf vom Volkspolizeikreisamt (VPKA) Niesky, dass ihr Mann im Gefängnis verstorben sei. (2) Im verschlossenen Sarg darf sie ihn abholen, wobei man ihr mitteilt, dass er erhängt in seiner Zelle aufgefunden worden sei und der Sarg nicht mehr geöffnet werden dürfe. (3) An dieses Verbot hält sich Herta Wagenknecht nicht: Ein herbeigerufener Arzt kann keine Strangulierungsmerkmale erkennen, statt dessen stellt er Verbrennungen an Fußsohlen und Schienbeinen, durch Schläge verursachte starke innere und Kopfverletzungen fest. (4) Freunde und Bekannte kommen, um den Toten zu sehen. Nun greift die Volkspolizei ein und ordnet die sofortige Beerdigung an. (5) Der Pfarrer lässt bei der Überführung auf den Rothenburger Friedhof die Glocken läuten und wird daraufhin einen Tag festgesetzt. Herta Wagenknecht wird angewiesen, mit niemandem über die Todesursache ihres Mannes zu reden.
Doch unter den zahlreichen Beerdigungsgästen hat sich längst herumgesprochen, dass sich dieser Mann nicht selbst getötet hat. So vermerkt die SED-Kreisleitung Niesky in einem Bericht: "In Rothenburg und den umliegenden Gemeinden tritt noch stark das Argument auf, dass der von den Staatsorganen festgesetzte Provokateur Wagenknecht aus Rothenburg, der in der Zelle Selbstmord beging, erschlagen worden wäre. Die Genossen in diesen Gemeinden haben nicht die Kraft, diesem Argument wirksam zu begegnen." (6)
Alfred Wagenknecht hat ein Grab auf dem Rothenburger Friedhof, in der Schmiedegasse der Stadt erinnert seit dem Jahr 2000 ein Gedenkstein an ihn.
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1 |
Die folgenden Ausführungen stützen sich auf eine Materialzusammenstellung von Erich Sobeslavsky. Vgl. auch Andreas Blaser, "Ich gehe hin und kläre das". Der Rothenburger Alfred Wagenknecht starb am 21. Juni 1953 - im Gefängnis in Niesky?" In: Lausitzer Rundschau, 14.6.2003. |
2 |
Vgl. BDVP Dresden, Operativstab, Lageberichte, o. D., SächsHStA, BDVP, 23/47, zit. nach: Roth, Der 17. Juni 1953 in Sachsen, S. 308.
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3 |
Vgl. den maschinenschriftlichen Bericht der Frau von Alfred Wagenknecht, Herta Wagenknecht, Bochum, 10.12.1960, sowie: "Zehn Stunden Freiheit". MDR. Sachsen Spiegel-Reportage, 11. Juni 2003, 20.15 Uhr.
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4 |
Vgl. "Solidarität mit Berlin". Der 17. Juni 1953 in den Sächsischen Bezirken. Eine Ausstellung des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Tafel 20, Dresden 2003; Roth, Der 17. Juni 1953 in Sachsen, S. 307, 308, 315.
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5 |
Vgl. Rat des Bezirkes Dresden, Bericht über Niesky vom 24.6.1953, S.1, in: SächsHStA, BT/RdB, 1421, zit. nach: Roth, Der 17. Juni 1953 in Sachsen, S. 308. |
6 |
Vgl. SED-Kreisleitung Niesky, Informationsbericht vom 8.7.1953, in: SächsHStA, SED IV/4/11/104, zit. nach: Roth, Der 17. Juni 1953 in Sachsen, S. 308. |
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