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Tote des 17. Juni 1953
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Alfred Walter

13.8.1919 - 17.6.1953
gest. gegen 23.30 Uhr im Krankenhaus in Weida


Alfred Walter wird am 13.8.1919 geboren und erlernt das Bäckerhandwerk; nach dem Krieg ist er bis 1947 in russischer Gefangenschaft, danach arbeitet er wieder in seinem erlernten Beruf in der Kleinstadt Weida. Er ist verheiratet und soll bald Vater werden (seine Frau ist im sechsten Monat schwanger), als der Aufstand des 17. Juni 1953 auch Weida erreicht.

Hier sind es vor allem die Wismut-Kumpel, die den Aufruhr in die Stadt bringen, Arbeiter aus der Jute- und der Schuhfabrik schließen sich an. Gegen Mittag wird das Rathaus gestürmt, der Bürgermeister muss den Balkon freigeben, und es werden vor den etwa tausend Versammelten Reden gehalten. Einer der Organisatoren und Redner, der damalige Fuhrunternehmer Willy Schleicher, ein SPDler aus der Zeit vor 1933, erinnert sich: "Ich sagte: 'Kolleginnen und Kollegen, Einwohner von Weida, die Stunde der Befreiung ist gekommen. In Berlin haben die Bauarbeiter angefangen, und wir schließen uns an.' Es gab nur ein Ja. Ich sagte weiter: 'Wir fordern die Einheit, nieder mit der Regierung, nieder mit der Norm und fort mit der HO.' Unter lautem Geschrei stimmten mir dann die Massen zu." (1)

Gegen 14.00 Uhr macht sich eine Fahrzeugkolonne der Wismut von Weida auf den Weg nach Gera, doch in der Bezirkshauptstadt sind schon die sowjetischen Panzer, und es ist für die Aufständischen nichts mehr auszurichten. Ein Teil von ihnen kehrt um und fährt am späten Nachmittag wieder in Weida ein, und nun erst entbrennt der Kampf um die Polizeiwache, wo seit Mittag zwei Kumpels gefangen gehalten werden. Einer der Beteiligten berichtet: "Man warf alle Scheiben kaputt und stellte ein Ultimatum, die Kumpels laufen zu lassen. Diese Forderung wurde nicht erfüllt, jetzt brach man den Fahnenmast am Parkplatz ab als Rammbock. Nach drei Anläufen gab die Tür nach, dahinter gab es aber nochmals eine Gittertür. Ein LKW mit Plane passierte langsam Weida, dahinter versteckt waren ca. 50 KVP-Soldaten, diese sprangen zur Rettung der Polizeistation ab und gingen mit der Maschinenpistole im Anschlag auf die Menschen zu. Der Schreck dauerte nicht lange, ein Vopo hatte sich zu weit vorgewagt und wurde entwaffnet und abgeführt. Da die Polizeiwache an einer Kreuzung stand (...), waren jetzt die Vopos von vier Seiten umringt. Die Menschen kamen jetzt von allen Seiten langsam auf die Vopos zu, vorne bremste man, und von hinten wurde geschoben. (...) Der Kommandant fuchtelte mit der Pistole herum und gab plötzlich Feuerbefehl. Eine Salve Schüsse und viel Geschrei, ich versuchte in den Hauseingang der Fleischerei zu flüchten. Vor mir stürzte ein Mann zu Boden und ich merkte einen Schlag gegen meinen rechten Oberschenkel. Im Hauseingang sah ich, dass ich zwei Löcher im Bein hatte. (...) Der Mann vor mir schrie vor Schmerzen, konnte aber nicht mehr laufen." (2)

Der Schwerverletzte ist Alfred Walter. Im Krankenhaus begegnen sich die beiden Verletzten wieder, Walter Frielitz ist dabei, als Alfred Walter zur Operation vorbereitet wird. "Er hatte schwerste Verletzungen an dem Oberschenkel, alles offen bis zum Knochen, und die Bauchdecke offen. Mich hatte man abgebunden wegen der starken Blutung, und im Krankenhaus wurde ein Pressverband angelegt. Ins gleiche Zimmer kam dann Herr Walter, er hatte so schwere Verletzungen, dass er nach einer Stunde neben mir verstarb." (3)

Im Situationsbericht des Volkspolizeireviers Weida vom 23.6.1953 heißt es: "Nach Eintreffen der KVP und Räumung der unmittelbaren Umgebung des Reviers nochmalige laute Bekanntgabe des Befehls Nr. 2 durch Hauptmann Menzel an die in der Burgstraße zusammengeballte Masse der Aufrührer. Da kein Erfolg zu verzeichnen und die erste Postenlinie bereits hingedrückt war, wurden gegen 21.45 Uhr die ersten Warnschüsse abgegeben. Da hier kein Erfolg zu verzeichnen war, wurden Zielschüsse tief abgegeben. Die Schusszahl belief sich auf ca. 270 Schuss aus MPi und Gewehren. Es waren dadurch zwei Verwundete zu verzeichnen. Beide hatten Oberschenkelschuss." (4)

Die Witwe des Getöteten, Magdalena König, erinnert sich: "Es war ein sonniger Tag, doch ein schrecklicher, der mein Leben veränderte. Mein Mann Alfred Walter kam 33-jährig am 17. Juni ums Leben. Ich wurde mit 26 Jahren Witwe und war im sechsten Monat schwanger. Es geschah in Weida, als die Wismutarbeiter streikten gegen die Unterdrückung der SED-Regierung. Arbeiter aus den Betrieben schlossen sich an. Auf dem Marktplatz fand eine Kundgebung statt, mit den Worten: 'Das Volk steht auf, der Sturm bricht los'. Gegen Abend kam es zur Eskalation der Bevölkerung. Mein Mann wollte sich Bier holen und kam nicht mehr zurück. (...) Nach Erkundigung im Krankenhaus erfuhr ich, dass mein Mann schwerverletzt eingeliefert wurde. (...) Gegen 23.30 Uhr holte man mich mit dem Krankenwagen ab zum Krankenhaus. Zu dieser Zeit war mein Mann seinen schweren Verletzungen erlegen." (5) Am 23. Juni findet die Beisetzung in Gera unter den Augen der Polizei und im engsten Kreise statt. (6)

Alfred Walters Frau bekommt heimlich Beileidskarten und kleinere Geldzuwendungen. "War es doch verboten, mich zu unterstützen. Auch ein größerer Geldbetrag, den Fabrikarbeiter gesammelt hatten, wurde beschlagnahmt." (7) Ein Jahr danach geht sie in den Westen. Weil sie nicht gewusst habe, wie es mit ihr und dem Neugeborenen weitergehen solle, habe sie "mit schwerem Herzen mein Umfeld, meine Freunde und die Heimat 1954 verlassen." (8)

Uwe Walter, der Sohn des Verstorbenen, lebt heute als Musiker in Japan. Er gab am 17. Juni 1999 in der Kirche von Weida ein Konzert für seinen Vater, den er nicht mehr kennenlernen konnte. Im Jahr 2000 gedachte die Bürgerschaft von Weida Alfred Walters mit einer Ehrentafel.





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1 Willy Schleicher, Der Streikbericht aus Weida, in: Kurt Häßner (Hg.), Was geschah am 17. Juni 1953 in Weida? Weida 2003, S. 13. Kurt Häßner hat mit dieser Dokumentation eine Grundlage für die Betrachtung der Ereignisse in Weida vorgelegt, auf die sich die folgende Darstellung stützt und für deren Erarbeitung wir Kurt Häßner herzlich danken möchten.
2 Walter Frielitz, Meine Erlebnisse am 17. Juni 1953 in Weida und Gera, in: Häßner, Was geschah am 17. Juni 1953 in Weida?, S. 23 f.
3 Ebd.
4 VThStA Rud., BDVP Gera, 21, Nr. 026, Bl. 43, zit. nach: Andrea Herz (Hg.), Der 17. Juni 1953 in Thüringen. Quellen zur Geschichte Thüringens, Erfurt 2003, S. 174.
5 Magdalena König (verw.Walter), Zum 50. Jahrestag des 17. Juni in Weida, in: Häßner, Was geschah am 17. Juni 1953 in Weida? S. 29 f.
6 Die Grabstelle existiert heute nicht mehr.
7 Magdalena König (verw.Walter), Zum 50. Jahrestag des 17. Juni in Weida, in: Häßner, Was geschah am 17. Juni 1953 in Weida? S. 29 f.
8 Ebd.


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