Das Präsidium des Obersten Sowjets veröffentlichte laut TASS folgenden Erlaß über eine Amnestie und eine Justizreform, 28. März 1953

"Durch die Festigung der sowjetischen Gesellschafts- und Staatsordnung, die Hebung des Wohlstands und des Kulturniveaus der Bevölkerung, das Wachsen des Bewußtseins der Staatsbürger, ihre ehrliche Einstellung zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Pflicht, haben sich die Gesetzlichkeit und die sozialistische Rechtsordnung gefestigt, ist die Kriminalität im Lande bedeutend gesunken. Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ist der Auffassung, daß unter diesen Umständen keine Notwendigkeit besteht, Personen weiter in Haft zu halten, die Delikte, die keine große Gefahr für den Staat darstellen, begangen und durch ihre gewissenhafte Einstellung zur Arbeit bewiesen haben, daß sie zu einem ehrlichen Leben zurückkehren und nützliche Mitglieder der Gesellschaft sein können. Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR beschließt:
  1. Haftentlassung und Erlassung der anderen mit Freiheitsentzug nicht verbundenen Sanktionen für Personen, die bis zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden.
  2. Haftentlassung derjenigen Personen, unabhängig von der Höhe der Strafe, die wegen Amts- und Wirtschafts- sowie wegen Militärdelikte gemäß Paragraph 193-4 Punkt "A", 193-7, 193-8, 193-10, 193-10 Punkt "A", 193-14, 193-15, 193-16 und 193-17 Punkt "A" des Strafgesetzes der RSFSR und den entsprechenden Paragraphen des Strafgesetzes der anderen Unionsrepubliken verurteilt wurden.
  3. Haftentlassung folgender Verurteilter, unabhängig von der Höhe der Strafe: von Frauen mit Kindern im Alter bis zu 10 Jahren, von schwangeren Frauen, von Minderjährigen bis zu 18 Jahren, von Männern über 55 und Frauen über 50 Jahren, ferner von Personen, die an schweren, unheilbaren Krankheiten leiden.
  4. Das Strafausmaß für Personen, die zu mehr als 5 Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurden, auf die Hälfte herabzusetzen.
  5. Einstellung aller Untersuchungsverfahren und aller nicht gerichtlichen Verfahren bei folgenden, vor Veröffentlichung dieses Erlasses begangenen Verbrechen: A. Bei Verbrechen, für die laut Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder andere Sanktionen vorgesehen sind, die nicht mit Haft verbunden sind; B. bei Amts-, Wirtschafts- und Militärdelikten, wie sie in Artikel 2 des vorliegenden Erlasses angeführt sind; C. bei Verbrechen, wie sie in Artikel 3 dieses Erlasses angeführt sind. In anderen Fällen, bei Verbrechen, die vor Veröffentlichung des vorliegenden Erlasses verübt wurden, für die laut Gesetz Freiheitsentzug von mehr als 5 Jahren vorgesehen ist, erläßt das Gericht die Strafe vollkommen, wenn es auf eine Freiheitsstrafe von höchstens 5 Jahren, und setzt die Strafe auf die Hälfte herab, wenn es auf eine Freiheitsstrafe von über 5 Jahren erkennt.
  6. Die Vorstrafe zu tilgen und die Aberkennung des Wahlrechts von Personen aufzuheben, die hiezu verurteilt worden waren und die Strafe abgebüßt haben oder auf Grund des vorliegenden Erlasses vor der Strafverbüßung in Freiheit gesetzt wurden.
  7. Die Amnestie nicht auf Personen zu erstrecken, die wegen konterrevolutionärer Verbrechen, schweren Diebstahls sozialistischen Eigentums, Bandenwesens, vorsätzlicher Tötung zu mehr als 5 Jahren verurteilt wurden.
  8. Die Strafgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken zu überprüfen und dabei in Betracht zu ziehen, die strafrechtliche Verantwortung für manche Amts-, Wirtschafts- und Delikte gegen die Moral sowie andere, weniger gefährliche Vergehen durch Maßnahmen administrativer und disziplinärer Natur zu ersetzen und die strafgesetzliche Verantwortung für einzelne Vergehen zu mildern. Das Ministerium für Justiz der UdSSR zu beauftragen, binnen einem Monat entsprechende Vorschläge auszuarbeiten und sie dem Ministerrat der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vorlage vor dem Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR zu unterbreiten.


Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, K. Woroschilow.
Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, N. Pegow."

[Quelle: Keesing's Archiv der Gegenwart, XXIII. Jahrgang 1953, S. 3930.]