Der neue Kurs und die Aufgaben der Partei

1. Getragen von der hohen Verantwortung für die beschleunigte Herstellung der Einheit Deutschlands, für die Erhaltung des Friedens in Europa und für das Wohlergehen der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik, hat die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in den Beschlüssen des Politbüros vom 9. Juni und des Zentralkomitees vom 21. Juni 1953 eine Änderung des politischen Kurses in der Deutschen Demokratischen Republik vorgeschlagen, die von der Regierung angenommen wurde und zu den Beschlüssen des Ministerrats vom 11. Juni und der folgenden Zeit führte.

Das Wesen des neuen Kurses besteht darin, in der nächsten Zeit eine ernsthafte Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der politischen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik zu erreichen und auf dieser Grundlage die Lebenshaltung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen bedeutend zu heben. Durch die Steigerung der Erzeugung der Nahrungs- und Genußmittelindustrie und der Leichtindustrie auf Kosten der Schwerin-dustrie, durch die Entfaltung der Initiative des privaten Handels und der Privatindustrie sowie durch die Förderung der bäuerlichen Wirtschaften soll eine Verbesserung der materiellen Lage der Bevölkerung erzielt werden. Das gesamte öffentliche Leben soll weiter demokratisiert und gleichzeitig der Verkehr der Deutschen von Ost und West erleichtert werden. Diese Maßnahmen verfolgen zugleich das große nationale Ziel, die Kräfte des Friedens zu stärken und die Wiedervereinigung Deutschlands voranzubringen.

[...]

II. Die faschistische Provokation am 17. Juni

[...]

4. Die Verkündung und Durchführung des neuen Kurses hat die Kriegstreiber und Feinde der deutschen Einheit in Verwirrung gebracht und in Wut versetzt. Sie erkannten die große Gefahr, die der neue Kurs für die Verwirklichung ihrer verbrecherischen Kriegspläne, für die Verwirklichung des Generalkriegsvertrages bedeutet, und beschlossen deshalb, den von langer Hand vorbereiteten Tag X beschleunigt festzusetzen, um die Durchführung des neuen Kurses zu stören. 5. Dabei waren zur Festlegung des faschistischen Putsches auf den 17. und 18. Juni internationale Gründe entscheidend.

Seit längerer Zeit wird die Stärkung des Lagers des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus immer offenkundiger. Sein Einfluß wächst in aller Welt. Die konsequente Friedenspolitik der Regierung der UdSSR gewinnt ständig an Einfluß. Dies kommt besonders in der von der Regierung der UdSSR eingeleiteten Entspannung der internationalen Lage zum Ausdruck, in der wachsenden Bewegung für die Verständigung der Großmächte, in den Fortschritten bei den Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Korea, in dem Anwachsen der Weltfriedensbewegung nach der eindrucksvollen Tagung des Weltfriedensrates in Budapest wie auch in dem zunehmenden Widerstand gegen die amerikanische Bevormundung im kapitalistischen Lager selbst. Die sich entwickelnde internationale Entspannung läßt in Millionen Menschen die Erkenntnis reifen, daß alle internationalen Streitfragen auf friedlichem Wege durch Verhandlungen gelöst werden können. Eine solche Entwicklung widerspricht aber den Interessen und Absichten der amerikanischen Rüstungsmonopole. Darum unternehmen die reaktionären Kreise der USA alle Anstrengungen, die Entspannung zu verhindern, die Lage zu komplizieren und zu verschärfen. Sie veranlaßten deshalb fast am gleichen Tage in verschiedenen Teilen der Welt zwei Angriffe auf den Weltfrieden.

6. Kurz nachdem in Panmunjon das Abkommen über die Repatriierung der Kriegsgefangenen unterzeichnet war, wurden auf Befehl der amerikanischen Marionette Li Syng Man in der Nacht zum 18. Juni in Masan, Pusan und anderen Lagern, die amerikanischem Kommando unterstehen, entgegen den beschlossenen Repatriierungs-bedingungen massenhaft Kämpfer der koreanischen Volksarmee »freigelassen«, die unter den Schutz der Kommission der neutralen Länder gestellt werden sollten. Diese Provokation verfolgte das Ziel, den Abschluß eines Waffenstillstandsabkommens in Korea zu hintertreiben. Fast zu derselben Zeit unternahmen faschistische Provokateure, die von amerikanischen Offizieren mit Waffen, Benzinflaschen und Instruktionen versehen waren, im demokratischen Sektor von Berlin einen faschistischen Putschversuch. Gleichzeitig traten die in einigen anderen Städten der Deutschen Demokratischen Republik seit langem organisierten Agentengruppen in Tätigkeit und organisierten faschistische Unruhen. Sie erhielten durch den amerikanischen Hetzsender RIAS ihre operative Anleitung.

Auch die Entlarvung des imperialistischen Agenten Beria weist auf die internationalen Zusammenhänge der großangelegten Provokation hin. Das Zentralkomitee der SED dankt dem Zentralkomitee der KPdSU für die rechtzeitige Entlarvung des Verräters Beria. Es drückt dem Zentralkomitee der KPdSU sein festes Vertrauen aus und bekundet seine unwandelbare Verbundenheit mit der Partei Lenins und Stalins.

7. An der Vorbereitung des faschistischen Putschversuches am 17. Juni haben die monopolkapitalistischen und junkerlichen Kreise Westdeutschlands als Helfer des amerikanischen Imperialismus bedeutenden Anteil gehabt. Seitdem in der Deutschen Demokratischen Republik die Macht der Werktätigen errichtet wurde, seitdem die kapitalistischen Monopole und Junker enteignet sind und nicht mehr zugelassen werden, führen diese Kreise, die in Westdeutschland die Macht in den Händen haben, einen erbitterten Kampf um die Restaurierung der alten kapitalistischen Ordnung in der Deutschen Demokratischen Republik. Sie scheuen keine Verbrechen, um die Volksmacht und den friedlichen Aufbau in der DDR zu untergraben und den Arbeitern die Betriebe und den Bauern das Land wieder abzunehmen. Ihre politischen Beauftragten, die Adenauer und Kaiser, hatten den faschistischen Tag X offen angekündigt. Der ganz besondere Haß dieser reaktionären Kreise richtet sich gegen die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands als die führende Kraft beim Aufbau der Grundlagen der volksdemokratischen Ordnung.

Die Absichten der westdeutschen Monopolkapitalisten und Junker haben am 17. Juni in den volksfeindlichen Forderungen der faschistischen Provokateure auf Sturz der Regierung der DDR und Wiedererrichtung der Macht der Großkapitalisten und Junker ihre Widerspiegelung gefunden.

8. Der faschistische Putschversuch am 17. Juni ist gescheitert. Die Mehrheit der Bevölkerung der DDR, besonders der Arbeiterklasse, hat die Provokateure nicht unterstützt, sondern energisch zurückgewiesen. Der von den Putschisten geplante und proklamierte Generalstreik war nicht zustande gekommen, weil die überwältigende Mehrheit der Arbeiter nicht mitmachte. Nur etwa fünf Prozent der Arbeiterschaft der Republik hat an Streiks teilgenommen. Zahlreiche hervorragende Betriebe der Republik - wie die Max-Hütte Unterwellenborn, die Großkokerei Lauchhammer, das Edelstahlwerk Döhlen, das Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck«, das Kombinat »Otto Grotewohl« in Böhlen, Secura in Berlin, Kraftwerk Klingenberg in Berlin, Plamag in Plauen und viele andere - erteilten den Provokateuren durch disziplinierte Arbeit und Produktionssteigerung eine Abfuhr. Auch die große Mehrheit der werktätigen Intelligenz hat fest hinter der Regierung der DDR gestanden. Auch bei den Massen der Bauernschaft stießen die Provokateure auf Ablehnung. In den meisten Städten und Betrieben sind die Parteiorganisationen der SED an der Spitze der Arbeiter den Provokateuren energisch entgegengetreten und haben dadurch den Putsch vereitelt. Diese Zurückweisung der Provokateure durch die Mehrheit der Bevölkerung ist der Hauptgrund für die Niederlage der faschistischen Putschisten am 17. Juni. Die Staatsorgane der Republik und besonders die sowjetischen Besatzungstruppen haben entscheidend zur Vereitelung der faschistischen Kriegsprovokation beigetragen.

Der mißglückte Putschversuch am 17. Juni hat den Beweis erbracht, daß die demokra-tische Ordnung in der Deutschen Demokratischen Republik fest und unerschütterlich ist, weil sie sich auf die Mehrheit der Werktätigen stützt.

9. Die Partei muß aber aus den Ereignissen am 17. Juni ernsthafte Lehren ziehen und die an diesem Tage in Erscheinung getretenen Mängel in der Arbeit der Partei rasch überwinden.

Der 17. Juni hat bewiesen, daß in der DDR eine von den Amerikanern organisierte und unterstützte faschistische Untergrundbewegung vorhanden ist. An diesem Tage traten in einigen Städten (Magdeburg, Halle, Görlitz u. a.) ganze Gruppen maskierter Volksfeinde aus der Anonymität hervor und provozierten Unruhen. Es wurden illegale faschistische Organisationen mit eigenen Zentren, eigener Disziplin und ständigen Verbindungen mit den Agentenorganisationen in Westberlin aufgedeckt.

In ihnen spielten ehemals aktive Nazisten eine führende Rolle. So gab es zum Beispiel im Buna-Werk in der Werkstätte G 32 eine faschistische Zentrale, die nach den Direktiven des RIAS Unruhen im Werke organisierte. Im Leuna-Werk stand ein früherer SS-Mann an der Spitze des Provokationszentrums. In diesen großen chemischen Werken traten bei der Anleitung der Provokationen die in den Werken noch vorhandenen Agenten des IG-Farben-Konzerns besonders hervor.

10. Außerdem bestanden in einigen Städten (Magdeburg, Leipzig u. a.) illegale Organisationen aus ehemaligen SPD-Mitgliedern, die noch immer den arbeiterfeindlichen Auffassungen des Sozialdemokratismus anhingen und darum leicht Opfer der Agenten des Ostbüros wurden, welche unter den Arbeitern faschistische Losungen verbreiteten und Streiks organisierten. Die ehrlichen Arbeiter, die früher Mitglieder der SPD waren und den Agenten Gehör schenkten, begriffen nicht, daß sie damit gegen ihre eigenen Klasseninteressen und gegen die alten Ideale der deutschen Arbeiterbewegung auftraten. Es ist die Aufgabe unserer Parteiorganisationen, diesen schwankenden und irregeleiteten früheren Sozialdemokraten zu helfen, den Klassencharakter des Putschversuches zu erkennen, den Sozialdemokratismus zu überwinden und den Weg in die Reihen des klassenbewußten Proletariats zurückzufinden. Dies ist mit dem systematischen Kampf gegen die noch vorhandenen Agenturen des Ostbüros zu verbinden, um ihrem schädlichen Treiben ein Ende zu machen.

11. In einigen Städten waren auch verschiedene andere feindliche Gruppen konzentriert, wie brandleristische Spionagegruppen, Trotzkisten, SAP-Gruppen und andere. Auch aus unserer Partei entfernte feindliche Elemente beteiligten sich aktiv an den Provokationen.

Die Betriebsorganisationen der Partei hatten verabsäumt, alle diese Feinde zu isolieren und aus den Großbetrieben zu entfernen. Daraus entsteht für die Partei die ernste Aufgabe, besonders in den Großbetrieben mit Hilfe der Arbeiter die feindlichen Elemente zu entlarven und für ihre Entlassung aus den Betrieben zu sorgen.

12. Die Provokateure konnten in einigen Gegenden (den Bezirken Berlin, Dresden, Halle u.a.) bestimmte Teile der Arbeiterschaft irreführen und zur Teilnahme an den Streiks veranlassen. Die Hauptgründe für die Beteiligung bestimmter Teile der Arbeiterschaft an den Streiks und antidemokratischen Demonstrationen waren folgende:

a) In der Arbeiterklasse der DDR sind in den letzten acht Jahren große Veränderungen vor sich gegangen. Ein großer Teil der fortschrittlichsten Arbeiter wurde aus den Betrieben genommen und zum Aufbau der Staats- und Wirtschaftsorgane entsandt, wodurch die Betriebsparteiorganisationen der SED, besonders in den Großbetrieben, geschwächt wurden. Andererseits gingen viele nichtproletarische Elemente aus dem Kleinbürgertum und dem Bürgertum, darunter nicht wenige faschistische Elemente, ehemalige Staatsbeamte und Unternehmer, die nach 1945 ihre privilegierte Stellung verloren haben und von der Wiederherstellung der alten Privilegien träumen, als »Arbeiter« in die Betriebe. Diese Menschen trugen kleinbürgerliche und bürgerliche Anschauungen und Stimmungen in die Arbeiterklasse, ein nichtproletarisches Verhältnis zur Arbeit und zur Arbeitsdisziplin, das Streben, vom Staat soviel wie möglich zu nehmen, ohne gleichzeitig die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, sowie eine negative Einstellung zu den volkseigenen Betrieben überhaupt. Ein gewisser Teil dieser als Arbeiter Beschäftigter hat eine feindliche Einstellung zur Arbeiterklasse und zur demokratischen Ordnung in der DDR und träumt von der Macht der Großkapitalisten und Gutsbesitzer in der DDR. Solche feindlichen Elemente haben sich unter Ausnutzung der mangelhaften Wachsamkeit der örtlichen Organisationen in einigen Großbetrieben und Bau-Unionen konzentriert

b) Die politisch-ideologische Arbeit zur Entwicklung des proletarischen Klassenbewußt-seins der Arbeiter war nicht ausreichend. Sie trug insbesondere nicht der Tatsache Rechnung, daß breite Teile auch der Arbeiterschaft nach zwölfjähriger faschistischer Diktatur stark von der Naziideologie vergiftet waren. Der Charakter der Staatsmacht in der DDR und der volkseigenen Betriebe wurde den Arbeitern nicht in überzeugender Weise dargelegt. Die Partei hat nur ungenügend den Kampf gegen die bürgerliche Ideologie und ihren Einfluß auf die Arbeiterklasse geführt und in den Arbeitern nur unzureichend das Gefühl der Verantwortung der Arbeiterklasse für den Aufbau und die Festigung des Arbeiter- und Bauernstaates in der DDR geweckt.

Die Agitationsarbeit entsprach oftmals nicht den Anforderungen eines bedeutenden Teiles der Arbeiterschaft, sie war nicht konkret genug und entlarvte nicht in genügendem Maße und nicht rechtzeitig die vom Westen kommende feindliche Propaganda. Die Arbeiter, die sich an Streiks beteiligten und faktisch die Provokateure unterstützten, haben gegen ihre eigenen Klasseninteressen gehandelt, da die faschistischen Provokationen den Sturz der Macht der Arbeiter in der DDR, die Wiederherstellung der früheren kapitalistischen Ausbeutung zum Ziel hatten und deshalb eine tödliche Bedrohung für die gesamte Arbeiterklasse bedeuteten,

c) Die in der letzten Zeit in großem Ausmaß durchgeführten, nicht genügend durchdachten und überstürzten administrativen Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsnormen sowie die Entstellungen in der Politik des Sparsamkeitsregimes haben für einige Kategorien der Arbeiter eine teilweise Verschlechterung ihrer Lebenslage gebracht, was unter ihnen Unzufriedenheit hervorrief.

So hat das Ministerium für Allgemeinen Maschinenbau durch seine eigenmächtige Festsetzung unbegründet hoher Normen eine berechtigte Empörung unter den Arbeitern hervorgerufen. In dem VEB Schleifscheibenfabrik Reick, Dresden, wurde im Mai 1953 ohne Prüfung der Verhältnisse im Betrieb die Arbeitsnormkennziffer um 33 Prozent erhöht. Im Betrieb Kjellberg, Finsterwalde, wurde auf rein administrativem Wege eine Normenzeitsenkung um 25 Prozent verfügt, wodurch die Normen in diesem Betrieb um durchschnittlich 33 Prozent erhöht wurden. Die bürokratischen Entstellungen in der Arbeit einer Reihe anderer Ministerien und Staatssekretariate haben ebenfalls unter der Arbeiterschaft und anderen Bevölkerungsschichten zu Unzufriedenheit Anlaß gegeben.

d) In einige Organe der Verwaltung und in einige Gewerkschaftsleitungen waren feindliche Agenten eingedrungen, die durch arbeiterfeindliche Maßnahmen (Lohnabbau, Verweigerung der Ausgabe von Arbeitsschutzkleidung, Verletzung der Bestimmungen des Arbeitsschutzes, Ignorierung der sozialen Nöte der Arbeiter u. a.) die Unzufriedenheit künstlich schürten. 13. Die Ereignisse des 17. Juni führten zu einer Belebung der feindlichen, antidemokratischen Elemente in der Politik, der Ideologie und der Wirtschaft, die in verschiedenen Formen Forderungen erhoben, die auf die Schwächung und letzten Endes auf die Beseitigung der demokratischen Ordnung in der DDR gerichtet sind. Die Aufgabe der Partei besteht darin, der Aktivierung dieser feindlichen Kräfte entschlossen entgegenzutreten und vor der Bevölkerung ihr volksfeindliches Wesen zu entlarven.

14. Nach der Niederschlagung der Provokationen unternahm der Feind den Versuch, seine ans Licht getretenen Agenturen vor dem Zugriff der demokratischen Staatsorgane zu schützen. Der staatsfeindlicher Tätigkeit überführte frühere Justizminister Fechner hat seine Position ausgenutzt, um die faschistischen Provokateure vor der verdienten Strafe zu schützen. Auf Anweisung Fechners wurde eine Reihe aktiver Organisatoren feindlicher Aktionen freige-lassen. Die Justizorgane erhielten von ihm die Orientierung auf ausnahmslose Freisprechung von amerikanischen Agenten und Rädelsführern der Provokationen.

Dies war eine direkte und bewußte Hilfe für den Feind - die amerikanischen und west-deutschen Sabotageorganisationen und Faschisten. Zur gleichen Zeit trug Fechner als Minister der Justiz die Verantwortung für zahlreiche Ungesetzlichkeiten und ungerechtfertigt hohe Strafen gegenüber den Werktätigen der Republik.

Das Zentralkomitee beschließt, Fechner als Feind der Partei und des Staates aus dem ZK der SED und aus den Reihen der SED auszuschließen. 15. Der Versuch der Feinde des deutschen Volkes, die Partei und die Regierung durch die faschistische Provokation von der Durchführung des neuen Kurses abzubringen, ist gescheitert.

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands und ihre Vertreter in der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik werden nun mit um so größerer Energie an die Verwirklichung des neuen Kurses gehen, der mit dem Beschluß des Politbüros vom 9. Juni eingeleitet wurde. Die Beseitigung aller aufgetretenen Mängel ist eine dringende Aufgabe des Zentralkomitees und aller Parteiorganisationen [...]

IV. Die Politik der Partei, Ihre Erfolge und Fehler

27. Die Partei hat die in der Vergangenheit begangenen Fehler erkannt, anerkannt und offen ausgesprochen, um allen das Wesen des neuen Kurses verständlich zu machen und seine Durchführung zu erleichtern. Dabei war sich die Parteiführung bewußt, daß durch das offenmütige Bekennen der Fehler Schwierigkeiten entstehen konnten. Dennoch entschloß sie sich für diesen Weg und veröffentlichte das Kommuniqué vom 9. Juni, um den neuen Kurs weithin sichtbar zu machen.

Die freimütige Anerkennung der begangenen Fehler vor den breitesten Massen wurde von den Feinden ausgenutzt, um die Partei zu diskreditieren und lügnerisch zu behaupten, die ganze Politik der Partei sei falsch gewesen. Auch diese Behauptung diente dem Zwecke, die Partei von dem neuen Kurs abzubringen. Die Partei ließ und läßt sich jedoch durch keinerlei Verleumdung beirren und von dem Weg abdrängen, den sie als geschichtlich richtig und notwendig erkannt hat.

28. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hat in ihrer kurzen Geschichte große historische Erfolge errungen. Gestützt auf die nach jahrzehntelangem Ringen erkämpfte Einheit der Arbeiterklasse hat unsere Partei in führender Position einen neuen demokratischen Staat errichtet, in dem die Arbeiterklasse den entscheidenden Einfluß besitzt. Sie hat den Aufbau einer neuen Wirtschaftsordnung eingeleitet, in der für kapitalistische Ausbeutung kein Platz mehr ist. Sie war führend an der Entmachtung und Enteignung der Junker beteiligt, hat damit ein neues demokratisches Leben im Dorf geschaffen und zum ersten Male in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung eine feste Grundlage für das Bündnis der Arbeiterklasse mit den werktätigen Bauern gelegt. Unsere Partei hatte die Initiative bei der Einleitung einer neuen kulturellen Entwicklung, die zu einer neuen Blüte der deutschen Wissenschaft und Kunst führen wird. Das Verdienst um diese wahrhaft großen Errungenschaften, die für immer in die Geschichte des deutschen Volkes eingezeichnet sind, kann niemand und nichts der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nehmen.

Unsere Partei hat sich in Deutschland an die Spitze des Kampfes um die Erhaltung des Friedens gestellt, sie hat die Initiative zur Bildung der großen patriotischen Bewegung für die Einheit Deutschlands ergriffen. Auf Vorschlag und unter führender Anteilnahme unserer Partei wurde die Nationale Front des demokratischen Deutschland gebildet. Unsere Partei hat wiederholt konkrete Vorschläge zur Lösung der großen nationalen Frage des deutschen Volkes unterbreitet und in der Deutschen Demokratischen Republik die Basis für den nationalen Kampf der Deutschen gestärkt. Sie hat die patriotische Erziehung des deutschen Volkes eingeleitet und das Banner des nationalen Kampfes breit entfaltet. Diese Politik unserer Partei war völlig richtig. Sie hat bewiesen, daß die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands die wahre nationale Partei des deutschen Volkes ist. Es war richtig, daß unsere Partei sich auf die Arbeiterklasse und die werktätigen Bauern orientierte, daß sie kein Monopolkapital, keine Junker, keine faschistischen Organisationen und keine Kriegshetze zugelassen hat.

Es war richtig, daß unsere Partei die Politik der Wiederherstellung der Industrie und der Entwicklung der Produktivkräfte aus eigener Kraft durchführte. Dank dieser Politik wurden bereits im Jahre 1952 157 Prozent des Vorkriegsstandes der industriellen Produktion erreicht. Damit wurde auch in der DDR der Beweis erbracht, daß die Arbeiterklasse die Wirtschaft besser aufbauen kann als die Kapitalisten. Richtig war die Politik unserer Partei zur Wiederherstellung und Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion. Dank dieser Politik wurden bereits im Jahre 1952 die Ernteerträge der Vorkriegszeit überschritten und Westdeutschland in der Produktivität von Ackerbau und Viehzucht überholt. Damit wurde auch in der DDR der Beweis erbracht, daß die Arbeiterklasse die Landwirtschaft zu einer Entwicklung führen kann, die im Kapitalismus unerreichbar ist. Es war auch richtig, daß unsere Partei Deutschland auf den Weg des Sozialismus führte und in der Deutschen Demokratischen Republik mit der Errichtung der Grundlagen des Sozialismus begann. Diese Generallinie der Partei war und bleibt richtig.

29. Trotz dieser richtigen Generallinie hat die Partei in der letzten Zeit eine Reihe Fehler begangen. Diese Fehler waren folgende:

a) Die Partei, die den richtigen Kurs auf den Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in der DDR genommen hatte, beschritt den falschen Weg der beschleunigten Lösung dieser Aufgabe ohne entsprechende Berücksichtigung der realen inneren und äußeren Voraussetzungen. Das führte zu einem überspitzten Entwicklungstempo der Wirtschaft, besonders in der Schwerindustrie, zu falschen Versuchen der Verdrängung und Liquidierung des städtischen Mittel- und Kleinbürgertums sowie der Großbauernschaft auf dem Lande, was nachteilige Folgen für die Versorgung der Bevölkerung hatte und in gewissem Maße zur Störung der richtigen Beziehungen zwischen der Partei und den werktätigen Massen und zur Anwendung von Methoden des Administrierens an Stelle einer breiten und geduldigen Aufklärungsarbeit unter den Massen führte.

b) Es war richtig, daß die Parteiorganisationen die in der DDR auf Initiative der werktätigen Bauern entstandene Bewegung zur Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften unterstützten. Die Parteiorganisationen haben jedoch in einigen Kreisen die Verletzung des Prinzips der strengsten Freiwilligkeit bei der Bildung solcher Produktionsgenossenschaften geduldet, haben versucht, ihr zahlenmäßiges Wachstum zu forcieren, ohne der organisatorisch-wirtschaftlichen Festigung der bestehenden Genossenschaften die nötige Aufmerksamkeit zu widmen, was die Hauptaufgabe der Partei auf dem Gebiet des genossenschaftlichen Aufbaus im Dorfe ist. Zugleich haben viele örtliche Parteiorganisationen die Arbeit unter den Einzelbauern, die die Hauptmasse der landwirtschaftlichen Produzenten sind, vernachlässigt.

Falsch waren die von der Regierung gefaßten Beschlüsse, für die großen Bauernwirtschaften ein solches Abgabesoll festzusetzen, das ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten oft überstieg.

c) Der Aufbau des neuen Lebens in der DDR erfolgt unter der Bedingung der Spaltung des Landes. Daraus ergeben sich spezifische Besonderheiten und Schwierigkeiten bei diesem Aufbau; die in Westdeutschland an der Macht befindlichen Monopolkapitalisten führen gegen die DDR eine illegale Unterwühlungsarbeit durch, wobei sie die Unterstützung der amerikanischen Imperialisten genießen und umfangreiche Möglichkeiten zur Organisierung der Unterwühlungsarbeit im Herzen der DDR selbst - in Westberlin - haben.

Infolge der Spaltung wurden alte ökonomische Verbindungen innerhalb des Landes zerrissen, was sich auch auf die wirtschaftliche Lage in der DDR ungünstig auswirkte. Diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten können jedoch mit Hilfe der Sowjetunion und des demokratischen Weltmarktes überwunden werden. 30. Die Tatsache der Spaltung Deutschlands, die für das deutsche Volk ein großes Unglück darstellt und eine Gefährdung des Friedens in Europa bedeutet, macht den Kampf um die Wiedervereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage zur Hauptaufgabe der Partei. Darum ist es notwendig, die ganze Arbeit in der DDR so durchzuführen, daß sie der Einheit Deutschlands dient und auch von den Werktätigen in Westdeutschland verstanden wird. Dabei ist zu beachten, daß große Teile der Bevölkerung Westdeutschlands infolge der ständigen Beeinflussung durch die bürgerliche Presse und den Rundfunk unter starkem reaktionärem Einfluß stehen und an einer aktiven demokratischen Bewußtseinsbildung gehindert werden.

Die Politik der Partei in der DDR muß deshalb einfach und klar, offen und zielstrebig sein, damit sie von den einfachen Menschen verstanden wird. Eine solche Politik ist der neue Kurs der Partei.

V. Die Partei

[...]

a) Viele Parteiorganisationen haben in den Tagen der faschistischen Provokationen nicht die notwendige Aktivität und Standhaftigkeit gezeigt, sie vermochten es infolge der schwachen politischen Bildung ihrer Mitglieder nicht, rasch das Wesen der faschistischen Provokationen zu begreifen und die Werktätigen zur entschlossenen Abwehr der Provokateure zu mobilisieren. In einer Reihe von Fällen haben sich Parteimitglieder selbst im Schlepptau der Provokateure befunden und an den von den Provokateuren organisierten Kundgebungen und Demonstrationen teilgenommen. Andere Parteimitglieder wiederum sind in Panik verfallen, auf die Positionen des Kapitulantentums und des Opportunismus gegenüber den Parteifeinden und faschistischen Provokateuren abgeglitten (Kreissekretär Weichhold in Görlitz, Mitglied des Sekretariats des ZK der SED Hengst, Minister Weinberger).

b) Die Arbeit der Parteipresse und des Rundfunks war unbefriedigend. In den Zeitungen und Sendungen kamen die Massen selbst wenig zu Worte, die Mängel wurden häufig vertuscht, die Zuschriften und Wünsche der Werktätigen mißachtet und schöngefärbte Berichte gegeben. Die mangelhafte Verbundenheit mit den Massen äußerte sich in einer schwerverständlichen, ledernen Sprache und in ungenügender Überzeugungskraft. Nach dem 17. Juni verloren einige Redakteure den Kopf, wichen - statt die Feinde zu entlarven - vor dem Druck des Gegners zurück und machten sich zum Teil sogar zu seinem Sprachrohr. Das Zentralkomitee verurteilt besonders die unrichtige, kapitulantenhafte Linie, die in einer Reihe Aufsätze des Organs des ZK »Neues Deutschland« vertreten wurde, dessen Chefredakteur Genosse Herrnstadt in der Zeitung eine kapitulantenhafte, im Wesen sozialdemokratische Auffassung zum Ausdruck brachte.

[...]

d) Die organisatorischen Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus wurden vielfach verletzt, die innerparteiliche Demokratie schwach entwickelt und Kritik und Selbstkritik ungenügend entfaltet. Besonders wurde die Kritik von unten - häufig aus Angst vor Vergeltung - nur spärlich angewandt. An die Stelle der Überzeugungsarbeit trat oft nacktes Kommandieren. Statt objektiver Berichte über die wirkliche Lage wurden schöngefärbte Berichte an die oberen Parteileitungen gegeben, um einen >guten Eindruck< zu machen. Die Arbeitsmethode der Parteileitungen, angefangen beim Zentralkomitee, war nicht lebendig genug, sondern häufig papiermäßig-bürokratisch, ohne daß diese Methode genügend energisch bekämpft wurde.

e) In den meisten Parteileitungen, angefangen von den Organen des Zentralkomitees, wurde das leninistische Prinzip der kollektiven Leitung in starkem Maße mißachtet und durch Einzelentscheidungen ersetzt.

f) Im Politbüro des ZK machte sich bei einigen Genossen ein Zurückweichen vor der feindlichen Propaganda bemerkbar, die das Hauptfeuer gegen den Kern der Parteiführung richtete. Diese Genossen traten als parteifeindliche Fraktion mit einer defätistischen, gegen die Einheit der Partei gerichteten Linie auf und vertraten eine die Partei verleumdende, auf die Spaltung der Parteiführung gerichtete Plattform (Genosse Zaisser und Herrnstadt). Das Zentralkomitee beschließt den Ausschluß der Genossen Zaisser und Herrnstadt aus dem Zentralkomitee der SED.

Im Politbüro vertrat Genosse Ackermann gegenüber diesen Genossen eine versöhnlerische Position.

[Quelle: Dokumente der SED, Band IV, Berlin 1954, S. 451 ff.]