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Rede von Karl Maron, Chef der DVP, auf der I. Zentralen Konferenz der Deutschen Volkspolizei zur Auswertung des 17. Juni, Berlin, 17. Juli 1953
[Auszüge]
Genossen Offiziere, Genossen Wachtmeister!
Unsere heutige Zusammenkunft trägt einen besonderen Charakter. Sie ist eine Tagung, wie sie sowohl der Form, d.h. ihrer Zusammensetzung, wie auch dem Inhalt nach in der Volkspolizei bisher noch nicht durchgeführt worden ist.
Es haben sich heute hier die verantwortlichen Offiziere der Volkspolizei aus der Hauptverwaltung, den Bezirksbehörden und allen Kreisämtern, ferner leitende Funktionäre der Polit-Organe, der Partei- und der FDJ-Organisationen in der Volkspolizei zusammengefunden, gemeinsam mit Offizieren und Wachtmeister, die sich in den Tagen eines gefährlichen faschistischen Putsch-Versuches durch besonderen Mut, Einsatzbereitschaft und unbedingte Treue zur Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ausgezeichnet haben. Sie sind zusammengekommen, um ihre Erfahrungen auszutauschen und zu beraten, welche Schlußfolgerungen sich für die Deutsche Volkspolizei aus den Juniexzessen ergeben.
Indem ich der Erwartung Ausdruck gebe, daß von dieser Tagung ein bedeutsamer Anstoß zur erheblichen Verbesserung unserer Arbeit auf allen Gebieten des polizeilichen Dienstes ausgehen wird, begrüße ich in erster Linie die hier anwesenden 76 Wachtmeister und Offiziere, denen in Würdigung ihres beispielhaften Verhaltens und ihrer persönlichen Tapferkeit bei der Verteidigung der demokratischen Ordnung gegen die faschistischen Banden und Provokateure unsere höchste Auszeichnung, das Ehrenzeichen der Deutschen Volkspolizei, verliehen wurde.
Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen, wenn wir sehen, daß unter den Volkspolizisten, die sich unserer höchsten Auszeichnung würdig erwiesen haben, fast alle Dienstgrade der Volkspolizei vertreten sind. Gestatten Sie mir, Ihnen darüber eine kurze Übersicht zu geben. Das Ehrenzeichen erhielten:1 VP-Anwärter, 1 VP-Unterwachtmeister, 6 VP-Wachtmeister, 6 VP-Oberwachtmeister, 13 VP-Hauptwachtmeister, 13 VP-Meister, 10 VP-Kommissare, 10 VP-Oberkommissare, 10 VP-Räte, 7 VP-Kommandeure, 3 VP-Inspekteure. Diese Kameraden sind der lebendige Ausdruck und der beste Beweis dafür, daß sich das werktätige Volk und seine Regierung auch in schwierigen und komplizierten Situationen auf die Volkspolizei verlassen kann, und daß es keine Lage gibt, die nicht durch Mut, Energie und Entschlossenheit zu meistern wäre.
Auf dem Ehrenzeichen der Deutschen Volkspolizei sind die Worte "Für Dienst am Volke" eingezeichnet. Ich denke, daß ich im Namen aller Wachtmeister und Offiziere sprechen kann, wenn ich den neuen Trägern des Ehrenzeichens für ihren hervorragenden Dienst am Volke in den Tagen der faschistischen Provokation den Dank der Regierung und der Polizeiführung ausspreche, und wenn ich in diesen Dank auch alle anderen Wachtmeister und Offiziere einbeziehe, die durch ihre Einsatzbereitschaft und Standhaftigkeit geholfen haben, den faschistischen Putschversuch niederzuschlagen.
Es ist die überwältigende Mehrheit der Angehörigen der DVP, die diesen Dank verdient. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat uns das durch ihren Beschluß vom 25.6. bestätigt, in welchem sie feststellt: "Die Angehörigen der Deutschen Volkspolizei und des MfS haben im Einsatz gegen die faschistischen Provokateure treu und ohne Rücksicht auf persönliche Opfer ihre Pflicht gegenüber unserer Bevölkerung und der Regierung mit Mut, Entschlossenheit und ohne Schwankungen erfüllt... ." Auf diese Anerkennung der Regierung können und sollen wir stolz sein.
[...]
Genossen Wachtmeister und Offiziere!
Ich denke, daß bei niemanden mehr ein Zweifel darüber besteht, daß die Ereignisse der Junitage keineswegs ein zufälliges Zusammentreffen von unglücklichen Umständen, Mißverständnissen und Irrtümern sind. Es war vielmehr ein seit langem vorbereiteter und organisierter Angriff auf die Deutsche Demokratische Republik mit dem Ziel, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und die DDR unter die Herrschaft der amerikanischen Imperialisten zu bringen oder in Deutschland einen neuen 38. Breitengrad zu schaffen.
Es ist auch nicht schwer zu erkennen, warum dieser Angriff gerade jetzt erfolgte. Die Proklamation des neuen Kurses der Partei und Regierung vom 9. und 11. Juni waren der unmittelbare Anlaß zu seiner Auslösung. Sie wußten, daß damit ihr "Tag X", von dem sie seit Jahren träumten, in nebelhafte Ferne rücken und immer mehr illusorisch werden würde. Es blieb ihnen nur die Wahl, entweder auf ihren "Tag X", für den sie bereits unzählige Millionen Dollar und West-Mark ausgegeben hatten, zu verzichten, oder aber unter Ausnutzung einer gewissen Beunruhigung von Teilen des werktätigen Volkes, die von den faschistischen Agenten mit allen Mitteln geschürt wurde, sofort loszuschlagen, um die Deutsche Demokratische Republik in einem breiten Frontalangriff zu überrennen.
Wir wissen heute, daß sich die Kriegstreiber in ihrem verbrecherischen Streben zu der zweiten Möglichkeit entschlossen. Wir wissen aber auch, wie dieser Versuch endete. Mit harten und schnellen Schlägen wurde der Brandherd ausgetreten. Kein Jammern und Wehklagen, keine Verleumdungen und keine Hetze der westlichen Lügenfabriken kann die geschichtliche Tatsache einer schweren Niederlage der amerikanischen Imperialisten und ihrer deutschen Handlanger aus der Welt schaffen.
Welche Faktoren haben mitgewirkt, um dieses Ergebnis des "Tages X" zu erzielen? Wie hat die Volkspolizei dabei ihre verantwortungsvolle und nicht leichte Aufgabe gelöst? Welche Schwächen und Mängel wurden in den Junitagen in der Volkspolizei sichtbar und was ist zu ihrer schnellen Überwindung zu tun? Das sind die Fragen, mit denen wir uns heute beschäftigen wollen. Ihre Beantwortung ist für die ganze weitere Entwicklung der Volkpolizei von größter Bedeutung.
Ich denke, daß es nicht notwendig ist, die unbestreitbare Tatsache, daß sich die faschistischen Provokateure in der Haltung der Mehrheit des werktätigen Volkes aufs schwerste geirrt haben, im einzelnen zu beweisen. Sie alle haben selbst erlebt, daß es den Agenten der Adenauer, Kaiser, Reuter und Schwennicke zwar gelingen konnte, gewisse Teile des werktätigen Volkes zeitweilig gegen seine eigenen Interessen zu mißbrauchen, daß aber die überwiegende Mehrheit der Arbeiter es ablehnten, einen Kampf dafür zu führen, daß die enteigneten Monopolherren und Großgrundbesitzer ihre Machtpositionen wieder einnehmen können. Denn das wäre letzten Endes bei einem Sieg des faschistischen Putsches herausgekommen - das war sein Ziel.
Es ist den Hintermännern des Putschversuches nicht gelungen, in dem von ihnen gehofften und erwarteten Umfang eine gemeinsame Front der Provokateure und Brandstifter mit den Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik gegen die Regierung der Republik, gegen die Regierung des Volkes, zustande zu bringen.
Dennoch waren die Ereignisse ernst genug. Es hat sich gezeigt, daß das Klassenbewußtsein der Arbeiterschaft bei uns in der Deutschen Demokratischen Republik noch nicht in dem Maße entwickelt ist, wie es notwendig wäre, um hinter dem Nebel der Lügen und Verdrehungen, des Verrates und der Hetze jederzeit klar den Klassenfeind erkennen zu können. Die Arbeiterschaft hat noch nicht gelernt, zwischen Schwächen und Mängeln im Verfolg einer grundsätzlich richtigen Politik, die die Wahrnehmung ihrer grundsätzlichen Interessen zum Inhalt hat, und dem bewußten Verrat im Interesse der Großkapitalisten zu unterscheiden. Es hat keinen Sinn, diese Tatsache irgendwie beschönigen oder verschleiern zu wollen, denn nur eine klare Erkenntnis der Ursachen der Juniereignisse ermöglicht mit der konsequenten Durchführung des neuen Kurses ihre schnelle Überwindung.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen an die Adresse der berufsmäßigen Nörgler in unserer Bevölkerung und (an die(, die es auch bei uns noch in einigen Exemplaren geben dürfte, die unter dem Vorwand notwendiger Kritik dem Gegner in die Hände arbeiten. Sie plappern gedankenlos oder auch bewußt die Parolen des Rias und der faschistischen Agenten nach, wenn sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit nur in Stimmung gegen die Regierung und die Führung unserer Partei machen, die ja zugegeben hätten, daß Fehler gemacht worden sind.
Diesen nur negativen Herrschaften muß endlich sehr energisch auf die Finger geklopft werden. Man darf doch bei aller Notwendigkeit und Anerkennung von Kritik und Selbstkritik den Sinn für die Realitäten nicht verlieren. Und man muß leider feststellen, daß unsere Gegner, die Anstifter des "Tages X", offensichtlich die Ursache, den Inhalt und Zweck des neuen Kurses von Partei und Regierung, woraus er entsprungen ist und wohin er führen wird, viel besser begriffen haben als einige Neunmalkluge, gefährliche Ignoranten und berufsmäßige Nörgler bei uns.
Ist es denn so schwer zu erkennen, daß dieser neue Kurs kein Zeichen von Schwäche, Zerrüttung oder Unfähigkeit, sondern einzig und allein ein Zeichen der ständig zunehmenden Macht und Stärke des großen Lagers des Friedens und Sozialismus ist, das unter Führung der Sowjetunion siegreich vorwärts schreitet!
Um das zu erkennen, darf man natürlich nicht Kirchturmpolitiker sein, der nur sieht, was in seiner unmittelbaren Nachbarschaft vor sich geht und der nur an das heute, nicht aber an das morgen und übermorgen denkt. Man muß sich schon bequemen, einen weiteren Überblick, auch über die Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik hinaus, zu gewinnen. Und man darf dabei auch nicht vergessen, daß die Zeit nicht stille steht, sondern die Geschichte sich oft mit Riesenschritten entwickelt. Was vor einem Jahr oder auch nur vor sechs Monaten noch richtig und notwendig schien, kann heute schon längst überholt sein und sich in ganz anderem Licht zeigen.
Unsere Partei und Regierung haben niemals gesagt, daß der Weg zum Sozialismus leicht und dornenfrei sei. Im Gegenteil, sie haben immer darauf hingewiesen, daß zunächst große Opfer gebracht und riesige Schwierigkeiten überwunden werden müssen. Das war ihre Pflicht. Etwas anderes zu sagen, wäre verantwortungslos gewesen. Man braucht sich nur zu erinnern, wie schwer und opfervoll dieser Weg für die Menschen der Sowjetunion war. Wir sollten überaus glücklich und froh sein, wenn nunmehr festgestellt werden konnte, daß der heroische Kampf und Sieg des Sowjetvolkes es uns erspart, den gleichen dornenvollen Weg gehen zu müssen, der vor kurzem noch unvermeidlich schien. Wir brauchen nun nicht mehr, weil wir nicht mehr allein stehen, wie einst das Sowjetvolk stand, koste es, was es wolle, vor allem eine Schwerindustrie aufzubauen, um lebensfähig bleiben und den Angriffen einer Welt von Feinden widerstehen zu können, sondern können schon daran gehen, die Konsumgüterindustrie zu verstärken und mehr Waren des Massenbedarfs zu produzieren.
Warum können wir das nun mit ruhigem Gewissen tun? Weil wir nicht allein stehen und nur auf uns selbst angewiesen sind, sondern ein Teil des gewaltigen Lagers des Friedens und des Sozialismus sind, dessen ständig zunehmende Macht und Stärke sich insbesondere auch durch die Möglichkeit des neuen Kurses bei uns demonstriert.
Unsere unverbesserlichen Nörgler, deren Hauptbeschäftigung darin zu bestehen scheint, daß sie ständig nach dem berühmten Haar in der Suppe suchen, das sie auch immer finden, werden nun natürlich sagen: Ja, das hätten Parteiführung und Regierung auch schon vor einem oder zwei Jahren wissen müssen. Genauso könnten sie - um solche Unsinnigkeit an einem sinnfälligen Beispiel aufzuzeigen - auch fragen, warum ist es eigentlich den englischen Bergsteigern erst in diesem Jahr gelungen, den höchsten Berg der Erde, den Mount Everest im Hymalaja (sic!( zu besteigen und nicht schon bei einem der vielen vorhergehenden Versuche - und weil ihnen das nicht auf Anhieb gelungen ist und sie einige Male wieder umkehren mußten, bis sie endlich das richtige Wetter und den richtigen Weg fanden, müsse man sie wegen dieser Fehler verdammen und schreien "kreuzigt sie". Das ist vielleicht ein primitiver Vergleich, aber trotzdem dürfte er im Prinzip stimmen. Unser Ziel, das wir erreichen wollen, steht ebenso unverrückbar fest, wie der Gipfel des Mount Everest als Ziel für die betreffende Gruppe von Bergsteigern feststand. Und wir werden dieses Ziel ebenso so sicher erreichen, wie sie es erreichten. Auch wenn der Weg manchmal im Zick-Zack verläuft und sich sogar zeitweilig vom Ziel zu entfernen scheint.
Und bei uns wird nun einfach von einigen Mitbürgern behauptet: Weil die Führung von Partei und Regierung zunächst einen steileren und steinigeren Weg in Angriff nahm und nun ein Stückchen umkehrte, weil inzwischen ein leichterer und bequemerer Weg nach oben entdeckt wurde, soll das ein Kapitalverbrechen und nicht wiedergutzumachender Fehler sein. Das können eben nur berufsmäßige Nörgler bzw. Agenten unserer Feinde behaupten.
Diese Feinde sehen viel weiter als unsere Mitbürger, die sich in eine Progromstimmung (sic!( gegen Partei und Regierung drängen lassen. Unsere Gegner haben sehr genau erkannt, was der neue Kurs in der Deutschen Demokratischen Republik tatsächlich bedeutet und daß sie dadurch in absehbarer Zeit weitere Positionen unvermeidlich und unwiederbringlich verlieren werden. Sie wissen sehr genau einzuschätzen, wieso und warum diese Maßnahmen möglich sind und daß sie einen schweren Schlag gegen sie darstellen, dessen Wirkung heute vielleicht noch nicht so offenkundig ist, sich aber nach einer gewissen Zeit immer deutlicher zeigen wird.
Deshalb startete der Gegner ja auch am 17. Juni unvermittelt sein Abenteuer, um die Wirkung des neuen Kurses abzuschwächen und hinauszuschieben. Deshalb versucht er weiter, mit allen Mitteln zu verleumden und Verwirrung zu stiften und eine Progromstimmung (sic!( gegen Regierung und Partei zu entfachen. Je schneller es uns gelingt, ihm auch diese Suppe zu versalzen, desto schneller wird sich die tiefe Wirkung des neuen Kurses zeigen, desto schneller kommen wir voran auf dem Weg zum Gipfel. Deshalb ist es notwendig, daß wir uns enger um Partei und Regierung zusammenschließen und das Spiel unserer Feinde und ihrer bewußten oder unbewußten Helfershelfer - damit meine ich unsere Nörgler - energisch durchkreuzen.
Aber kehren wir zu den unmittelbaren Schlußfolgerungen des 17. Juni für die Volkspolizei zurück.
Die Tatsache, daß sich ein Teil des werktätigen Volkes am 17. Juni von seinen eigenen erbitterten Feinden ins Schlepptau nehmen ließ, schuf für die Volkspolizei eine schwierige und komplizierte Lage. Die Pflicht des harten und unerbittlichen Zugreifens gegen die bewußten und verbissenen Feinde der demokratischen Ordnung fiel zusammen mit der ebenso ernsten Aufgabe, den irregeleiteten Arbeitern die Erkenntnis ihrer Fehler zu ermöglichen.
Ich habe bereits in einem Artikel in unserer Zeitschrift zum Ausdruck gebracht, daß die Volkspolizei die Bewährungsprobe, vor die sie sich plötzlich und unerwartet gestellt sah, bestanden hat.
Den entscheidenden Anteil an der Niederschlagung des Putschversuches hat selbstverständlich das schnelle, zielbewußte und mit großer Präzision ablaufende Eingreifen der Sowjetarmee. Das deutsche Volk dankt es der Sowjetarmee, wenn die geschleuderte Brandfackel nicht erhebliche Teile seines Hauses erfassen konnte, sondern schnell und energisch ausgetreten wurde. Es hat sich abermals erwiesen, daß das deutsche Volk keinen besseren und selbstloseren Freund besitzt, als den ersten sozialistischen Staat der Welt, die große und mächtige Sowjetunion.
Hier und da orakeln einige Genossen darüber, ob es der Volkspolizei auch ohne das Eingreifen der Sowjetarmee gelungen wäre, die faschistische Provokation niederzuschlagen. Ich denke, daß ein solches Spintisieren in jeder Beziehung überflüssig und schädlich ist, denn es verschleiert uns den Blick dafür, daß das Eingreifen der Sowjetarmee dem ganzen deutschen Volk unabsehbare Opfer erspart hat. Nicht mit irgendwelchem Wenn und Aber sollten wir uns also abgeben, sondern uns uneingeschränkt der vielen und leuchtenden Beispiele der engen Kameradschaft und der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung freuen, die in diesen Tagen die Soldaten der Sowjetarmee und die Kameraden der Volkspolizei aufs engste verbunden haben. Ich denke, daß gerade darin eines der erfreulichsten Ergebnisse der Juni-Ereignisse besteht und daß unser Dank an die Sowjetarmee in der immer engeren, auf Achtung und Liebe begründeten Kameradschaft mit allen Soldaten der Sowjetarmee bestehen muß.
[...]
Ich habe nun absolut nicht die Absicht, Fehler und Mängel, die es zweifellos auch bei der Polizeiführung und der Hauptverwaltung gegeben hat und gibt, zu vertuschen, aber man darf die Tatsachen nicht verdrehen und darf nicht vom Kern der Dinge ablenken. Man darf sich zum Beispiel nicht immer auf die fehlende Anleitung von oben berufen, um die eigenen Schwächen zu verstecken. Nehmen wir zunächst eines der Hauptmomente.
Eines ist dem Gegner zweifellos gelungen, die Überraschung. Niemand von uns hat erwartet, daß ihm so etwas gelingen würde, ohne daß wir vorher etwas erfahren konnten. Ich denke, man sollte nicht darüber erschüttert sein, daß er so viele Arbeiter irreführen und für seine dunklen Zwecke mißbrauchen konnte. Das hätte er niemals zustande gebracht, wenn er nicht über ein dichtes Netz von Agenten und Provokateuren, über einen großen und sorgfältig getarnten Apparat verfügt hätte. Das beweist doch die Tatsache, daß überall die gleichen Losungen auftauchten und die gleichen Methoden des Vorgehens zu verzeichnen waren. Wenn schon erschüttert, dann müßten wir darüber erschüttert sein, daß wir von diesem Apparat, diesem Agenten-Netz nichts wußten, ja nicht einmal ahnten, es nicht rechtzeitig aufgedeckt und zerschlagen haben.
Einige unserer verantwortlichen Offiziere sagen nun, ja die Hauptverwaltung hat uns nicht rechtzeitig über die Absichten des Gegners informiert und deshalb waren wir unsicher und überrascht. Die gleiche Entschuldigung könnte mit mehr Recht die Hauptverwaltung anführen. Woher sollte sie ihre Informationen haben, wenn nicht von unten, von der Basis. Und ihr - der Basis - näher sitzen diejenigen, die jetzt die mangelnde Information als Ursache für ihre Unsicherheit und ihr Schwanken anführen. Nebenbei sei nur festgestellt, daß, als die erste Warnung in den frühen Morgenstunden des 17. Juni telefonisch an alle BDVP erfolgte, d.h. die Auslösung des Alarmzustandes angewiesen wurde, diese Warnung vielfach einfach nicht für ernst genommen wurde. Dort, wo sie ernst genommen wurde, waren auch die Erfolge entsprechend größer. In einem Bezirk wurde sogar der ausgelöste Alarmzustand für die Strafanstalten um 8.00 Uhr wieder zurückgezogen, weil man die Strafanstalten für völlig ungefährdet hielt. Hinterher war man erstaunt, daß sie eines der Hauptziele der Streikenden waren.
Meines Erachtens liegen die Ursachen für diese Erscheinungen in der mangelnden Wachsamkeit, in der Sorglosigkeit, in dem völligen Verkennen der Brutalität und Skrupellosigkeit des Gegners. Ich muß dabei immer wieder an die Worte eines Abschnittsbevollmächtigten aus der DDR denken, der sich nur wenige Stunden nach seinem Eintreffen in Berlin schon in einer Krankenstube befand und, als ich ihn besuchte, völlig unaufgefordert erklärte: "Jetzt habe ich erst begriffen, warum soviel von Wachsamkeit geredet wurde und weshalb Wachsamkeit notwendig ist. Jetzt werde ich die Frage der Wachsamkeit mit ganz anderen Augen ansehen."
Diese Worte sind überaus bezeichnend für unsere Situation. Man kann doch nicht behaupten, daß wir in nicht genügendem Maße immer und immer wieder Wachsamkeit gepredigt haben. Nicht wenige Chefs einer Bezirksbehörde werden wahrscheinlich oft über die vielen unangenehmen Briefe geschimpft haben, die sie wegen der bei Kontrollen in ihrem Bereich festgestellten äußerlichen Verletzungen der Wachsamkeit erhielten und die ihnen Mißbilligung oder Tadel einbrachten. Selbstkritisch müssen wir feststellen, daß die Polizeiführung nicht unangenehm genug aufgetreten und zu viele Verletzungen der Wachsamkeit ungestraft hat durchgehen lassen. Das ist der Fehler, den wir uns vorzuwerfen haben. Denn nur bei seiner Vermeidung hätte es uns gelingen können, die Wachsamkeit so zu verschärfen, daß wir rechtzeitig von der Basis die Signale bekommen hätten, was der Gegner beabsichtigt, um rechtzeitige Vorsorge zu treffen und selbst Signale geben zu können. Auch das wird für die Polizeiführung eine tiefe Lehre sein, sollte es aber auch für die verantwortlichen Offiziere in den BDVP sein.
Ähnlich steht es mit der Entschuldigung verantwortlicher Offiziere, in deren Dienstbereich Polizei-Dienststellen gestürmt wurden, die Hauptverwaltung hätte keine besondere Schießerlaubnis herausgegeben und deshalb hätten sie nicht gewußt, wie weit sie gehen können. Ich muß hierbei einen weiteren Fehler eingestehen, nämlich den: Ich habe es nicht für möglich gehalten, daß verantwortliche Offiziere eine solche Entschuldigung vorzubringen wagen. Sie stellen sich das scheinbar so vor, daß man sagt, bis 10.30 Uhr darf nicht geschossen und ab 10.30 Uhr darf geschossen werden. Als wenn das nicht völlig von den Umständen und von der konkreten Lage abhängt, die niemals zur gleichen Zeit überall gleich sein kann. Ich hatte mir eingebildet, daß nach den seinerzeitigen Vorgängen von Saalfeld, die wir überreichlich durchgesprochen hatten, über solche Fragen völlige Klarheit herrschen würde. Außerdem gibt es Schußwaffenanwendungsbestimmungen, die meines Wissens nicht außer Kraft gesetzt worden sind und die klar und eindeutig besagen, in welchen Fällen die Waffe angewendet werden darf oder muß. Ein Sturm auf eine Volkspolizei-Dienststelle oder Strafanstalt gehört in jedem Falle dazu, um wieviel mehr dann aber ein Kreisamt oder eine Bezirksbehörde. Im übrigen erscheint es erstaunlich, daß einfache Wachtmeister und Unterführer sehr oft ohne besondere Nachfrage und Erlaubniserteilung wußten, was sie zu tun hatten, richtig handelten und dadurch, obwohl in geringer Zahl und mit wenig Waffen die Situation klärten.
Der Gipfel der unverständlichen Unsicherheit wurde in jener Bezirksbehörde erreicht, in der man nicht nur zu Verhandlungen mit den Provokateuren schritt und diese in das Gebäude der BDVP hereinließ, sondern darüber hinaus in den frühen Morgenstunden die VP-Angehörigen selbst entwaffnete, indem man die Schußwaffen der Wachtmeister einzog und in der Waffenkammer sorgfältig verschloß, um alle "Zwischenfälle" zu vermeiden. Was in dem Kopf dieses Bezirkschefs vor sich ging, der außerdem nicht zu den Schlechtinformierten gehörte und von verschiedener Seite rechtzeitig Signale erhalten hatte, ist mir völlig unverständlich. Noch unverständlicher ist mir jedoch, daß er in seinem Abschlußbericht über den Gang der Ereignisse in seinem Bezirk mit keinem Wort auf dieses Verhalten einging und es zu erklären versuchte.
Auch das entgegengesetzte Extrem hatten wir zu verzeichnen, nämlich das in einem Bezirk ein Schießbefehl herausgegeben wurde, der völlig überspitzt war. Man kann nur von einem glücklichen Zufall sprechen, daß er nur als Drohung wirkte und in keinem Fall zur wirklichen Anwendung kam. Die Folgen wären unabsehbar gewesen.
Als abschreckendes Beispiel erscheint es angebracht, Sie mit den hauptsächlichsten Teilen dieses in den Abendstunden des 17. Juni herausgegebenen Befehles bekanntzumachen.
Es heißt darin u.a.:
- Alle Provokateure, Saboteure, die sich im Laufe der Nacht und am morgigen Tage eines Angriffes auf Angehörige der Deutschen Volkspolizei und Staatsfunktionäre, Herunterreißens von Emblemen der Deutschen Demokratischen Republik, z.B. von Bildern von Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, des Gen. Stalin oder sonstige Embleme und Transparente schuldig machen, werden im Beisein der Massen ohne Urteil erschossen.
- Es ist dabei streng darauf zu achten, daß nicht wahllos in die Massen geschossen wird, daß keine unschuldigen Kinder oder Frauen dabei getroffen werden, sondern die Täter sind durch einen kräftigen Stoß aus der Menge herauszuholen und auf der Stelle zu erschießen.
- Die im Laufe des heutigen Tages und des gestrigen Tages festgenommenen Personen, die als Haupträdelsführer erkannt sind, werden heute sofort nach der Bezirkshauptstadt überführt und morgen früh erschossen.
- Wer sich einer Festnahme durch die Volkspolizei tätlich oder in einer anderen Form widersetzt, wird ohne Urteil erschossen."
So etwas hat es in der ganzen Weltgeschichte noch nicht gegeben, daß ein Polizeichef eines begrenzten Bezirkes praktisch das Standrecht im Quadrat für sein Gebiet verkündet. Auch in diesem Fall erhielt die Hauptverwaltung erst nachträglich und eigentlich durch Zufall Kenntnis und wurde nicht vorher befragt oder zumindest sofort in Kenntnis gesetzte.
In beiden angeführten extremen Fällen kann man den betreffenden Bezirkschefs zugute halten, daß diese Anweisungen durch Einflüsse von anderer Seite zustande kamen. Das ist aber keine ausreichende Entschuldigung. Selbstverständlich müssen sie in solchen Situationen weitgehendste Handlungsfreiheit haben, um entsprechend der gegebenen Situation ihre Entscheidungen treffen zu können. Gleichzeitig müssen sie aber auch ein Gefühl dafür haben, wo die Grenzen der Handlungsfreiheit liegen, die in diesen beiden Fällen meines Erachtens weit überschritten wurden. Die Hauptverwaltung kann und darf in solchen Situationen nicht jeden Schritt vorschreiben. Man kann die Bezirkschefs nicht am Gängelband führen. Ebenso darf aber auch nicht eine Anarchie eintreten. Das Verlangen, ständig am Gängelband geführt zu werden, ist genauso falsch, wie die völlige Mißachtung jeder zentralen Führung. Beides aber hatten wir, wie die angeführten Beispiele zeigen, zu verzeichnen.
Nach der Aufzeigung dieser Grundschwächen möchte ich nunmehr einige Bemerkungen zu den weiteren Mängeln machen, die im Verlaufe der Juni-Ereignisse zutage getreten sind und mich dabei in großen Zügen an den Ablauf dieser Ereignisse halten.
Wie Sie wissen, erhielten die Bezirksbehörden in der Nacht vom 16./17. Juni morgens zwischen 3.00 und 5.00 Uhr telefonisch die Anweisung, alle Mitarbeiter unverzüglich in der Bezirksbehörde selbst zu konzentrieren. Es hat sich dabei erwiesen, daß die Alarmpläne, die in allen VP-Dienststellen vorhanden sein müssen, in den meisten Fällen gänzlich unzureichend sind und im allgemeinen nur ein mehr oder weniger vollständiges Adressenverzeichnis der VP-Angehörigen darstellen. Eine solche formale Zusammenstellung von Namen und Anschriften kann aber unmöglich als Alarmplan bezeichnet werden. Wir werden sorgfältig darauf achten müssen, daß in den zukünftigen Alarmplänen nicht nur alle Adressen, sondern auch die nach den gegebenen Bedingungen verschiedenen Anweisungen enthalten sind, die gewährleisten, daß die zu bildenden Einsatzgruppen schnellstens in voller Stärke und mit voller Ausrüstung zur Verfügung stehen; d.h., daß in den Alarmplänen die Fragen der Sammlung und Ausrüstung der Einsatzgruppen, der Transportmittel und der Nachrichtenverbindungen, der Kommandogewalt und der Einsatzleistung ebenso festgelegt sein müssen wie die Maßnahmen zur Sicherung der Dienststellen und zur Besetzung der wichtigsten Punkte und Objekte des Dienstbereiches. Jeder Mitarbeiter muß von vornherein wissen, wo sich sein Platz befindet. Erst dann werden wir von wirklichen Alarmplänen sprechen können, die für die jederzeitige Einsatzbereitschaft der Volkspolizei unerläßlich sind.
Ein solcher Fall, daß sich trotz der Auslösung des Alarms der größte Teil der Mitarbeiter einer Bezirksbehörde erst drei bis vier Stunden später, z.Zt. des regulären Dienstbeginns einfindet, darf sich nicht wiederholen. Noch weniger wiederholen darf sich aber, daß man mit diesen Mitarbeitern zunächst die für diesen Tag angesetzte Politschulung durchzuführen beginnt, diese dann nach einer Stunde unterbricht und die Teilnehmer erst noch einmal nach Hause schickt, damit sie sich dem Alarmzustand entsprechend ausrüsten, Rasierzeug u.ä. unentbehrliche Voraussetzungen für einen Kampf holen und sie dann glücklicherweise um 10.00 oder 11.00 Uhr einigermaßen einsatzfähig wieder zur Verfügung hat. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn inzwischen einige VP-Dienststellen gestürmt werden und sollte sich auch nicht damit auszureden versuchen, daß von oben nicht genügend auf den Ernst der Lage hingewiesen wurde.
Es hat sich weiter herausgestellt, daß in den meisten VP-Dienststellen keine genaue Übersicht über die lebenswichtigen Objekte des Dienstbereiches vorhanden ist und daß man erst im Verlauf der Tage nach dem 17. Juni daran ging, die Lage der Überlandleitung und Umspannwerke, der Telegrafenämter und Sendestationen der Lager der staatlichen Reserven, der Sprengstofflager und sonstiger wichtiger Objekte festzulegen und in einem übersichtlichen Plan kenntlich zu machen.
Ein Dienststellenleiter aber, der von diesen Dingen keine genaue Kenntnis besitzt, tappt im Dunkeln und wird zwangsläufig immer wieder bei größeren Aktionen des Klassengegners überrascht werden. Man fragt sich dabei, womit sich eigentlich unsere Operativstäbe in den Dienststellen beschäftigen, in denen es solche Unterlagen nicht gab. Wie können sie überhaupt eine erfolgversprechende Arbeit garantieren, wenn sie nicht über das primitivste Handwerkzeug verfügen. Es muß mit allem Ernst darauf hingewiesen werden, daß überall dort, wo derartige Überraschungen trotz der ernsten Warnung des 17. Juni auch in Zukunft noch möglich sind, die Schlußfolgerung gezogen werden muß, daß der betreffende Amtsleiter oder Bezirkschef die Erfahrungen der Juni-Ereignisse ignoriert hat. Es muß der Ehrgeiz aller verantwortlichen Offiziere der Volkspolizei sein, die verbrecherischen Absichten der Feinde unter allen Umständen zu durchkreuzen und ihre Verwirklichung mit allen Mitteln zu verhindern.
Ferner wurde im Verlauf der Ereignisse des 17. Juni nur in sehr wenigen Dienststellen der VP sofort eine straff organisierte und einheitliche Leitung gebildet, die alle vorhandenen Kräfte kannte und richtig über sie verfügte; d.h. eine exakte Stabsarbeit für den Einsatz, die Lenkung und Versorgung der Einsatzgruppen organisierte. In einigen Bezirken sind in dieser Beziehung allerdings recht gute Maßnahmen ergriffen worden, die sich ausgezeichnet bewährt haben. So wurde in der BDVP Leipzig bereits um 10.00 Uhr des 17. Juni unter Leitung des Genossen VP-Insp. Winkelmann eine Einsatzleitung gebildet, die bei den folgenden Ereignissen die Leitung der VP-Kräfte fest in der Hand hatte und die Provokateure demzufolge an vielen Stellen mit der erforderlichen Härte zurückweisen konnte. Das ist eine der Hauptursachen dafür, daß in Leipzig für die Provokateure nicht viel zu holen war.
Auch in der BDVP Erfurt wurde am 17. auf Anweisung des 1. Sekretärs der Bezirksleitung der Partei, des Gen. Mückenberger, bei der BDVP unter der Leitung des Gen. Chefinsp. König ein Einsatzstab gebildet, dem außer der territorialen Volkspolizei je ein Vertreter der KVP, der Trapo, des MfS, des Bezirksrates und der Bezirksleitung der Partei angehörten. Ich halte diese Form der Koordinierung aller Sicherheitsorgane unter einer einheitlichen Leitung für sehr gut und denke, daß die Erfahrungen des Einsatzstabes in Erfurt noch sehr gründlichst ausgewertet werden müssen um zu allgemeinen Schlußfolgerungen für alle Bezirke zu gelangen.
[...]
Genossen Offiziere und Wachtmeister!
Ich möchte mich nunmehr noch einigen Fragen zuwenden, die mir für die nächste Zeit ebenfalls als sehr vordringlich erscheinen, um den Aufgaben der Volkspolizei gerecht zu werden. Es dürfte wohl kein Zweifel daran bestehen, daß eine sehr wichtige Aufgabe in der gewissenhaften Durchführung derjenigen Maßnahmen besteht, die sich aus dem neuen Kurs der Partei und der Regierung für die Volkspolizei ergeben. Ich möchte diese Maßnahmen außer den bereits erwähnten organisatorischen Fragen in zwei Hauptgruppen einteilen und zwar
- in solche, die der Stärkung der Rechtssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik dienen, und
- in solche, die zur schärfsten Bekämpfung der Provokateure und aller ihrer Versuche, weitere Unruhen in der Republik hervorzurufen, erforderlich sind.
Es ist dabei selbstverständlich, daß diese Maßnahmen nicht schematisch voneinander getrennt werden können, sondern daß sie sich ergänzen und sich wechselseitig in ihrer Wirksamkeit steigen.
[...]
In gewissem Sinne hat uns der Gegner selbst mit seinem faschistischen Putschversuch sehr geholfen. Er hat uns mit einem Ruck die Binde oder die Scheuklappen, die wir in vieler Beziehung trugen, von den Augen gerissen und uns mit beinahe schmerzhafter Deutlichkeit erkennen lassen, was wir bisher nicht sehen konnten oder wollten.
Er hat uns seine eigene Rücksichts- und Gewissenlosigkeit vor Augen geführt, seine Brutalität und daß er vor keinem Mittel zurückschreckt.
Er hat uns nachgewiesen, wie ungenügend die Wachsamkeit trotz allem Gerede und Geschreibe bei uns noch entwickelt ist, wie sorglos wir waren und was wir auf diesem Gebiet nachzuholen haben.
Er hat uns unsere Kader kennenlernen lassen, viel besser als es ein halbes Dutzend formaler Überprüfungen oder langes Studium der Personalakten hätte tun können; er hat die Verräter, Feiglinge und Kapitulanten, die Lauwarmen und Knieweichen aufgedeckt, die wir aus unseren Reihen als faule Stellen entfernen müssen, und andererseits die standhaften, mutigen, unserer Sache treu ergebenen Kämpfer aus dem Dunkel auftauchen lassen, damit wir sie an die ihnen zukommende führende Stelle setzen können.
Er hat uns die Mängel und Schwächen in der Organisation und Struktur, in der Ausrüstung, Bewaffnung und Ausbildung der Volkspolizei so klar wie niemals zuvor erkennen lassen und uns damit in die Lage versetzt, sie schnellstens beseitigen zu können.
Die Feinde haben sich selbst einen Bärendienst erwiesen. Das Erwachen war zwar schmerzhaft, aber wir sind jedenfalls erwacht und hellhörig geworden. Das Gesicht der Volkspolizei wird sich in vielfacher Hinsicht entschieden verändern. Einen zweiten 17. Juni wird es nicht geben, das können wir den amerikanischen Monopolherren und ihren deutschen Handlangern versprechen.
Die Bereitschaft unserer Menschen, an der Erfüllung dieses Versprechens mitzuwirken, ist zweifellos vorhanden. Das beweist allein die Tatsachen, daß vom 17. Juni bis heute nicht weniger als 800 parteilose Volkspolizisten ihre Aufnahme als Kandidat der Partei beantragt haben. Das hat ebenfalls der 17. Juni verursacht. Und das ist ein glänzender Beweis des Vertrauens zum Zentralkomitee der Partei und zur Richtigkeit des neuen Kurses.
Es kann darum für uns nur eine Losung geben, die ich mit den Worten ausdrücken will, mit denen der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik, der Genosse Wilhelm Pieck, seine Rundfunkansprache an die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik am 3. Juli abschloß:
"Vorwärts auf dem neuen Kurs unserer Partei und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik für das Wohl des Volkes, für die Einheit Deutschlands und den Frieden der Welt!"
[Quelle: BArch, DO 1/11.0/306, Bl. 185-223; ebenfalls in: PHS Berlin, Archiv PdVP, Referate 1945-1958, Mappe I; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe "Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]
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