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BDVP (BS) Siegmar-Schönau
Chef der BDVP (BS) Rosmarinstr. 40
Az.: I oo oo/53 Wie/Le.
Karl-Marx-Stadt 30, den 6.7.1953
An den
Stellvertreter des Chefs der DVP
für Polit-Arbeit
Gen. Chefinspekteur G r ü n s t e i n
B e r l i n W 8
Glinkastr. 35
Betr.: Auswertung der Ereignisse seit dem 16. Juni 1953
Bezug: Fernschreiben der HVDVP - HA PV Nr. 581 v. 21.6.1953
Zu 1:
Am 17.6.1953, 16.15 Uhr, Garage Katzendorf.
24 - 27 Fahrzeuge (Omnibusse, Lastkraftwagen und Kipperfahrzeuge) fuhren mit Belegschaftsangehörigen zur Demonstration und Provokation nach Gera und Weida.
Zu 2:
Am 17.6.1953, gegen 10.00 Uhr, Abteilungsleiterbesprechung, Alarmierung der Angehörigen der BDVP (BS) Siegmar-Schönau.
Zu 3:
Chef der BDVP (BS), Stellvertreter für Polit-Arbeit, die Abteilungsleiter und die Referatsleiter der Abteilung TD.
Der Chef der BDVP (BS) befand sich im Dauerdienst in der Behörde. Der Stellvertreter für Polit-Arbeit befand sich im Dauerdienst gemäß Auftrag des Chefs der BDVP (BS) im Schwerpunkt Gera.
In den gebildeten zwei Einsatzleitungen waren jeweils ein Abteilungsleiter (Abteilungsleiter K bzw. Inspektionsgruppe) sowie je ein Lageoffizier und je eine technische Kraft eingesetzt. Diese Einsatzleitung versah ihren Dienst vom 17.6. - 22.6.1953, 08.00 Uhr, im 24-Stunden-Wechseldienst. Ab 22.6. - 26.6.1953, 08.00 Uhr, wurde zum 12-Stunden-Schichtdienst übergegangen. Die Abteilung TD mit ihren Referaten befand sich während der gesamten Einsatzzeit mit jeweils 50 % im 24-Stundendienst. Alle übrigen Kräfte de BDVP (BS) waren jeweils zu 50 % der Einsatzleitung im 24-Stundendienst zur Verfügung gestellt. Für die restlichen 50 % war Alarmbereitschaft angeordnet.
Zu 4:
Am 17.6.1953, gegen 15.00 Uhr, wurde erhöhte Einsatzbereitschaft angeordnet, d.h., eine Dienstschicht befand sich vollzählig und ständig im Amt.
Am 18.6.1953, gegen 02.00 Uhr, wurde volle Einsatzbereitschaft und Übergang zum Zwei-Abteilungsdienst angeordnet, d.h., 50 % der VP-Angehörigen befanden sich auf Posten im Dienst, 50 % als Alarmbereitschaft im Amt.
Die VP-Ämter (B) waren gegen 15.00 Uhr des 17.6.1953 angewiesen worden, eine Einsatzleitung zu bilden. Mit den Sicherheitsoffizieren sollte Verbindung wegen Besetzung der Posten aufgenommen werden. Des weiteren erging die Anweisung, die ständige Verbindung zu der Betriebsparteiorganisation, zu den örtlichen VP-Dienststellen, dem MfSt und, wo vorhanden, mit der KVP und den Grenzbereitschaften aufzunehmen.
Zu 5:
Am 17.6.1953 nahm die BDVP (BS) Siegmar-Schönau Verbindung zur BDVP Karl-Marx-Stadt und zur BDVP Gera auf.
Nach Rücksprache mit der Abteilung des Betriebes wurde der Gen. VP-Chefinspekteur Grünstein gebeten, die BDVP Erfurt, Suhl, Dresden und Gera anzuweisen, daß dieselben die BDVP (BS) bei Vorkommnissen mit Bergarbeitern sofort unterrichten.
Zur Leitung des Betriebes wurde durch die Einsatzleitung ständige Verbindung hergestellt. Es wurde eine Sonderleitung durch die Abteilung TD gelegt. Der Verbindungsoffizier zum MfSt „W" wurde durch diese Dienststelle benannt.
Zur Gebietsparteileitung wurde außer der Sonderleitung Telefon ständige Verbindung durch einen verantwortlichen Offizier der Einsatzleitung hergestellt.
Die VP-Ämter (B) hatten gleichfalls zu den oben angeführten Dienststellen jeweils örtliche Verbindung aufgenommen.
Zu 6:
Der Schwerpunkt der Beteiligung von Angehörigen der AG-Wismut an den Demonstrationen und an der Provokation lag im Gebiet von Gera (Katzendorf-Garage, Sorge-Settendorf Nord, Weida).
Sehr geringfügig beteiligten sich die Kumpels an der Demonstration in Dresden.
Das Maß der Beteiligung von Belegschaftsmitgliedern der AG Wismut an den Demonstrationen ist ersichtlich aus den Berichten der BDVP Gera und Dresden. Durch die Leitung des Betriebes wurde angeordnet, die Kräfte der BDVP (BS) lediglich zum Schutz der Betriebspunkte, Betriebsanlagen sowie zur Agit.-Arbeit unter der Belegschaft einzusetzen. Es wurde weiter angewiesen, nur in besonders dringenden Fällen VP-Angehörige der VP-Ämter (B) im örtlichen Maßstab einzusetzen.
Zu 7:
In Ronneburg wurden gemeinsam mit der Partei Agitationsgruppen der Volkspolizei eingesetzt, die unter der Belegschaft wegen Arbeitsaufnahme agitierten, da einige Kraftfahrer die Kumpel bei Schichtwechsel zur Teilnahme an den Demonstrationen aufriefen.
Gemeinsam mit der Betriebsleitung, der Partei und dem MfSt wurde sofort eine Kaderüberprüfung der Garage Katzendorf vorgenommen, da sich dort ein Schwerpunkt in der Teilnahme an den Provokationen ergeben hatte. Die durchgeführte Überprüfung machte eine sofortige Auswechselung der Kraftfahrer notwendig.
Dieser personal-politische Schwerpunkt hatte zu den Anfängen der stattgefundenen Ausschreitungen geführt.
Zu 8:
Angriffe auf VP-Dienststellen waren nicht zu verzeichnen.
Zu 9:
Entfällt
Zu 10:
Entfällt
Zu 11:
Auf keine der Kreis- bzw. Objektparteileitungen der Betriebsparteiorganisation Wismut erfolgten Übergriffe.
Zu 12:
Die leitenden Offiziere der BDVP (BS) Siegmar-Schönau zeigten während des gesamten Einsatzes eine vorbildliche Einsatzbereitschaft.
Der Stellvertreter für Polit-Arbeit wurde vom Chef der BDVP (BS) Siegmar-Schönau im Schwerpunkt Gera eingesetzt und hat dort wesentlich dazu beigetragen, das Selbstvertrauen der Genossen Offiziere und Wachtmeister im VPA (B) Gera zu stärken.
Seinem vorbildlichen Verhalten und seiner Umsicht ist es mit zu danken, daß das VPA (B) Gera in der Bekämpfung der dortigen Provokationen gut gearbeitet hat.
Die Abteilungsleiter der BDVP (BS) sowie die Amtsleiter der VP-Ämter (B) erkannten den Ernst der Situation und gaben durch einwandfreie Dienstdurchführung und politische Agitationsarbeit den übrigen Genossen Offizieren und Wachtmeistern ein Vorbild ab.
Es ist in der BDVP (BS) Siegmar-Schönau nicht ein einziger Fall zu verzeichnen, wo ein VP-Offizier in leitender Stellung den gegebenen Einsatzbefehlen nicht gewachsen gewesen wäre.
Es kann abschließend gesagt werden, daß negativ zu beurteilende Momente über leitende VP-Offiziere der BDVP (BS) Siegmar-Schönau nicht aufgetreten sind.
Zu 13:
Das Verhalten der übrigen VP-Offiziere und Wachtmeister war gut. Die Einsatzmoral unserer Volkspolizisten wurde wesentlich gestärkt durch die vorbildliche Haltung der Belegschaftsmitglieder unseres Betriebes. Es gibt Beispiele, wo Kumpels unseren Volkspolizisten bei der Verhinderung von Provokationen geholfen haben.
Die Einsatzmoral zeigte sich in der Gegenüberstellung der Disziplinaranfälle mit den Auszeichnungen.
Es mußten 25 VP-Angehörige disziplinarisch bestraft werden, davon keine VP-Offiziere.
Demgegenüber stehen 45 Geldprämien, 95 Sonderurlaube, 157 Belobigungen und Buchprämien, acht Beförderungsvorschläge (davon zwei Offiziere) und sechs Streichungen von Disziplinarvergehen.
Wenn man dabei berücksichtigte, daß das VPA (B) Schneeberg allein elf Disziplinarvergehen während dieser Zeit zu verzeichnen hat, so kann man sagen, daß der politisch-moralische Zustand in den übrigen VPÄ (B) während der Zeit des Einsatzes gut war.
Die Ursachen des hohen Disziplinaranfalles im VPA (B) Schneeberg werden in einem Brigadeneinsatz durch die BDVP (BS) Siegmar-Schönau überprüft.
Die gute Einsatzmoral zeigte sich in einigen charakteristischen Beispielen:
Im VPA (B) Gera ist der VP-Hptwm. T. freiwillig aus dem Urlaub zurückgekehrt und hat durch seinen unermüdlichen Einsatz einen Provokateur festnehmen und dem MfSt übergeben können.
Weiterhin meldete sich der VP-Wm. Sch., ebenfalls VPA (B) Gera, freiwillig zum Einsatz, obwohl er eine Armverletzung hatte. Auch er konnte drei Provokateure ermitteln, so daß diese vom MfSt festgenommen werden konnten.
28 VP-Angehörige stellten während der Einsatztage den Antrag, als Kandidaten in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands aufgenommen zu werden.
Zu 14:
Die Polit-Stellvertreter in Verbindung mit der Partei- und FDJ-Organisation haben während der Einsatzbereitschaft Buchbesprechungen und Kulturveranstaltungen mit eigenen Kräften organisiert und durchgeführt, um den Genossen Volkspolizisten die lange Einsatzbereitschaft zu erleichtern.
Darüber hinaus wurden laufend Polit-Informationen über die neuesten Ereignisse durchgeführt und die VP-Angehörigen über die Lage in unserem Gebiet informiert.
Die Polit-Instrukteure der Polit-Abteilung der BDVP (BS) Siegmar-Schönau wurden in einigen Ämtern eingesetzt, um den Polit-Vertretern und der Partei- und FDJ-Organisation bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu helfen.
Zu 15:
Die Einsatzkräfte der BDVP (BS) Siegmar-Schönau wurden zum verstärkten Schutz der Betriebspunkte, Betriebsanlagen und Verwaltungsstellen der Wismut-AG eingesetzt.
An einem operativen Einsatz zur Zerstreuung von Menschenansammlungen (Überfällen, Angriffe auf Verwaltungsdienststellen usw.) haben die VP-Angehörigen der BDVP (BS) Siegmar-Schönau nicht teilgenommen.
Zur Einsatzmoral ist zu sagen, daß eine verstärkte, individuelle, politische Überzeugungsarbeit die Disziplin und das patriotische Bewußtsein unserer VP-Angehörigen noch mehr heben muß.
Die Disziplinarfälle, vorwiegend im VPA (B) Schneeberg, lassen erkennen, daß ein Teil der VP-Angehörigen der BDVP (BS) nicht mit dem nötigen Bewußtsein an die Aufgaben des Einsatzes herangegangen ist.
Aus diesem Grunde wird die Aufgabe der Leitung der BDVP (BS) Siegmar-Schönau sein, die politische Überzeugungsarbeit noch zu verstärken.
Chef der BDVP (BS)
[Unterschrift]
(Link)
VP-Inspekteur
[Quelle: BA, DO-1/11.0/306, Bl. 356-357; - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig erstmals veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe „Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]
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