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Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei
Karl-Marx-Stadt
Dresdner Str. 126
Karl-Marx-Stadt, den 29. Juni 1953
Fernruf 43251 / Hausapparat
An den
Chef der Deutschen Volkspolizei
Gen. Generalinspekteur M a r o n
Betr.: Auswertung der Ereignisse seit dem 16. Juni 1953
Bezug: FS-Nr. 581 der HVDVP vom 21.6.1953
Termin: 30.6.53
I. Einleitung des Polizeieinsatzes:
Am 17.6.53, gegen 2.30 Uhr, wurde der Stellvertr. Allgemein der BDVP Karl-Marx-Stadt, Gen. VP-Insp. Ende, welcher mich während der Dauer meines Urlaubes vertrat, von Gen. Gereralinspekteur Seifert fernmündlich mit der Einleitung von Sofortmaßnahmen, speziell die im Bezirk stationierten Wacheinheiten betreffend, beauftragt.
Um 3.15 Uhr erfolgte in der BDVP die Bildung einer Einsatzleitung, welcher der Stellvertr. Allgemein sowie die Leiter der Abt. S und des Operativstabes der BDVP angehörten.
Diese Einsatzleitung traf nachstehende Anordnungen zur Einleitung von Sofortmaßnahmen:
- Auslösung der erhöhten Alarmbereitschaft für die Wacheinheiten Karl-Marx-Stadt, Aue und Plauen sowie Vollmotorisierung und Ausrüstung dieser WE mit Gummiknüppeln.
- Alarmierung sämtlicher Abteilungsleiter der BDVP.
- Fernschriftliche Anordnung an sämtliche nachgeordneten Dienststellen der BDVP über
a) Alarmauslösung, b) Amtsleiter oder Vertreter im Amt, c) Bildung motorisierter Einsatzreserven d) Verstärkung der Sicherungsmaßnahmen in den Betrieben, Haftanstalten und wichtigen Objekten, e) sofortige Meldung sämtlicher Vorkommnisse an die Einsatzleitung der BDVP, f) umgehende Verbindungsaufnahme mit den Dienststellen der Partei, des MfS und der Trapo, g) sämtliche Fahrzeuge in aufgetankten und einsatzbereiten Zustand versetzen.
- Verbindungsaufnahme mit der Bezirksleitung der SED, dem MfS, der SKK und Kommandantur des Bezirkes, der Grenzbereitschaft Karl-Marx-Stadt, der BDVP (BS) Siegmar-Schönau, den VP-Ämtern (T) Karl-Marx-Stadt, Zwickau und Aue und den Dienststellen der KVP im Bezirk - Bärenstein und Frankenberg.
In den Vormittagsstunden des 17.6.1953 ließ Gen. Chefinspekteur Grünstein der Polizeiführung des Bezirkes fernmündlich übermitteln, daß auf keinen Fall Objekte und Dienststellen der Volkspolizei aufgegeben werden dürfen.
Die Schlußfolgerung aus dieser Durchsage und die mittlerweile vom demokratischen Rundfunk bekanntgegebenen Vorkommnisse im demokratischen Sektor von Berlin ließen erst voll den Ernst der Lage erkennen.
Ich brach sofort meinen Urlaub ab und übernahm am 17.6.53, 12.00 Uhr, die Leitung des gesamten Polizeieinsatzes im Bezirk.
II. Weiterführung des Polizeieinsatzes:
In einer sofort einberufenen Abteilungsleiterbesprechung wurden die Gen. Offiziere über die derzeitige Lage informiert und mit Aufgaben, ihre Sachgebiete betreffend, im Rahmen des Gesamteinsatzes beauftragt. Gleichzeitig erfolgte die Einteilung von leitenden Offizieren als Instrukteure.
Für sämtliche VP-Angehörige des Bezirkes Karl-Marx-Stadt wurde erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet. Mit der Verpflegung der Einsatzkräfte und Bereitstellung von Schlafmöglichkeiten für diese wurde die Abt. Intendantur beauftragt.
Die VPKÄ erhielten Anweisung, die verfügbaren Einsatzkräfte zu zentralisieren und Pläne für Schutz- und Verteidigungsmaßnahmen für die Objekte der Volkspolizei und weitere wichtige Objekte wie Kreisleitung der Partei, Elektrizitäts-, Gas-, Wasser- und Umspannwerke, Telefonämter usw. zu erarbeiten. Gleichzeitig wurden Anordnungen über Einsatz von Wasserschläuchen, Gummiknüppel und Anwendung der Schußwaffen gegeben.
Als Instrukteur der HVDVP traf Gen. Chefinsp. Dick hier ein, der mit Einzelheiten der faschistischen Provokation vertraut war und der Polizeiführung wesentliche Hinweise in bezug auf den Polizeieinsatz durch Bekanntgabe der Arbeitsmethoden des Gegners gab.
Das Gebäude der BDVP Karl-Marx-Stadt wurde lückenlos verstärkt gesichert und das umliegende Gelände für den Fall eines Angriffes in Gefechtsabschnitte eingeteilt. In einem Einsatzbefehl waren die verantwortlichen Abschnittsleiter namentlich, die eingesetzten Einsatzkräfte zugweise eingesetzt.
Durch hier eingegangene Fahndungslisten wurden die stattgefundenen Gefangenenbefreiungen und die Waffenverluste seitens der Volkspolizei bekannt.
Durch dieses Bekanntwerden veranlaßte die Polizeiführung des Bezirkes sofortige verstärkte Kfz- und Ausweiskontrollen in allen Kreisen des Bezirkes unter Berücksichtigung des Sicherheitsfaktors (1 VP-Angeh. leistet den kontrollierenden VP-Angeh. bewaffneten Schutz). Ziel dieser Kontrolltätigkeit war die Wiederergreifung befreiter Strafgefangener und die Verhinderung des Einschleusens von Provokateuren und Aufwieglern aus anderen Bezirken. Zwei jugendliche Provokateure, welche bei den faschistischen Provokationen in Gera beteiligt waren, konnten u.a. beim Versuch des illegalen Grenzübertritts im Bereich des VPKA Plauen von der Grenzpolizei gestellt werden.
Da mit dem Absetzen von Spionen, Saboteuren und Provokateuren aus Flugzeugen zu rechnen war, wurden auf erhöhten Punkten der Kreise Beobachtungsposten eingerichtet. Die dort eingesetzten VP.-Angeh. hatten die Aufgabe, festgestellte Blink- und Lichtzeichen sowie wahrgenommene Flugzeuggeräusche den zuständigen Einsatzleitungen zu signalisieren, von wo aus Weitermeldung an die Einsatzleitung der BDVP erfolgte.
Die sowj. Dienststellen des Bezirkes erhielten von den diesbezüglichen Wahrnehmungen von der Einsatzleitung der BDVP Kenntnis.
Die Informationen der HVDVP über Störung des Eisenbahnverkehrs und geplante Sabotageakte des Gegners an Einrichtungen der Reichsbahn wurden umgehend ausgewertet. An Schwerpunkten der Reichsbahn wie Bahnhöfen, wichtigen Knotenpunkten, Basa-Vermittlungen, Bahnkraftwerken usw. wurde von der BDVP Karl-Marx-Stadt sofort der äußere Schutz eingeleitet. Das Bahngelände selbst mit seinen Objekten sicherte die Trapo mit Sowjet-Soldaten und Genossen der KVP.
Um die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu garantieren und den Gegnern auch auf diesem Gebiet die Möglichkeit der Unruhestiftung zu nehmen, erfolgte die Einbeziehung von Großbäckereien, Molkereien, Schlacht- und Viehhöfen usw. in die verstärkten Sicherungsmaßnahmen. Die Volkspolizei war den angeführten Betrieben bei der Organisierung eines wirksamen Selbstschutzes behilflich, gab die entsprechende Anleitung und bezog die angeführten Objekte in den verstärkten Streifendienst mit ein.
Als bekannt wurde, daß der Streikbeginn durch Aufheulen von Sirenen angezeigt werden sollte, wurden in Verbindung mit dem MfS die Sicherungen aus sämtlichen Sirenen des Bezirkes entfernt.
Den Schwerpunktämtern, in deren Bereich Arbeitsniederlegungen und Streiks stattfanden sowie Provokationen zur Durchführung kamen (Freiberg, Werdau und Zwickau), wurden zeitweilig Züge der in Reserve liegenden Wacheinheiten zugeteilt. Gleichzeitig erfolgte die Abordnung je eines leitenden Offiziers der BDVP in diese VPKÄ zur Unterstützung und Beratung der dortigen Gen. Amtsleiter.
In der Bezirksstadt Karl-Marx-Stadt wurde der Ausnahmezustand vom zuständigen Kommandanten am 17.6.53, ab 21.00 Uhr, verhängt.
Die Kommandanten der Kreise des Bezirkes verhängten den Ausnahmezustand für ihre Aufgabengebiete sehr unterschiedlich zwischen dem 17.6.53, 21.00 Uhr und dem 18.6.53, 12.00 Uhr.
Die Aufhebung des Ausnahmezustandes im Bezirk Karl-Marx-Stadt erfolgte von der Bezirkskommandantur für alle Kreise des Bezirkes einheitlich am 24.6.53, 24.00 Uhr.
Während der durch den Ausnahmezustand bedingten Sperrzeiten führten Volkspolizisten gemeinsam mit Sowjet-Soldaten Streifen durch. Die Sperrzeiten wurden von der Bevölkerung des Bezirkes, bis auf wenige Ausnahmen, äußerst diszipliniert eingehalten.
Am 24.6.53, 7.00 Uhr, erfolgte eine Diensterleichterung, indem zum Dreischichtdienst übergegangen wurde (1/3 Dienst, 1/3 Bereitschaft, 1/3 dienstfrei). Die bis dahin ständig in den Dienststellen verbliebenen Volkspolizisten hatten ab diesem Zeitpunkt Gelegenheit, regelmäßig ihre Familien aufzusuchen.
Am 27.6.53, gegen 15.00 Uhr, erfolgte für die Volkspolizei des gesamten Bezirkes Karl-Marx-Stadt die Aufhebung der erhöhten Alarmbereitschaft und der Übergang zum Normaldienst mit einigen Einschränkungen (Beibehaltung von motorisierten Einsatzreserven, Verstärkung der Operativstäbe, Amtsleiter oder Stellvertr. müssen ständig erreichbar sein, Haftanstalten wurden verpflichtet, stündlich die zuständigen Operativstäbe anzurufen usw.).
III. Instrukteurtätigkeit:
[...]
IV. Einsatz der Polizeikräfte:
Die Einsatzkräfte der Wacheinheiten Karl-Marx-Stadt, Plauen und Aue hielten sich abrufbereit, vollmotorisiert, in einsatzbereitem Zustand, in ihren Unterkünften auf. Züge dieser WE wurden den Brennpunktämtern im Rahmen des gesamten Polizeieinsatzes zugeteilt. Verstärkte Objektsicherung erfolgte durch eingeteilte Wachzüge.
Sämtliche Kräfte der BDVP waren in Kompanien, Züge und Gruppen eingeteilt, und ihre Einweisung in die Gefechtsabschnitte erfolgte rechtzeitig. Die Züge waren im Wechsel für die verstärkte Sicherung des gesamten Objektes, einschl. Geländes, der BDVP eingesetzt.
Den nachgeordneten Dienststellen standen insgesamt 5.220 Einsatzkräfte zur Verfügung. Davon waren durchschnittlich 2.251 Reservekräfte, welche zur Durchführung polizeitaktischer Maßnahmen zum Soforteinsatz kommen konnten.
2.969 Kräfte der Volkspolizei befanden sich durchschnittlich wie folgt im Einsatz:
- 761 VP-Angeh. zum Objektschutz,
- 800 VP-Angeh. zum verstärkten Streifendienst,
- 160 VP-Angeh. zur Durchführung von Verkehrskontrollen,
- 380 VP-Angeh. zur Sicherung von Objekten der Volkspolizei,
- 280 ABV in ihren Abschnitten,
- 588 VP-Angeh. für sonstige Dienstleistungen.
Den VPKÄ standen insgesamt 289 Fahrzeuge mit Transportmöglichkeiten für insgesamt 1.360 VP-Angehörigen während des Gesamteinsatzes zur Verfügung.
Diese Fahrzeuge unterteilen sich wie folgt:
- 50 Lastkraftwagen
- 78 Personenkraftwagen
- 161 Krafträder
In den VPKÄ des Bezirkes kamen durchschnittlich 300 freiw. Helfer der Volkspolizei und 2.400 Genossen der Partei zum Einsatz. Die Zahlen beziehen sich auf die Einsatzkräfte pro Tag.
V. Stimmung der Einsatzkräfte:
Durch laufende Polit-Informationen wurden sämtliche Einsatzkräfte von den faschistischen Provokationen unterrichtet und mit deren Zusammenhängen und Hintergründen eingehend vertraut gemacht. Die Leitartikel des „Neuen Deutschland" und weitere Veröffentlichungen in der Presse wurden dazu von der Polit-Abteilung der BDVP entsprechend ausgewertet.
Die ideologische Aufklärung sämtlicher Volkspolizisten führte dazu, daß alle Einsatzkräfte die Notwendigkeit des verstärkten Polizeieinsatzes einsahen und dieser Einsicht durch äußerst diszipliniertes Verhalten Ausdruck verliehen.
Ausgezeichnete Verpflegung, gute Unterbringung und eine ebensolche kulturelle Betreuung der Einsatzkräfte durch die Polit-Abt. der BDVP trug wesentlich zur allgemein bereits guten Stimmung bei. Als die Zuteilung von Zigaretten, Vitalade und die Verausgabung von Bohnenkaffee erfolgte, war die Freude bei den Gen. Volkspolizisten sehr groß.
Von der Abt. PA der BDVP wurden während des Polizei-Einsatzes insgesamt 35 Filmvorführungen in den Wacheinheiten, mehren VPKÄ des Bezirkes und der BDVP durchgeführt. Zu diesem Zweck waren sieben Spielfilme, welche der damaligen Situation sowie dem Polizeieinsatz entsprachen, geliehen worden, z.B. „Rotes Banner auf grünem Fels", „In friedlichen Tagen", Der wahre Mensch" und „Die Entführung".
Negative Stimmungen der Einsatzkräfte wurden der Einsatzleitung im Rahmen des Polizeieinsatzes nicht bekannt.
VI. Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen:
Die laufende Verbindung und Zusammenarbeit mit den sowj. Dienststellen des Bezirkes, der Bezirksleitung der Partei, dem MfS des Bezirkes, der Grenzbereitschaft Karl-Marx-Stadt, der BDVP (BS) Siegmar-Schönau, den Dienststellen der KVP Bärenstein und Frankenberg sowie den Trapo-Ämtern Karl-Marx-Stadt, Zwickau und Aue waren sehr gut. Informationen wurden in jedem Falle gegenseitig ausgetauscht, gemeinsam ausgewertet und koordinierte Soforteinsätze eingeleitet und durchgeführt.
Der gemeinsame Einsatz von Sowjet-Soldaten und Volkspolizisten hat nicht nur zur Vertiefung der Freundschaft geführt, sondern gleichzeitig unseren Einsatzkräften wertvolle Erfahrungen und Hinweise über Verhalten im Einsatz und in Fragen der Disziplin übermittelt.
Speziell dieser Polizeieinsatz hat die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit mit der zuständigen Grenzbereitschaft gezeigt. Diese Erkenntnis wird dazu führen, für die Zukunft die Verbindung zwischen BDVP Karl-Marx-Stadt und Grenzbereitschaft Karl-Marx-Stadt wesentlich enger als bisher zu gestalten.
Die Signale durch die Bezirksleitung der Partei erreichten die Einsatzleitung der BDVP oft eher als die unserer nachgeordneten Dienststellen, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß ein Großteil dieser eingegangenen Meldungen stark übertrieben, teilweise sehr entstellt und in einigen Fällen sich als Falschmeldungen erwiesen.
VII. Vorkommnisse:
Im Bezirk Karl-Marx-Stadt kam es in acht Betrieben zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen und in zwei Betrieben (Schwerpunktbetrieb der DDR Nr. 5, Wälzlagerfabrik Fraureuth, Kr. Werdau, und VEB Bau-Union Dresden, Baustelle Zinkhütte Freiberg) fanden Streiks von längerer Zeitdauer statt.
O.a. Arbeitsniederlegungen bzw. Streiks waren in den Kreisen Freiberg, Werdau, Karl-Marx-Stadt, Glauchau, Hohenstein-E. und Reichenbach/Vgtl. zu verzeichnen.
Als Schwerpunkte sind dabei die Kreise Freiberg und Werdau, wo Streiks stattfanden, und der Kreis Zwickau, wo sich jugendliche Bergarbeiter während der Sperrzeit des Ausnahmezustandes zusammenrotteten und beabsichtigten, eine Demonstration zum Bahnhof durchzuführen, zu benennen.
Bezeichnend ist, daß die angeführten Kreise schon seit längerer Zeit zu den Brennpunktkreisen antidemokratischer Umtriebe im Bezirk zählen.
Während des Polizeieinsatzes wurden von VP-Angehörigen fünf Festnahmen im Bezirk durchgeführt. Weitere Provokateure und Aufwiegler in den Betrieben, wo gestreikt wurde, nahmen Angehörige des MfS sowie Angehörige sowj. Dienststellen fest.
Einem Anruf der BDVP BS (Siegmar) zufolge sollten sich am 18.6.53 ca. 40 Fahrzeuge der Wismut AG, besetzt mit streikenden Bergarbeitern, von Katzendorf Kr. Gera in Richtung Bezirk Karl-Marx-Stadt bewegen. Das VPKA Werdau wurde von der BDVP angewiesen, sich mit der zuständigen Kommandantur in Verbindung zu setzen, um Sofortmaßnahmen zur Verhinderung der geplanten Beeinflussung weiterer Arbeiter zu veranlassen. Nach Meldung des im VPKA Werdau eingesetzt gewesenen Instrukteurs der BDVP wurden die Fahrzeuge an der Bezirksgrenze von motorisierten Sowjet-Soldaten angehalten, und die streikenden Bergarbeiter in Abständen zum Verlassen der Fahrzeuge veranlaßt. Durch diese Sofortmaßnahme gelang es, Provokateure und Aufwiegler von Betrieben des Bezirkes Karl-Marx-Stadt fernzuhalten und eine Konzentrierung derartiger Elemente zu verhindern.
Besonders gute Arbeit leisteten die Instrukteure der Partei, die es in Betrieben, wo es zu Arbeitsniederlegungen und Streiks kam, verstanden, die Arbeiter von der Richtigkeit des neuen Kurses der Partei und Regierung zu überzeugen und selbige zur Arbeitsaufnahme zu bewegen. Dabei ist die vorbeugende Tätigkeit derartiger Instrukteure in fast allen größeren Betrieben des Bezirkes besonders zu erwähnen.
Im positiven Sinne ist das Verhalten der Wismut-Kumpel hervorzuheben, welche in mehreren Schächten an den Tagen der faschistischen Provokationen besonders hohe Förderleistungen vollbrachten.
Desgleichen wurden in vielen Betrieben des Bezirkes durch Arbeiter Brigaden zum Selbstschutz ihrer Betriebe und Werke organisiert.
Neben den bereits geschilderten Streiks und Arbeitsniederlegungen trat der Gegner durch Verstreuen und Ankleben von Hetzschriften sowie Anschreiben von Hetzparolen besonders in Erscheinung.
Die Hetzschriften und Klebezettel waren vorwiegend mit Schreibmaschine geschrieben, bzw. Handdruckkasten gedruckt und beinhalteten gegnerische Losungen, welche sich auf die faschistischen Provokationen bezogen. Die Gleichheit der Losungen läßt nicht nur auf eine organisierte Tätigkeit des Gegners, sondern auch auf eine längere Vorbereitung des Tages „X" durch den Gegner schließen.
Als Brennpunkte in bezug auf antidemokratische Umtriebe traten während des Putschversuches im Bezirk Karl-Marx-Stadt die Kreise Freiberg, Zwickau, Aue und Marienberg besonders in Erscheinung.
Nach Bekanntwerden der faschistischen Provokation in Berlin und weiteren Städten der DDR waren im Bezirk Karl-Marx-Stadt Anzeichen von Angsteinkäufen vorhanden. Durch eine sofort eingeleitete Aufklärungskampagne konnte binnen kürzester Zeit dieser Mißstand behoben werden.
Im gesamten Bezirk verlief der Verkehr sowie der gesamte Wirtschaftsablauf ohne Unterbrechung normal. Lediglich durch die Sperrzeiten des verhängten Ausnahmezustandes waren geringe Beschränkungen auferlegt worden.
VIII. Stimmung der Bevölkerung des Bezirkes:
Die Stimmung der Bevölkerung im Bezirk Karl-Marx-Stadt war nach Bekanntwerden der Ereignisse in Berlin und anderen Städten der DDR äußerst bedrückt. Der überwiegende Teil verhielt sich sehr abwartend und mit Bekanntwerden des Leitartikels des „Neuen Deutschland" über die Ursachen und Hintergründe der faschistischen Provokationen am Tage „X", war eine allgemeine Stimmungsänderung im positiven Sinne zu bemerken. Der angeführte Leitartikel des Zentralorgans der SED fand großen Anklang unter der Bevölkerung und trug wesentlich zur Aufklärung der Massen bei.
Aus den von den VPKÄ eingereichten Stimmungsberichten ging hervor, daß große Teile der Bevölkerung Arbeitsniederlegungen und Streiks zu Senkung der Normen, Verbesserung der sozialen Einrichtungen usw. zustimmten, jedoch die faschistischen Provokationen, wie sie in Berlin und anderen Städten zu verzeichnen waren, ganz entschieden ablehnten.
Dem durch die Kommandanturen verhängten Ausnahmezustand wurde seitens der Bevölkerung des Bezirkes anfangs sehr wenig Verständnis entgegengebracht, da allgemein die Meinung vertreten wurde, daß die Notwendigkeit des Ausnahmezustandes im Bezirk Karl-Marx-Stadt nicht vorhanden sei.
Nach Bekanntwerden der enormen Auswirkung der faschistischen Provokationen in anderen Bezirken, wovon die Bevölkerung und deren Einrichtungen nicht unbetroffen blieben, schlug diese anfängliche Meinung in das Gegenteil um. Die Bevölkerung erkannte und brachte in Diskussionen zum Ausdruck, daß durch die Verhängung des Ausnahmezustandes sowie dem sofortigen Einsatz von Sowjetsoldaten die faschistischen Provokation scheiterten, ein größeres Blutvergießen vermieden wurde und der Frieden erhalten blieb.
IX. Schlußfolgerungen:
Die Hauptursache, daß die faschistischen Provokationen im Bezirk Karl-Marx-Stadt nicht zur Auswirkung kamen, dürfte darin begründet sein, daß bereits am 17.6.53, bei Arbeitsbeginn, Instrukteure der Partei in alle größeren Betriebe entsandt wurden und dort agitierten.
Die enge und ständige Nachrichtenverbindung zwischen BDVP, MfS des Bezirkes und Bezirksleitung der Partei schuf die Voraussetzungen, daß die Partei auf die geringsten Anzeichen der Unzufriedenheiten im Betrieb reagieren konnte und weitere Instrukteure zum Einsatz brachte. Durch das schnelle Reagieren und der auf diesem Gebiet geleisteten vorbeugenden Arbeit gelang es, die Wühlarbeit der Provokateure und Aufwiegler im Keime zu ersticken.
Die im Bericht aufgezeigten Schwächen und Mängel zeigen der Polizeiführung des Bezirkes die Notwendigkeit der Verstärkung sofortiger Instrukteureinsätze seitens der BDVP in den VPKÄ und durch die VPKÄ in ihren nachgeordneten Dienststellen.
Das Verhalten der gesamten Bevölkerung des Bezirkes Karl-Marx-Stadt hat bewiesen, daß dieser Bezirk mit Recht den Namen des größten Sohnes des deutschen Volkes trägt.
Chef der BDVP Karl-Marx-Stadt
(Schwager)
VP-Inspekteur
[Quelle: BArch, DO-1/11.0/305, Bl. 182-190 (Auszüge); - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe „Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]
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