Seit den Morgenstunden werden in der Stadt Leipzig Arbeitsniederlegungen und Streiks gemeldet. In den Betrieben entstehen Streikleitungen. Ausgehend von den bestreikten Betrieben, bewegen sich seit den Morgenstunden mehrere Demonstrationszüge in Richtung Stadtzentrum. "Nieder mit der Regierung", "Weg mit der HO", "Wir fordern ein besseres Leben" lauten einige der Losungen. Der Demonstrationszug der Kirow-Werker führt ein Transparent mit der Parole "Wir fordern Butter statt Kanonen, Freiheit und mehr Lohn" mit sich. Es werden Forderungen laut nach der Erhöhung des Grundlohnes um 30 Prozent und der Abschaffung des Leistungslohns. Freie und geheime Wahlen für Gesamtdeutschland gehören ebenso zu den Forderungskatalogen wie die Wiedererreichung des Lebensstandards von 1938. Hinzu kommen Forderungen nach dem Rücktritt der Regierung, für die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Zulassung aller Parteien. Zwischen 40.000 und 100.000 Menschen sollen es schließlich gewesen sein, die sich im Stadtzentrum versammeln; eine genaue Zahl lässt sich nicht mehr ermitteln.
Am frühen Nachmittag eskaliert die Situation. Alle im Stadtzentrum befindlichen wichtigen Gebäude der SED, der FDJ und des FDGB, der Polizei, der Leipziger Volkszeitung sowie der Gebäudekomplex der Staatsanwaltschaft, des Bezirksgerichts und der Untersuchungshaftanstalt und auch die HO-Warenhäuser werden belagert und bestürmt, einige vorübergehend besetzt. Schüsse fallen; zwischen 15.00 und 16.00 Uhr wird der 19jährige Gießer Dieter Teich vermutlich von einem Volkspolizisten erschossen. Das zweite Todesopfer ist die 64jährige Rentnerin Elisabeth Bröcker. Dann greifen sowjetische Militäreinheiten in das Geschehen ein; um 16.00 wird die Verhängung des Ausnahmezustandes bekannt gegeben. Bei den trotzdem anhaltenden Auseinandersetzungen werden bis zum Abend weitere fünf Demonstranten bzw. Passanten getötet; die Zahl der Verletzten wird mit 120 angegeben. Trotz des Ausnahmezustandes dauert es noch Stunden, bis die Besatzungstruppen und die Polizei die Situation in Leipzig und Umgebung vollständig unter Kontrolle haben.
Nach den Demonstrationen läßt der sowjetische Militärkommandant drei Arbeiter standrechtlich erschießen.
BDVP Leipzig, Auswertung der Ereignisse seit dem 16.6.1953, Leipzig, 29.6.1953
Telefonische Meldungen und Durchsagen der SED im Bezirk Leipzig am 17. Juni 1953 an das ZK der SED (Auszüge)
[Quellen: Tagesmeldungen vom 17. Juni 1953, in: SAPMO-BArch, NY 4062, Signatur 94, Batt 32-88a; siehe auch: Diedrich 1991, Beier 1993 sowie die Arbeiten von Heidi Roth, insbesondere Roth 1991 und 1999. Vor allen den detaillierten Forschungsarbeiten dieser Autorin ist der gute Wissensstand über den 17. Juni in Sachsen zu verdanken; Koop 2003.]
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