|
[Anonym]
Streikbericht von VEB ELMO Elektromotorenwerk Wernigerode/Harz [1953]
[Erläuterung: Bei dem folgenden Dokument handelt es sich um einen anonymisierten Bericht, der im Archiv des DGB abgelegt wurde.]
Bereits am 16.6. und dann ausführlich am 17.6. trafen die Streikberichte aus Magdeburg, Halle und Berlin im Werk ein. Jedoch wurde vorerst an beiden Tagen gearbeitet. Am 18.6. wurde morgens um 7.30 Uhr eine Betriebsversammlung einberufen, als in der Wickelei, die für das Eintreten ihrer gerechten Forderungen schon im Werk bekannt war, die Arbeit niedergelegt wurde. In dieser Betriebsversammlung wurde beschlossen, nicht zu streiken und zu demonstrieren, sich jedoch mit den Streikenden in Berlin und in der Zone - soweit bekannt - insoweit solidarisch zu erklären, daß man wohl an seinem Arbeitsplatz saß, jedoch ostentativ nichts tat.
Am Mittag des gleichen Tages fand eine gesamte Betriebsversammlung im Karl-Marx-Kulturhaus statt. Dort gedachte man eingangs der Opfer Berlins, indem man eine Minute schweigend aufstand. Im Anschluß daran wurden 4 Kollegen gewählt, die die Forderungen vortragen sollten, die allgemein von der Arbeiterschaft der Zone gestellt worden waren. Ergänzend dazu wurde über die Freilassung aller politischen Häftlinge hinaus die Entlassung der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion gefordert.
Es ist zu betonen, daß beide Betriebsversammlungen trotz des Ausnahmezustandes, der auch über Wernigerode erklärt worden war, stattfanden. Bei der Diskussion ergab es sich, daß für die Zahl der Beschäftigten (2.500) eine Delegation von 4 Kollegen für zu wenig angesehen wurde. Daher wurden noch 5 weitere Kollegen dazugewählt. Am 19.6. sollte im Werk gestreikt werden, jedoch als die Belegschaft morgens an ihre Arbeitsplätze kam, mußte sie feststellen, daß die SED-Führung alle verfügbaren Kräfte in den Betrieb entsandt hatte, um den Streik zu unterbinden. Inzwischen waren auch russische Panzer eingetroffen, die auf 3 Lastkraftwagen laufend herangebracht wurden.
Dem Streikbeschluß von ELMO hatten sich auch VEB Getriebebau Wernigerode sowie das Werk Schierke angeschlossen.
Von der Streikleitung wurden 7 Kollegen verhaftet, teils durch Vopo, durch SSD auf Lkw verladen. Am Sonnabend arbeitete das Werk mit 75 %. Ca. 20 bis 25 % der Kollegen waren aus Protest über die Verhaftung ihrer Streikführer gar nicht erst zur Arbeit erschienen.
Insgesamt sind aus den Wohnungen 16 Personen verhaftet worden, ca. 18 bis 25 Personen aus dem Werk heraus. Sie gehörten sämtlich den Streikleitungen der vorerwähnten Firmen sowie Fondantfabrik Agenta (100 Mann), YSAT Füllhalterfabrik (ca. 250 Mann).
Der Fluchtweg führte unsere Berichter, die durch einen Abteilungsleiter in den Besitz eines Dienstauftrages nach Berlin, Dresden und Halle gekommen waren - dieser ist auch der gleiche, der beide warnte -, Halberstadt nach Magdeburg, von Magdeburg nach Berlin, von Berlin-Pankow nach Berlin Stadtmitte. Der Übergang zum Westsektor erfolgte mit Hilfe eines KVP-Postens an der Niederkirchner Straße.
[Quelle: AdsD-FES, DGB-Archiv/DBG-BV/Internationale Abteilung/Abt. Ausland, 5/DGAJ000060.]
| |