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Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei
Neubrandenburg
Abteilung: Sekretariat
Ernst-Thälmann-Str. 1
Neubrandenburg, den 27. Juni 1953
An die
Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei
- Operativstab -
B e r l i n W 8
Glinka-Str. 35
Betr.: Auswertung der Ereignisse seit dem 16. Juni 1953
Bezug: FS Nr. 581 vom 21.6.1953 der HVDVP - Berlin
Um eine gründliche Auswertung des polizeilichen Einsatzes in den Tagen der faschistischen Provokation zu gewährleisten, berichtet die Bezirksbehörde Deutsche Volkspolizei Neubrandenburg zu den einzelnen Punkten wie folgt:
Am 17.6.1953, gegen 09.30 Uhr, versammelten sich ca. 150 Personen vor der UHA in Teterow und forderten die Freilassung der Inhaftierten. Diese Menschenansammlung hatte sich bis zum Nachmittag um ca. weitere 400 Personen erhöht. Einige Provokateure gebrauchten gegenüber den Volkspolizisten die Worte: „Die Inhaftierten sind keine Verbrecher, sondern ihr seid die Verbrecher, gebt die Leute frei, ihr Halunken." Die dort anwesenden Volkspolizisten wurden von den Provokateuren aufgefordert, die Waffen niederzulegen, sowie die Uniform auszuziehen und mitzudemonstrieren. Der Leiter der UHA wurde ebenfalls von den Provokateuren zum Öffnen der Zellen aufgefordert mit den Worten: „wenn nicht sofort die Zellentüren geöffnet werden, er erhängt wird."
Am 18.6.1953, 09.00 Uhr, legten im Objekt Groß-Dölln, Krs. Templin, ca. 1.600 Arbeiter die Arbeit nieder. Es wurde dort im Bauobjekt Groß-Dölln eine Streikleitung gebildet, welche bei dem sowjetischen Baustab die Forderungen stellte: 40 %ige Preissenkung in sämtlichen HO-Geschäften, Herabsetzung der erhöhten Norm und Lohnerhöhung, Abzug der sowjetischen Einheiten aus dem Objekt sowie freie Wahlen. Diesem Streik schlossen sich 20 Arbeiter des Kreisbaubetriebes Templin mit an.
In mehreren Gemeinden des Kreises Templin wurden in diesen Tagen Flugblätter verstreut mit dem Inhalt: Hetze gegen die sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Hetzlosungen wurden angeschmiert: „Nieder mit Ulbricht, wir fordern freie Wahlen, raus mit den Russen."
Am 18.6.1953, 08.00 Uhr, kam es im Reichsbahnausbesserungswerk Malchin zur Arbeitsniederlegung, an welcher fünf Brigaden mit ca. 50 Arbeitern teilnahmen.
Die Haupträdelsführer stellten im RAW die Losung auf: „Bestrafung der Regierung der DDR und Verbesserung der Lebenslage."
Nachdem die beiden Haupträdelsführer durch die Kriminalpolizei des Amtes festgenommen wurden, nahmen die Arbeiter nach ca. 50 Minuten die Arbeit wieder auf.
Am 17.6.1953, gegen 22.40 Uhr, wurde von Saboteuren die Telefonleitung Waren - Malchow - Röbel an der F-Straße 192, Kilometerstein 4, zerstört. Sämtliche 23 Drähte wurden durchgeschnitten. Die zerstörte Leitung wurde umgehend von Seiten der Post und durch Unterstützung der Volkspolizei repariert und die Verbindung wieder hergestellt.
Die in verschiedenen Städten und ländlichen Gemeinden des Bezirkes Neubrandenburg vereinzelt auftretenden Provokateure, welche durch Hetzlosungen und hetzerische Reden versuchten, die Bevölkerung irrezuführen, wurden in den meisten Fällen durch die Staatssicherheitsorgane unschädlich gemacht.
So wurde z.B. der Provokateur Eduard B. von der Kriminalpolizei in Alten-Treptow festgenommen, welcher vor der Wohnung des 1. Kreissekretärs des Kreisfriedenskomitees die provokatorische Äußerung machte: „Komm raus du Schwein, jetzt ist es Zeit zum Abrechnen."
Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Kreis Neustrelitz in der ländlichen Gemeinde Usadel, wo der Provokateur H. die Bilder des Staatspräsidenten sowie des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl entfernte und weiterhin die Bekanntmachungen über den Ausnahmezustand mehrmals abriß. Dieser Provokateur wurde durch die Kriminalpolizei festgenommen.
Am 17.6.1953, gegen 19.00 Uhr, hatten sich im Kulturraum im Bauobjekt Nordost in Prenzlau ca. 40 Arbeiter versammelt, welche sich zum Teil im angetrunkenen Zustand befanden und den Rias hörten. Beim Eintreten des zuständigen Abschnittsbevollmächtigten in den Kulturraum wurde er aus demselben verwiesen. Es wurden die Äußerungen laut: „Halt die Schnauze. Haut ihm mit der Flasche vor den Kopf." Als Haupträdelsführer wurde der Maurerbrigadier N. ermittelt und von Seiten der Kriminalpolizei festgenommen.
Am 17.6.1953, gegen 05.00 Uhr, wurde auf Anweisung der HVDVP Berlin, stellv. Chef der DVP, Gen. Chefinspekteur G r ü n s t e i n, für die BDVP sowie nachgeordneten Dienststellen der Volkspolizei der Alarm ausgelöst mit der Maßgabe, alle Offiziere und Wachtmeister haben sich zur Dienststelle zu begeben und sich in Bereitschaft zu halten, bis nähere Anweisungen erfolgen.
Die Alarmierung der Offiziere und Wachtmeister der BDVP-Neubrandenburg erfolgte auf Anweisung des stellv. Chef Allgemein, Gen. VP-Kdr. N y f f e n e g g e r, um 05.10 Uhr nach dem im Operativstab der BDVP vorliegenden Alarmierungssystem.
Die Alarmierung der Volkspolizei-Kreisämter des Bezirkes erfolgte in der Zeit von 05.10 Uhr bis 05.25 Uhr telefonisch durch den stellv. Chef Allgemein, Chefdienst und Lageoffizier des Operativstabes der BDVP-Neubrandenburg. Es wurde bei der Alarmierung angeordnet, sämtliche Offiziere und Wachtmeister haben sich sofort zur Dienststelle zu begeben und in Bereitschaft zu halten. Des weiteren ist die Bildung von Einsatzleitungen in den VPKÄ vorzunehmen.
Es wurde umgehend nach der Alarmierung eine Abteilungsleiterbesprechung durchgeführt, in der die Lage in Berlin aufgezeigt und dementsprechend eingehende Schlußfolgerungen für den Bezirk Neubrandenburg gezogen wurden. Es wurde die Bildung der Einsatzleitung vorgenommen. Die Leitung der BDVP setzte sich wie folgt zusammen:
Stellv. Chef Allgemein (i.V. d. Chefs bis 19.6.53)
Leiter der Polit-Abteilung
Abteilungsleiter K
Abteilungsleiter S
Leiter des Operativstabes.
Die Einsatzleitung nahm die Tätigkeit im Operativstab der BDVP auf, von wo aus sämtliche Einsatzbefehle und Organisationspläne erarbeitet und herausgegeben wurden. Die Hilfsmittel des Operativstabes (Karten, Pläne, Strukturunterlagen) standen der Einsatzleitung zur Verfügung.
Nach der Bildung der Einsatzleitung der BDVP wurde sofort mit der Bezirksleitung der Partei, Dienststelle des Hohen Kommissars in Neustrelitz, Bezirkskommandanten und Bezirksverwaltung MfS Verbindung aufgenommen.
Am 17.6.1953, gegen 11.00 Uhr, wurde durch die Einsatzleitung in Verbindung mit dem Vors. des Hohen Kommissars und einigen Vertretern der Dienststellen der Kommandanturen [und dem, d.Hg.] Bezirksstaatsanwalt in der BDVP eine Lagebesprechung durchgeführt.
Der Abteilungsleiter S der BDVP wurde von der Einsatzleitung beauftragt, sofortige Verbindung mit der KVP Fünfeichen aufzunehmen, um bei evtl. größeren Einsätzen über mehrere Kompanien verfügen zu können.
Welche Schwerpunkte bildeten sich im Bezirk heraus, welche Maßnahmen wurden in ihrer Bekämpfung eingeleitet, wie und mit welchem Erfolg wurden sie durchgeführt?
Am 17.6.1953 war die Menschenansammlung in Teterow vor der UHA von ca. 500 Personen als besonderer Schwerpunkt im Bezirk zu bezeichnen.
Die Haupträdelsführer und Provokateure forderten die Freilassung sämtlicher Häftlinge der UHA-Teterow. Hierbei war zu verzeichnen, daß das Verhalten der dort versammelten Menschen durch die Aufwiegelung der Haupträdelsführer einen aggressiven Charakter angenommen hatte. Drohungen gegen Gen. Volkspolizisten und insbesondere gegen den Leiter der UHA wurden ausgesprochen. Auf Grund der angeführten Tatsachen war mit einer evtl. gewaltsamen Befreiung der Inhaftierten zu rechnen. Nach Rücksprache mit der Kreisleitung der Partei in Teterow wurden Agitatoren in die dort versammelte Menschenmenge beordert, um eine Aufklärungsarbeit zu leisten. Zur Verstärkung der Einsatzleitung des VPKA Teterow wurde der Abteilungsleiter K der BDVP nach dort beordert und mit der Gesamtleitung beauftragt. Die Kräfte der Volkspolizei zur Sicherung der UHA wurden verstärkt und in die versammelte Menschenmenge Angehörige der Kriminalpolizei beordert mit dem Ziel der Feststellung der Provokateure und Haupträdelsführer. Darüber hinaus wurde die WE-Teterow in Stärke einer Kompanie (Einsatzreserve) gehalten. Die Motorisierung, Bewaffnung und Ausrüstung der Einsatzreserve war gewährleistet. Von Seiten der Feuerwehr wurde das Anlegen von Schlauchmaterial durchgeführt, um ebenfalls die vorbeugende Tätigkeit zu verstärken und den direkten Angriff zu verhindern. Nach einer kurzen Lagebesprechung von Seiten der Einsatzleitung der BDVP mit dem Vertreter des Hohen Kommissars wurde festgelegt und angeordnet, daß drei Inhaftierte, deren Entlassungen durch den Kreisstaatsanwalt am 17.6.1953 vorgesehen waren, sofort zu entlassen sind. Nachdem diese Personen freigelassen wurden, bestand jedoch weiterhin die Forderung, sämtliche Inhaftierten freizulassen. Die Menschenmenge verteilte sich im Laufe des Nachmittags in Gruppen zu 20 Personen im Stadtgebiet Teterow. Vor dem Volkspolizei-Kreisamt sowie der UHA versammelten sich weiterhin einzelne Gruppen mit der gleichen Forderung.
Gegen 18.00 Uhr versammelten sich dann nochmals ca. 500 Personen vor der UHA, die nach Bekanntgabe des Ausnahmezustandes und koordinierten Einsatzes einer Gruppe Soldaten der Sowjet-Armee und einer Gruppe der Volkspolizei durch Abgeben von Warnschüssen zurückwichen. Durch diesen Einsatz bzw. durchgeführte Maßnahme war die Ruhe und Ordnung in Teterow wieder hergestellt. In den Abendstunden des 17.6.1953 wurde mit der Festnahme von 22 Provokateuren begonnen. Die Festnahmen der Haupträdelsführer und Provokateure konnten nur erfolgen auf Grund des am Tage richtig vorgenommenen polizeitaktischen Einsatzes der Kriminalpolizei. Auch das Vorgehen unserer Genossen Volkspolizisten bei den durchgeführten Festnahmen erfolgte ohne Zwischenfälle und besondere Vorkommnisse.
Am 18.6.1953, gegen 09.00 Uhr, legten im Objekt Groß-Dölln, Krs. Templin, ca. 1.600 Arbeiter die Arbeit nieder. Es wurde dort in dem Objekt eine illegale Streikleitung gebildet, die während der Versammlung mit ihren Forderungen auftrat. Die Forderungen, die von Seiten der Streikleitung aufgestellt wurden, lauteten: 40 %ige Preissenkung in allen HO-Geschäften, Herabsetzung der erhöhten Norm und Lohnerhöhung, Abzug der sowjetischen Einheiten aus dem Objekt sowie freie Wahlen. Bei Bekanntwerden der Arbeitsniederlegung in Groß-Dölln setzte sich die Einsatzleitung der BDVP sofort mit der Bezirksleitung der Partei in Verbindung, um Maßnahmen festzulegen, welche dazu dienten, die Rädelsführer und Provokateure, welche die Rias-Hetze verbreiteten, zu entlarven und festzunehmen.
Weiterhin wurden Maßnahmen besprochen, um den weiteren Arbeitsablauf zu sichern. Durch die Bezirksleitung der Partei wurde die Kreisparteischule von Templin und Lychen nach Groß-Dölln beordert, um dort Agitationsarbeit unter den Bauarbeitern zu leisten. Von Seiten der BDVP wurde angeordnet, daß sofort zwei Gruppen Volkspolizisten zur Sicherung und Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung einzusetzen sind. Im Objekt selbst wurden zehn Angehörige der Abteilung K eingesetzt, die die Aufgabe hatten, die Provokateure festzustellen und in der weiteren Folge zu isolieren. Die übrigen Einsatzkräfte der Volkspolizei übernahmen den Schutz der Unterkunftslager, und weiterhin wurden der Transformator sowie das Zementlager bewacht. Der Chef der BDVP sowie der Abteilungsleiter K der BDVP-Neubrandenburg begaben sich zum Einsatzort, um mit der dortigen Einsatzleitung im VPKA-Templin und im Objekt mit Funktionären der Partei konkrete Einzelheiten des Einsatzes der Volkspolizei und der Partei durchzusprechen. Der Einsatz der Agitatoren von Seiten der Partei hatte keinen vollen Erfolg.
Im Laufe des Tages sowie in der Nacht vom 18.-19.6.1953 entfernten sich fast zwei Drittel der Belegschaft aus dem Objekt. Die dort tätigen Arbeiter waren aus dem gesamten Gebiet der DDR zusammengezogen. Um trotzdem den weiteren Arbeitsablauf zu sichern und die ankommenden Güterzüge mit Materialien zu entladen, wurden Kräfte der landwirtschaftlichen Berufsschule und der Gewerbeschule aus Templin für diese Arbeit eingesetzt (350 Kräfte). Am 19.6.1953, gegen 13.00 Uhr, begann die Kriminalpolizei mit der Festnahme von Provokateuren. Unter diesen vorgenommenen Festnahmen befanden sich drei Provokateure der dortigen Streikleitung. Auch bereits drei geflüchtete Provokateure wurden am 19.6.1953 gegen Abend in Brüssow, Krs. Pasewalk, durch die Kriminalpolizei festgenommen und nach Templin überführt. Die weitere Bearbeitung dieser Provokateure übernahm das MfS. Auf Grund der eingeleiteten Maßnahmen von Seiten der Partei kehrten bereits am 20.6.1953 ca. 200 Arbeiter zum Bauobjekt zurück, und es konnte am selben Tage um 08.00 Uhr der Zweischichtendienst wieder aufgenommen werden.
Der Stab, welcher von Seiten der Bezirksleitung der Partei dort gebildet wurde, hatte sich mit den Kreisleitungen in den einzelnen Bezirken in Verbindung gesetzt und die Namen und Wohnadressen der Bauarbeiter bekanntgegeben. Von den zuständigen Kreisleitungen wurden die Bauarbeiter aufgesucht und zur Arbeitsaufnahme aufgefordert.
Durch den richtigen polizeitaktischen Einsatz von Seiten der Kriminalpolizei in den Unterkünften sowie in dem Bauobjekt selbst konnten insgesamt 12 Provokateure von den übrigen Bauarbeitern isoliert und festgenommen werden. Durch den koordinierten Einsatz der Volkspolizei, der Bezirksleitung der Stadt und dem Vertreter des Hohen Kommissars war zu verzeichnen, daß am 21.6.1953 die Arbeit im Bauobjekt Groß-Gölln, Krs. Templin, voll aufgenommen wurde. Ruhe und Ordnung wurden wieder hergestellt, und es kam zu keinen weiteren Zwischenfällen. Die Kräfte der Volkspolizei konnten am 22.6.1953 dort abgezogen werden.
Am 18.6.1953, 08.00 Uhr, kam es im Reichsbahn-Ausbesserungswerk Malchin zur Arbeitsniederlegung, an welcher ca. 50 Arbeiter teilnahmen. Die Provokateure stellten im RAW die Losung auf: „Bestrafung der Regierung der DDR und Verbesserung der Lebenslage." Durch das sofortige Einschreiten der Kriminalpolizei in Verbindung mit der Kreisleitung der Partei konnten die beiden Haupträdelsführer durch die Abteilung K festgenommen werden, und die Arbeit wurde nach 50 Minuten wieder aufgenommen.
Zu direkten Angriffen auf Dienststellen der Deutschen Volkspolizei kam es in den Tagen der faschistischen Provokation im Bezirk Neubrandenburg nicht. Weiterhin kann gemeldet werden, daß es keinen Provokateuren im Bezirk Neubrandenburg gelang, in Gebäude der Kreisleitung der Partei, Bezirksleitung der Partei oder andere staatlichen Gebäude einzudringen.
[...]
Schlußfolgerungen:
Bei dem gesamten Einsatz der Volkspolizei im Bezirk Neubrandenburg in den Tagen der Provokation wurde festgestellt, daß schon bei Beginn der Auslösung des Alarms die Alarmierung aller VP-Angehörigen allgemein eine zu lange Zeitspanne in Anspruch nahm. Die Ursache ist darin zu suchen, daß die vorliegenden Alarmierungssysteme und Alarmpläne überholt waren und keinen aktuellen Charakter trugen.
Es wird sich in Zukunft als notwendig erweisen, Probealarme durchzuführen, um die Schlagkraft der Volkspolizei bei derartigen Einsätzen zu festigen.
Die Abteilung Technische Dienste muß dahingehend ernste Schlußfolgerungen ziehen, das Nachrichtensystem, Telefon- und Fernschreibnetz zu verbessern und die Gen. Volkspolizisten in den Fernsprechzentralen der BDVP und nachgeordneten Dienststellen umgehend zu qualifizieren. Die Ausrüstung an Waffen und Munition für alle Dienststellen der Volkspolizei im Bezirk ist unzureichend.
Bei der Leitung und Durchführung eines polizeitaktischen Einsatzes gab es große Schwächen von Seiten leitender Offiziere (Kompanie- u. Zugführer).
Es wird vorgeschlagen, in den Plan der Ausbildung das Studium der Polizeitaktik verstärkt mit aufzunehmen. Weiterhin stellte sich heraus, daß der größte Teil aller Volkspolizisten noch kein Scharfschießen mit der Pistole durchgeführt hat. Es ist erforderlich, ebenfalls Pistolenschießen in den Ausbildungsplan mit aufzunehmen.
Obwohl die Versorgung mit Verpflegung ausreichend war, gab es bei der internatsmäßigen Unterbringung der Gen. Volkspolizisten Schwierigkeiten in der Form, daß nicht genügend Matratzen, Decken, Betten usw. vorhanden waren.
Für die Arbeit der Parteiorganisation ergibt sich bei solchen Einsätzen die unbedingte Schlußfolgerung, daß in allen Einsatzgruppen Gruppenorganisatoren eingesetzt werden. Aufgabe der Gruppenorganisatoren muß es sein, die Gen. Volkspolizisten ständig über die politische Lage zu informieren und sie anhand von praktischen Beispielen zur erhöhten Einsatzbereitschaft zu erziehen. Aufgabe der Gruppenorganisatoren muß es insbesondere sein, jeden Gen. Volkspolizisten seiner Einsatzgruppe persönlich zu kennen, um evtl. Disziplinarvergehen vorzubeugen. Die Parteileitungen der Grundorganisationen müssen öfters zusammentreten, um den gesamten Zustand der Dienststelle zu analysieren und den eingesetzten Gruppenorganisatoren die entsprechenden Hinweise und Argumentationen geben zu können.
Als richtig hat sich erwiesen, daß bei derartigen Großeinsätzen die Einsatzleitungen in den VPKÄ bei der Durchführung von besonderen Maßnahmen bzw. besonderer Schwerpunktbildung durch einen qualifizierten VP-Offizier der BDVP verstärkt werden müssen.
Zur Berichterstattung an die HVDVP wird vorgeschlagen, daß die BDVP nicht nach festgelegten Punkten, sondern jeweils über die Lage und Vorkommnisse in ihrem Bereich in Berichtsform berichten (dieses trifft sinngemäß für die VPKÄ zu). Hierdurch wird auch die dauernde Änderung in der Berichterstattung in Fortfall kommen.
Des weiteren wird vorgeschlagen, daß alle Anweisungen der Hauptabteilungen über Berichterstattungen an die nachgeordneten Dienststellen über die Einsatzleitung der HVDVP geleitet werden, um somit eine doppelte Berichterstattung zu vermeiden. Mit sämtlichen VPKA-Leitern des Bezirkes Neubrandenburg wurde am 27.6.1953 eine Tagung durchgeführt, auf der eine kritische Analyse über den durchgeführten Einsatz gezogen wurde.
Es konnte festgestellt werden, daß besonders in diesem Einsatz nicht alle VP-Helfer die einzelnen Maßnahmen der Volkspolizei verstanden haben. So brachte z.B. der VP-Helfer G. vom VPKA-Neubrandenburg in einer Diskussion zum Ausdruck, daß es nicht richtig wäre, daß durch die Volkspolizei Personen wegen Überschreitung der Sperrzeiten auf Grund des Ausnahmezustandes vorläufig festgehalten und der Kommandantur zugeführt werden.
Es ist daher notwendig, den freiwilligen Helfern von Seiten der Funktionäre in den VPKÄ eine bessere Anleitung zu geben und sie in einer intensiven Schulung schneller und besser zu qualifizieren.
Abschließend muß hervorgehoben werden, daß auf Grund des koordinierten Einsatzes zwischen Volkspolizei, Partei, Dienststelle des Hohen Kommissars, MfS u. KVP es den faschistischen Provokateuren im Bezirk Neubrandenburg nicht gelang, die Bevölkerung zu Demonstrationen und größeren Unruhen aufzuhetzen. Weiter gelang es durch diesen koordinierten Einsatz, eine ganze Reihe von faschistischen Provokateuren zu entlarven und unschädlich zu machen.
(k) Chef der Volkspolizei im Bezirk
- Neubrandenburg -
(Münchow)
VP.-Inspekteur
[Quelle: BArch, DO-1/11.0/304, Bl. 361-373 ( Auszüge); - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe „Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]
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