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Deutsche ZeitBilder, Geschichte der Deutschlandpolitik, Werner Maibaum,
Bonn 1998, (Auszug), S. 28 ff.
Während in der westdeutschen Öffentlichkeit die Diskussion über die bevorstehende Wiederbewaffnung eskalierte, griff die Sowjetunion am 10.März 1952 mit einer Note an die Westmächte in den Konflikt ein. Die "Stalin-Note" enthielt einen Vorschlag zur Lösung der deutschen Frage mit dem Angebot, sofort in Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland einzutreten. Ziel sollte die Schaffung eines einheitlichen und neutralen deutschen Staates sein. In einer ergänzenden Note vom 9. April 1952 wurde die Zustimmung zu freien Wahlen einer gesamtdeutschen Regierung gegeben. Auch in der Frage der Wahlbeobachtung signalisierte die Sowjetunion Entgegenkommen. Die Reaktion Adenauers war spontan negativ, was seine politischen Gegner scharf kritisierten. Sie ignorierten dabei zunächst einmal den formalen Aspekt: Der Bundeskanzler war gar nicht direkt angesprochen. In der Sache selbst waren wegen des Zeitpunktes - der Abschluss der Verhandlungen über die militärische Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem war in greifbare Nähe gerückt - zumindest starke Zweifel angebracht. So wurde die Note zunächst ad acta gelegt und eine Neuordnung der Beziehungen zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik in Angriff genommen. Sie erfolgte durch die Unterzeichnung des "Deutschlandvertrages" am 26. Mai 1952, der seine Gültigkeit nur durch die gleichzeitige Verabschiedung des "Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft" erhalten sollte.
"Deutschlandvertrag vom 26. Mai 1952"
Art. 1 (1) Mit dem Inkrafttreten dieses Vertrages werden die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Französische Republik (in diesem Vertrag und in den Zusatzverträgen auch als "Drei Mächte" bezeichnet) das Besatzungsregime in der Bundesrepublik beenden, das Besatzungsstatut aufheben und die Alliierte Hohe Kommission sowie die Dienststellen der Landeskommissare in der Bundesrepublik auflösen.
(2) Die Bundesrepublik wird demgemäss die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten haben.
Art. 2 Im Hinblick auf die internationale Lage, die bisher die Wiedervereinigung Deutschlands und den Abschluss eines Friedensvertrages verhindert hat, behalten die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung (...)
Art. 4 Die Bundesrepublik ist damit einverstanden, dass vom Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag an Streitkräfte der gleichen Nationalität und Effektivstärke wie zur Zeit dieses Inkrafttretens in der Bundesrepublik stationiert werden dürfen. Im Hinblick auf die in Artikel 1 Absatz (2) dieses Vertrages umschriebene Rechtsstellung der Bundesrepublik und im Hinblick darauf, dass die Drei Mächte gewillt sind, ihre Rechte betreffend die Stationierung von Streitkräften in der Bundesrepublik, soweit diese betroffen ist, nur in vollem Einvernehmen mit der Bundesrepublik auszuüben, wird diese Frage in einem besonderen Vertrag geregelt.
(...)
Art. 7 (1) Die Unterzeichnerstaaten sind darüber einig, dass ein wesentliches Ziel ihrer gemeinsamen Politik eine zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland ist, welche die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden soll. Sie sind weiterhin darüber einig, dass die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu dieser Regelung aufgeschoben werden muss.
(2) Bis zum Abschluss der friedensvertraglichen Regelung werden die Unterzeichnerstaaten zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.
(3) (gestrichen)
(4) Die Drei Mächte werden die Bundesrepublik in allen Angelegenheiten konsultieren, welche die Ausübung ihrer Rechte in bezug auf Deutschland als Ganzes berühren.
(In: Rechtsstellung Deutschlands. Völkerrechtliche Verträge und andere rechtsgestaltende Akte. Hrsgg. von Prof. Dr. Dietrich Rauschning. München 1985 (Beck-Texte im Deutschen Taschenbuch Verlag), S. 5)"
In dieser Zeit bahnte sich in der DDR ein Konflikt der Arbeiterschaft mit der SED-Staatsführung an, der Mitte 1953 zum Ausbruch kommen sollte. Zentraler Streitpunkt war die Anhebung der Arbeitsnormen mit der Absicht, eine Senkung des Nominallohns herbeizuführen.
Als im Organ des FDGB "Tribüne" die strikte Durchführung der Beschlüsse über die Normerhöhungen gefordert wurde, verlagerte sich der Konflikt am 16. Juni auf die Straße. Was als Demonstration in Ostberlin begann, griff nicht zuletzt durch die Berichterstattung des Rundfunks auch auf andere Gebiete in der DDR über und nahm schließlich am 17. Juni den Charakter eines Volksaufstandes an, in dem die Bevölkerung nicht nur gegen die Politik Ulbrichts protestierte, sondern auch der Ruf nach Wiedervereinigung zu hören war.
Ohne die Intervention der sowjetischen Stationierungsstreitkräfte hätte sich zweifellos die "Arbeiter- und Bauernmacht" nicht behaupten können - so konnte sie überleben, doch hatte sie für viele Jahre ihre Autorität verloren. Ulbricht, dessen Machtposition im Vorfeld des 17. Juni gefährdet schien, rette paradoxerweise durch die Krise sein Amt.
"Die SED-Führung und der 17. Juni 1953
Eine ernste Lehre - Nur engste Verbundenheit mit den Massen verhindert Provokation
(In: Neues Deutschland, 17. Juni 1953)
Berlin (Eig. Bericht) Am Dienstag ließ sich ein Teil der Bauarbeiter des demokratischen Sektors von Berlin zu einer Demonstration verleiten, die von den in Westberlin sitzenden Urhebern als Provokation zur Störung der immer stärker werdenden Verständigungsbewegung unter den Deutschen gedacht war. Unsere eigenen Fehler, die unzulässigen administrativen Maßnahmen der Baubetriebsleitungen zur Erhöhung der Normen, die sich in vielen Fällen in direkten Lohnkürzungen für die Bauarbeiter auswirkten, hatten den Provokateuren einen günstigen Boden für ihre Umtriebe geschaffen.
Diese unstatthaften und schädlichen administrativen Methoden zur Erhöhung der Arbeitsnormen traten in den letzten Wochen in vielen Betrieben zutage. Das Politbüro der SED schlug deshalb am gestrigen Tage vor, dass der Beschluss der Regierung vom 28. Mai gemeinsam mit den Gewerkschaften überprüft werden soll, und dass die von den einzelnen Ministerien angeordnete obligatorische Erhöhung der Arbeitsnormen als unrichtig aufzuheben ist.
Die Erregung der Berliner Bauarbeiter über die falsche, teilweise gewalttätige Form der Normenfestsetzung auf zahlreichen Baustellen wurden von den in Westberlin sitzenden Feinden des friedlichen Aufbaus der DDR und im demokratischen Sektor Berlins und ihren Agenten dazu benutzt, einen Teil der Bauarbeiter des demokratischen Sektors von Berlin, teilweise durch üble Methoden der Gewalt und Verhetzung zum Verlassen ihrer Baustellen zu veranlassen.
Aus dieser Demonstration der Bauarbeiter ergeben sich eine Reihe ernster Lehren. Die wichtigste ist: es muss endgültig und radikal Schluss gemacht werden mit jeglicher Methode des Administrierens in der Normenfrage.. Die Forderungen der Bauarbeiter nach Verbesserung der Arbeitsorganisation und nach Überprüfung tatsächlich falsch berechneter Normen müssen unbedingt beachtet werden. Die IG Bau-Holz des FDGB muss sich dabei zum wirklichen Interessenvertreter der Bauarbeiter machen und darf nicht als Anhängsel der Betriebsleitungen auftreten."
Diese Entwicklung in der DDR hat zunächst die weitere Auseinandersetzung mit der "Stalin-Note" im Westen Deutschlands überlagert. Als die Diskussion 1955 wieder aufgenommen wurde, ging es in erster Linie um die Glaubwürdigkeit der sowjetischen Initiative. Antrieb war nicht zuletzt die Grundsatzkritik an der Deutschlandpolitik Adenauers. Gustav Heinemann sprach 1955 von einem Verpassen der letzten Chancen zur Wiedervereinigung und wiederholte diesen Vorwurf noch einmal 1958 zusammen mit Thomas Dehler im Bundestag. Adenauer hat sich gegen solche Vorwürfe nachdrücklich gewehrt, konnte aber nicht verhindern, bei vielen Deutschen in den Geruch von mangelndem Patriotismus zu geraten (...)
Vertrag zwischen der UdSSR und der DDR vom 20. September 1955
Artikel 1
Die vertragschließenden Seiten bestätigen feierlich, dass die Beziehungen zwischen ihnen auf völliger Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung der Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten beruhen.
(...)
Artikel 4
Die zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Abkommen auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik stationierten sowjetischen Truppen verbleiben zeitweilig in der Deutschen Demokratischen Republik mit Zustimmung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu Bedingungen, die durch eine zusätzliche Vereinbarung zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Sowjetunion festgelegt werden.
Die zeitweilig auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik stationierten sowjetischen Truppen werden sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik und in das gesellschaftspolitische Leben des Landes einmischen.
Artikel 5
Zwischen den vertragschließenden Seiten besteht Übereinstimmung darüber, dass es ihr Hauptziel ist, auf dem Wege entsprechender Verhandlungen eine friedliche Regelung für ganz Deutschland herbeizuführen. In Übereinstimmung hiermit werden sie die erforderlichen Anstrengungen für eine friedensvertragliche Regelung und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage unternehmen.
(In: DDR, Dokumente zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik 1945-1985. Hrsgg. von Hermann Weber, München 1986, (Deutscher Taschenbuch Verlag) S. 218 f."
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