Dezember 1952 - Teil 1
In Ostberlin beginnt am 5.12.1952 eine zweitägige Konferenz der Vorsitzenden und Aktivisten der LPG. Es ist die erste dieser Art. Der SED-Chef Walter Ulbricht sowie Staatspräsident Wilhelm Pieck nehmen daran teil. Die Vorbereitungen hierfür liefen den ganzen November über auf Hochtouren. In jeder November-Sitzung des Sekretariats des ZK wurden Konferenzpläne, Direktiven, Arbeitsordnungen, Presseerklärungen und Entwürfe für Musterstatuten besprochen und dazu Beschlüsse gefasst.
In seinem Grundsatzreferat betont Walter Ulbricht die Bedeutung der LPG für den Aufbau des Sozialismus auf dem Lande. Er kündigt großzügige Unterstützungsmaßnahmen dafür an und drückt seine Unzufriedenheit mit dem erreichten Entwicklungsstand aus. Zwar gibt es inzwischen mehr als 1.300 LPG mit rund 37.000 Mitgliedern, aber bei diesen handelt es sich meist um Neubauern oder Landarbeiter. Angesichts der noch großen Zahl an Einzelbauern im Land (ca. 800.000) verlangt der SED-Chef eine Verstärkung des Kollektivierungsdrucks: Jeder, der gegen die Erfüllung des Ablieferungssolls und gegen die LPG auftritt, müsse entschieden bekämpft werden.
Rede Ulbrichts auf der LPG-Konferenz, 6.12.1952 (RIAS-Mitschnitt)
Die sich seit Wochen wiederholenden unverblümten Drohungen gegen die Einzelbauern haben die Landwirtschaft bereits in eine schwierige Lage gebracht. Auf der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED am 8.12.1952 wird in einem Bericht zum Thema Republikflucht auf den hohen Anteil an Bauern unter den Flüchtlingen aufmerksam gemacht. Das Sekretariat des ZK beschließt darauf hin, dass von Seiten des Innenministeriums (MdI) eine Erklärung veröffentlicht wird, die klarstellen soll, "dass Klein- und Mittelbauern durch Vorspielung falscher Tatsachen nach Westberlin und Westdeutschland gelockt wurden." Zudem soll das MdI in der Öffentlichkeit mit Hilfe der Presse und des Rundfunks der Bevölkerung verdeutlichen, "wie feindliche Agenten die Arbeit durchführen und versuchen, qualifizierte Kräfte aus der DDR abzuziehen und wie diese dann in den Flüchtlingslagern in Westdeutschland dem Elend preisgegeben werden."
Ob die Bevölkerung solche Geschichten über Agenten und Elend im Westen glaubt, sei dahingestellt. Allen im Land sind die Engpässe bei der Versorgung zur Genüge bekannt und sie tragen nicht unwesentlich zur Republikflucht bei. Am 8.12.1952 muss Ministerpräsident Otto Grotewohl erneut Versorgungsschwierigkeiten eingestehen. Die Schuldigen findet Grotewohl erneut im Ministerium für Handel und Versorgung und im Ministerium für Leichtindustrie. Die Kritik Grotewohls ist auch bei der Diskussion über das Gesetz zum Volkswirtschaftsplan 1953 in der Volkskammer (17.12.1952) das bestimmende Thema. In einem Redebeitrag zum Gesetzentwurf erklärt eine Referentin, dass der Minister für Leichtindustrie sicher keine Kinder hat, "denn sonst könnte er in der Sorge um unsere Jüngsten, um unseren Nachwuchs nicht vergessen, dass sie Strümpfe, Windeln, Babywäsche, Hosen, Kleider und Mäntel brauchen, und zwar der Jahreszeit angepasst!" Die SED-Spitze bittet wiederholt in Moskau um Hilfe - und Moskau hilft, zwar nicht mit Babywäsche, die gibt es in Moskau auch nicht, dafür aber mit Butter und anderen Lebensmitteln.
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Flucht in den Westen:
Dezember 1952: 16970 Flüchtlinge
LPG-Gründungen:
Dezember 1952: 1335 LPG
Spitze Töne -- "Schreibmaschine und Klavier"
Zucker für Kanonen (RIAS)
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