Mai 1953 - Teil 1
Im Mai 1953 eskaliert der "Kirchenkampf" weiter: Pfarrer und besonders Mitglieder der "Jungen Gemeinde" werden öffentlich als "kriminelle Elemente" gebrandmarkt. FDJ-Mitglieder denunzieren Lehrer und Schüler aufgrund ihrer kirchlichen Sympathien, Aktivitäten oder wegen ihres Glaubens; Verhaftungen und Schulverweise sind die Folge. Am 2.5.1953 stellen der Bischof Otto Dibelius und das Evangelische Kosistortium Berlin-Brandenburg bei der Generalstaatsanwaltschaft der DDR Strafantrag gegen die FDJ-Zeitung "Junge Welt". Die Zeitung hat verleumderisch über die kirchliche Jugendarbeit berichtet.
Über den Kampf gegen die Junge Gemeinde und das Klima in der DDR berichten Claus Krätzner, damals Gymnasiast in Brandenburg a.d.H., und Lieselotte Petrich, die in einem Brief an ihre im Westen lebende Schwägerin schreibt: ≥Wir in der Zone leben jetzt beinahe wirklich wie im Gefängnis.„
Zeitzeugen-Bericht: Brief von Lieselotte Petrich an ihre im Westen lebende Schwägerin, Mai 1953
Zeitzeugen-Bericht von Claus Krätzner
Die SED trachtet danach, die in der Kirche vorhandenen Gegensätze für sich zu nutzen und bereitet ein Gespräch der Partei- und Staatsführung mit ausgewählten Pfarrern vor. Dafür ist eigens eine "Liste fortschrittlicher Pfarrer und Superintendenten" angelegt worden. Bei der Zusammenkunft mit diesen "fortschrittlichen Christen" am 27. Mai versichert Ministerpräsident Otto Grotewohl, dass die freie Religionsausübung in der DDR in keiner Weise behindert werde; verhindert werde jedoch "feindliche politische Agentenarbeit" unter dem Deckmantel der Kirche.
Die Junge Gemeinde bezeichnet Grotewohl als eine "zu bekämpfende Tarnorganisation des US-Imperialismus", Bischof Dibelius als "alten Rassenpolitiker", der die Kirche zu einem Instrument der amerikanischen Politik mache. Die "fortschrittlichen Pfarrer" fordert er auf, für eine neue Kirchenleitung zu sorgen, um das schlechte Verhältnis zur SED zu verbessern.
ZK-Rundschreiben zum Artikel in der "Jungen Welt" vom 17.4.1953, 4.5.1953
Das Präsidium des Ministerrates der Sowjetunion diskutiert am 5. Mai 1953 im engsten Führungskreis erstmalig die kritische Lage in der DDR. Aussenminister Molotow erhält den Auftrag, eine Vorlage zur deutschen Frage zu erarbeiten. Die SED-Führung, von der Moskauer Diskussion ausgeschlossen, ist von der Richtigkeit ihrer Politik und der Lehren Stalins weiterhin überzeugt.
Nach den Aufmärschen zum 1. Mai werden zwei Städte umbenannt. Auf Beschluss vom 5. Mai, dem 135. Geburtstag von Karl Marx, heisst die traditionsreiche sächsische Arbeiterstadt Chemnitz ab dem 10.5.1953 "Karl-Marx-Stadt". Die "erste sozialistische Stadt der DDR" - die Wohnstadt des Eisenhüttenkombinates Ost (EKO) - erhält den Namen "Stalinstadt". Das EKO wird ebenfalls nach Stalin benannt. Darüber hinaus wird die Gründung einer Stalin-Gedenkstätte und eines Museums für die Geschichte des Potsdamer Abkommens in Potsdam (18.5.1953) beschlossen.
Rede Ernst Reuters zum 1. Mai (RIAS Berlin)
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Flucht in den Westen:
Mai 1953: 35.484 Flüchtlinge
LPG-Gründungen:
Mai 1953: ca. 4.500 LPG
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