Oktober 1953 - Teil 1
Am 3. Oktober 1953 endet die Pakethilfsaktion der USA ("Ami-Bettelpakete") für DDR-Bürger. Trotz Behinderungen im Zugverkehr wie der vorübergehenden Einstellung des Verkaufs von Fahrkarten nach Berlin, scharfen Kontrollen an den Sektorengrenzen, Bestrafungen und öffentlicher Brandmarkung haben sich innerhalb von drei Monaten mehr als 5,5 Millionen DDR-Bürger Lebensmittelpakete aus West-Berlin abgeholt. Das Programm wird im Westen einerseits als Erfolg einer psychologischen Strategie eingeschätzt, demonstrierte es doch auf praktische Weise Solidarität mit der DDR-Bevölkerung und setzte es die SED-Führung unter Zugzwang. Die Restabilisierung der Macht der SED hat das Hilfsprogramm freilich nicht verhindern können. Auch deshalb wird andererseits sein propagandistischer Charakter kritisiert, macht es doch auch deutlich, dass psychologische Kriegsführung den sowjetischen Einfluss nicht zurückzudrängen imstande ist und insofern diplomatische Bemühungen nicht nur nicht ersetzen kann, sondern - wie befürchtet wird - auf Dauer eher stört.
Die Wühlarbeit des Klassengegners bei der Deutschen Reichsbahn, 22.10.1953
Abschlußbericht der HVDP über die Bettelpaketaktion vom 26.10.1953
Der Hohe Kommissar der UdSSR in Deutschland zieht im Herbst 1953 in einem Bericht eine strafrechtliche Bilanz der Verhaftungen in Zusammenhang mit dem 17. Juni. Danach sind wegen des Verdachts der Organisation und der Teilnahme "an provokatorischen Aktivitäten" bis zum 5. Oktober 1953 in der DDR insgesamt 7.663 Personen festgenommen worden, von denen 4.393 Personen (= 57 Prozent) wegen fehlender Begründung für die Festnahme wieder freigelassen wurden. Der Staatsanwaltschaft seien Akten von 3.060 Personen vorgelegt worden; wegen mangelnder strafrechtlicher Relevanz seien die Verfahren gegen 1.193 Personen eingestellt worden. Von den 1.791 strafrechtlich belangten Personen seien von DDR-Gerichten 1.240 Personen verurteilt worden; 482 Personen, also 26,9 Prozent, seien freigesprochen bzw. die gegen sie angestrengten Verfahren eingestellt worden. Unter den 1.240 Verurteilten seien 138 (11,1 Prozent) ehemalige Mitglieder nazistischer Organisationen und 23 (1,9 Prozent) Einwohner Westberlins. - Mit diesen statistischen Angaben dementiert der Bericht eindrucksvoll die These vom "Putsch faschistischer Elemente" bzw. "amerikanischer und westdeutscher Agenturzentralen".
Hoher Kommissar der UdSSR, Bericht über die politische und wirtschaftliche Lage der DDR im 3. Quartal 1953
Am 7. Oktober wählt die DDR-Volkskammer Wilhelm Pieck wieder zum Präsidenten der DDR. Otto Grotewohl setzt am Vorabend des 4. Jahrestages der DDR die Politik Adenauers erneut mit der Politik Hitlers gleich. Er macht in seiner Rede deutlich, dass die DDR-Führung Westdeutschland nach einer Einbeziehung in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) nicht als friedliebenden Staat betrachten könne und die Wiedervereinigung auf dieser Grundlage unmöglich sei. Zudem äußert er sich über den 17. Juni 1953 und klagt "die amerikanischen und die deutschen Imperialisten" an, dass sie im Juni versucht hatten, die Regierung der DDR gewaltsam zu stürzen.
Ausschnitte aus der Rede Otto Grotewohls zum 4. Jahrestag der DDR, 6.10. 1953 (DDR-Rundfunk)
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Flucht in den Westen:
Oktober 1953: 22.032 Flüchtlinge
LPG-Gründungen:
Oktober 1953: 4.751 LPG
Streikberichte der HVDVP
Spitze Töne - Pinsel und Schnorchel
Pinsel und Schnorchel und die Beitragsüberprüfung beim FDGB (RIAS Berlin, 16.10.1953)
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