August 1953 - Teil 4
Gemäß eines Ministerratsbeschlusses vom 23. Juli 1953 zur Umgestaltung der Befehlsstrukturen der bewaffneten Organe erhält die Kasernierte Volkspolizei (KVP) eine zentrale Führung. Damit stehen die VP-Land, VP-See und VP-Luft unter einheitlicher Befehlsgewalt. An Moskau richtet die SED-Führung die Bitte um Unterstützung bei der Bewaffnung. Das SED-Politbüro beschließt am 12. August zudem den Umbau des ZK-Apparates: die bisherige Militär-Abteilung wird in eine ZK-Abteilung für Sicherheitsfragen umgewandelt, der die Anleitung aller bewaffneten Organe obliegt.
Verhandlungen der DDR-Regierung unter Leitung von Ministerpräsident Otto Grotewohl in Moskau vom 20. bis 22. August führen zu einer Reihe von Erleichterungen des sowjetischen Besatzungsregimes in der DDR: Die Sowjetunion erlässt der DDR zum 1. Januar 1954 alle Reparationsleistungen. Zum gleichen Datum sollen die noch verbliebenen 33 SAG-Betriebe - mit Ausnahme des Uranunternehmens "Wismut" - der DDR zurückgegeben werden. Die Stationierungskosten für die Rote Armee in der DDR sollen auf fünf Prozent der Einnahmen des DDR-Staatshaushaltes begrenzt werden. Zugleich gewährt die Sowjetunion der DDR einen Kredit von knapp einer halben Milliarde Rubel. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die SBZ/DDR die höchsten im 20. Jahrhundert bekannt gewordenen Reparationsleistungen erbringen müssen.
Der sowjetischen Abschlußrechnung vom Sommer 1953 ist gleichwohl zu entnehmen, dass die SBZ/DDR mit 10 Milliarden Dollar (zu Preisen von 1938) weit weniger gezahlt haben soll als ursprünglich gefordert wurde. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen jedoch, dass der Osten Deutschlands stärker bluten musste; die Minimalschätzung aller Reparationsleistungen liegt bei 14 Milliarden Dollar (zu Preisen von 1938). Zudem lassen sich einige Nebenfolgen der SBZ/DDR-Reparationsleistungen an die Sowjetunion wie die Umwelt-Langzeitschäden des Uranbergbaus für die DDR, die Verluste des Technologietransfers sowie die durch die Reparationsproduktion bewirkten wirtschaftlichen Verzerrungen der Industriestruktur nicht in Geld ausdrücken.
Verlesung des Kommuniqués und Protokolls über die Verhandlungen in Moskau im DDR-Rundfunk, 23.8.1953
Walter Ulbricht über die Reparations-Verhandlungen in Moskau auf dem Marx-Engels-Platz, 26.8.1953 (DDR-Rundfunk)
Artikel über die "Bedeutsamen Verhandlungsergebnisse in Moskau", TR 25.8.1953
Das Bezirksgericht Magdeburg verurteilt am 25. August den 41jährigen Gärtner Ernst Jennrich wegen Beteiligung an der Erstürmung eines Gefängnisgebäudes am 17. Juni in Magdeburg-Sudenburg zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe. Der Anklageschrift zufolge soll Jennrich einen VP-Angehörigen mit einem gezielten Schuß getötet haben. Mangels Beweisen folgt das Gericht jedoch dem staatsanwaltschaftlichen Antrag auf Verhängung der Todesstrafe nicht. Auf Einspruch und Anweisung des Obersten Gerichts erkennen dieselben Richter, die das erste Urteil gefällt hatten, ohne neue Beweisaufnahme am 6. Oktober 1953 auf Todesstrafe. Die Hinrichtung erfolgt am 20. März 1954 durch das Fallbeil und wird im Bestattungsschein verschleiert. Darin werden "Pneumonie" und "akute Kreislaufinsuffzienz" als Todesursachen angegeben. Das Terrorurteil der SED-Rachejustiz wird am 20. August 1991 aufgehoben und Ernst Jennrich posthum freigesprochen und rehabilitiert.
Mit der Anschuldigung Konrad Adenauers, die SPD übe "Verrat am deutschen Volk", treibt der Bundestagswahlkampf am 30. August auf einen Höhepunkt. Die SPD-Abgeordneten Fritz Erler, Willi Eichler und Fritz Heine hatten zuvor auf einer Pressekonferenz erklärt, daß eine im Einverständnis mit den Vier Mächten nach freien Wahlen gebildete gesamtdeutsche Regierung mit der "Hypothek" belastet werden könne, sich zugunsten der Wiedervereinigung auf Neutralität zu verpflichten.
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