August 1953 - Teil 3
Die Säuberungsaktionen in der SED gehen weiter: So wird etwa am 8. August Hans Jendretzky, der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, wegen "objektiver Unterstützung der parteifeindlichen Fraktion Zaisser/Herrnstadt" aus seinem Amt entfernt.
In einem Schreiben an Hermann Matern, den Vorsitzenden der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) der SED, bezichtigt sich Rudolf Herrnstadt selbst, dass er "eine gegen die Einheit der Partei und der Parteiführung gerichtete Linie vertreten" habe. Niemals hätten er und auch nicht Wilhelm Zaisser jedoch daran gedacht, "die Parteiführung (zu) erobern und den proletarischen Führungskern (zu) verdrängen".
Bereits im Dezember 1953 widerruft Herrnstadt seine unter Druck entstandene Erklärung.
RIAS-Reportage über die Absetzung weiterer SED-Funktionäre, 11.8.1953 (RIAS Berlin)
Rudolf Herrnstadt, Schreiben an Hermann Matern, 31.8.1953
Auch in Massenorganisationen wie dem FDGB werden Schuldige gesucht, ein Fraktionskampf konstruiert und hochrangige Funktionäre abgestraft. Erstes Opfer wird der IG-Metall-Vorsitzende Hans Schmidt, der am 10. August wegen seines "opportunistischen Zurückweichens" abgelöst wird. Der Juli-Streik im VEB Carl Zeiss Jena wird ihm persönlich angelastet. Er habe vor den "faschistischen Provokateuren" eine "versöhnlerische, kapitulantenhafte Haltung" gezeigt, nicht die führende Rolle der Partei akzeptiert und die Gewerkschaft über den Staatsapparat gestellt, heißt es auf einer FDGB-Bundesvorstandssitzung, die vom 13. bis 15. August in Ost-Berlin stattfindet. In der Diskussion droht Walter Ulbricht, Mitglied des FDGB-Bundesvorstandes, Schmidt und seinen vermuteten Gesinnungsgenossen: "Wir werden Euch schon noch lernen, wie man Gewerkschaftsarbeit durchführt! Das geht so nicht weiter. Das ist unmöglich."
Hans-Hermann Hertle, Der FDGB und der 17. Juni 1953
Ab 15. August 1953 beginnen die an der Aufnahme beteiligten Dienste und
Organisationen ihre Tätigkeit im Notaufnahmelager Marienfelde. Bis dahin
sind die Anlaufstellen für in Berlin ankommende Flüchtlinge an
verschiedenen Standorten in West-Berlin verteilt: Kuno-Fischer-Straße
(Meldestelle), Messehallen (polizeiliche Anmeldung), Kaiserdamm (Alliierte
Sichtungsstellen), Kaiserdamm/Meerscheidstraße (Bundesnotaufnahme),
Fehrbelliner Platz (Lagereinweisung). Das Aufnahmeverfahren dauerte 1952
im Durchschnitt vier Wochen. Durch Zusammenfassen aller beteiligten
Dienststellen und Organisationen an einem Ort soll das Aufnahmeverfahren
überschaubarer gestaltet und die Durchlaufzeit verkürzt werden. Die
schnelle Weiterreise der Flüchtlinge in das Bundesgebiet soll Einsparungen
bei Fürsorge- und Verwaltungsleistungen erbringen. Für die Flüchtlinge
können jetzt in Marienfelde erstmalig alle zur Eingliederung notwendigen
Schritte aufeinander abgestimmt durchgeführt werden.
Vor dem Obersten Sowjet gibt Ministerpräsident Malenkow am 8. August bekannt, daß "die Vereinigten Staaten nicht mehr das Monopol zur Produktion der Wasserstoffbombe haben". Vier Tage später gelingt der Test der ersten einsatzfähigen Wasserstoffbombe der Welt in Semipalatinsk. In seiner Rede kündigt Malenkow zugleich ein umfangreiches wirtschaftspolitisches Reformprogramm an, daß zur Verbesserung der Versorgungslage in der Sowjetunion beitragen soll. Moskau scheint die Lektion des 17. Juni 1953 in der DDR ernst zu nehmen und will offenbar ähnlichen Entwicklungen im eigenen Land vorbeugen. Mögliche Nachahmer des DDR-Aufstandes warnt Malenkow mit dem Hinweis, daß es die "Kaltblütigkeit und Standhaftigkeit" der Sowjetunion gewesen sei, die das Schlimmste verhindert habe. Die "Liquidierung des Berliner Abenteuers" sei ein Sieg für die Sache des Friedens.
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