Juli 1953 - Teil 5
Maron resümiert den gesamten Einsatz der Deutschen Volkspolizei während der Unruhen aus der Sicht der VP-Führung. Das Einsatzverhalten der Volkspolizisten, ihre Einsatzmoral sowie die Führung der Polizeieinheiten auf der mittleren Leitungsebene werden kritisch analysiert. Bezeichnenderweise nimmt sich der Chef der Volkspolizei selbst einschliesslich seines gesamten Führungsapparates, der HVDVP, völlig aus der Kritik, obwohl von einer zentralen Führung insbesondere am 17. Juni nicht gesprochen und erst in den Nachmittagsstunden, nach dem Eingreifen der "Freunde", der sowjetischen Besatzungstruppen, allmählich eine hinreichende Informations- und Befehlslage sichergestellt werden konnte.
Rede von Karl Maron, Chef der DVP,17.7.1953
Im Zusammenspiel mit der Bundesregierung setzen die Vereinigten Staaten Moskau und Ost-Berlin unter Druck: Am 10. Juli unterbreitet die amerikanische Regierung den Sowjets in Moskau das Angebot, der notleidenden Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone eine Lebensmittelhilfe zukommen zu lassen, die die Sowjets als zuständige Besatzungsmacht verteilen könnten. Der sowjetische Außenminister Molotow lehnt das Angebot - von westlicher Seite zugleich humanitär gemeint und als Maßnahme der psychologischen Kriegsführung gedacht - tags darauf als Propagandamanöver ab. Die Vereinigten Staaten erklären darauf hin, daß sich die ostdeutsche Bevölkerung die Hilfe in Form von Lebensmittelpaketen in West-Berlin abholen könne. Ernst Reuter gibt diesen Beschluß am 17. Juli bekannt. Das halbe Land ist in den kommenden Wochen nach West-Berlin unterwegs.
Die Sowjetunion versucht, mit eigenen Hilfsgütertransporten für die ostdeutsche Bevölkerung dieser Entwicklung gegenzusteuern; auch die DDR-Führung beschließt, Milliardenbeträge in den konsumtiven Bereich umzulenken. Eine Steuerveränderungsverordnung (vom 23. Juli 1953) verbessert zudem die Produktionsbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmer, für das Handwerk und die bäuerliche Privatwirtschaft. Währenddessen läuft das Paketprogramm des Westens mit großem Erfolg an. Die SED-Propaganda reagiert wütend.
Kommentar von Karl-Eduard von Schnitzler zu den amerikanischen Paketlieferungen, 19.7.1953 (DDR-Rundfunk)
Lebensmittelhilfe für die Bewohner der DDR, 27.7.1953 (RIAS Berlin)
SED-ZK, Information an Genossen Grotewohl über die Paketaktion in Westberlin, 29.7.1953
In einem geheimen Sonderreport vom 24. Juli 1953 beschäftigt sich die CIA mit den Auswirkungen der jüngsten inneren Entwicklungen Ostdeutschlands auf die sowjetische Deutschlandpolitik. Die Arbeiterrevolte gegen eine "Arbeiterregierung" sei ein Rückschlag für die weltweite kommunistische Propaganda, heißt es darin. Gleichwohl wird es für unwahrscheinlich gehalten, daß die Sowjetunion irgendeiner Lösung der deutschen Frage zustimmen werde, die für sie mit dem Verlust der Kontrolle über die DDR verbunden sei.
CIA, Probable Effect of Recent Developments in Eastern Germany on Soviet Policy, 24.7.1953
Otto Dibelius, evangelischer Bischof von Berlin-Brandenburg, warnt die Bundesregierung in einem Gespräch mit dem Leiter der Berliner Dienststelle des Auswärtigen Amtes, Erich Meynen, vor einer Unterschätzung der sowjetrussischen Macht. "Letzten Endes", so Dibelius, "sei Sowjetrußland unbesiegbar - ebenso wie die USA."
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