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März 1953 - Teil 3
Nach dem Tod Stalins fürchtet die SED-Führung politische Unruhen in der DDR. Das Stimmungs- und Meinungsbild der Bevölkerung wird deshalb in den nächsten Wochen besonders intensiv erfasst. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Kirche. SED und Staatssicherheit schicken Beobachter in die Gottesdienste, die anschließend ausführliche Berichte abliefern. Danach haben sich viele Pfarrer in ihren Predigten am 8. und 15. März mit der Rolle Stalins und der Unzufriedenheit im Lande befasst und sich gegen den verschärften Sozialismuskurs ausgesprochen. Indirekt vergleichen sie Stalin mit Hitler bzw. die SED-Herrschaft mit dem NS-Regime. Zudem haben sie den Vorwurf zurückgewiesen, dass in der Kirche "Verbrecher" und "feindliche Elemente" erzogen würden. Die zuständige ZK-Abteilung kommt zu dem Ergebnis: "Diese feindlichen Elemente (die Pfarrer, d. Hg.) benutzten die Tage der Trauer dazu, um in versteckter Form gegen unsere Ordnung sowie gegen die Sowjetunion zu hetzen und durch eindringliche Hinweise die Kirchenbesucher zur Verstärkung ihrer Aktivitäten aufzufordern."
Die mit dem Tod Stalins eingetretene neue Lage in der sowjetischen Partei- und Staatsführung beschäftigt auch den Westen. In Bonner Regierungskreisen kursiert Mitte März eine Einschätzung, die der bundesdeutsche Botschafter in Belgrad, Hans Kroll, aus seinen Gesprächen mit hochrangigen jugoslawischen Politikern gewonnen hat. Die jugoslawischen Kommunisten erwarten danach einen internen Machtkampf zwischen Malenkow und Berija um die Spitzenposition und als Folge eine Schwächung des sowjetischen Einflusses in den Satellitenstaaten. Zugleich halten sie es jedoch für falsch, so Kroll in seinem Schreiben vom 12. März, "wenn man sich durch diese Entwicklung dazu verleiten ließe, vom Westen aus irgendwelche überstürzten Aktionen in den Satellitenstaaten zur Unterstützung der dortigen Widerstandsbewegungen zu unternehmen. Das einzige, was man tun könne, sei eine geschickte Aufklärungspropaganda."
Schreiben des bundesrepublikanischen Botschafters in Jugoslawien, Hans Kroll, an das Auswärtige Amt, 12.3.1953
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Welche außenpolitischen Befürchtungen der Tod Stalins in der Bundesrepublik auslöst, zeigt ein Dementi des britischen Aussenministeriums vom 19. März: Kommentare in der westdeutschen Presse, der britische Aussenminister Anthony Eden sei gegen die deutsche Vereinigung, entbehrten jeder Grundlage, heisst es aus London. Auch die Behauptung, Grossbritannien und Frankreich hätten sich mit der Sowjetunion auf eine Fortsetzung der Teilung Deutschlands verständigt, sei "ein völlig absurdes und lächerliches Phantasiegebilde". Die britische Regierung stehe zu ihren vertraglichen Verpflichtungen und Versprechen gegenüber Bonn.
Am Tag des Dementi verabschiedet der Deutsche Bundestag in dritter Lesung gegen die Stimmen der Opposition den Deutschland- und den EVG-Vertrag.
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