5. Juni 1953 (Freitag)
Die SED-Delegation unter Leitung von Walter Ulbricht kehrt nach Ostberlin zurück. Sie wird vom Hohen Kommissar Semjonow und vom neuen Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen Truppen in Deutschland, Generaloberst Gretschko, begleitet. Die in Moskau beschlossenen "Maßnahmen zur Gesundung" verpflichten Semjonow und Gretschko unter anderem dazu, in der DDR die Mängel des sowjetischen Besatzungsregimes zu beseitigen und Maßnahmen einzuleiten, damit die sowjetischen Besatzungstruppen - rd. 400.000 Mann - möglichst nicht mehr in die direkten Interessen der deutschen Zivilbevölkerung eingreifen.
Meldung über Eintreffen von Semjonow, ND 6.6.1953
Unmittelbar nach der Rückkehr der SED-Delegation findet eine außerordentliche Politbürositzung im Beisein des sowjetischen Hohen Kommissars statt. Ulbricht und Grotewohl legen das Grundsatzpapier "Über Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR" vor und informieren über die Gespräche in Moskau.
Über die Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR (handschriftlich überarbeitet von Fred Oelßner
Über die Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR
Im SED-Politbüro beginnt die Umsetzung der Moskauer Vorgaben. Als erstes wird die Bildung von sechs Kommissionen für die Bereiche Industrie, Finanzen, Landwirtschaft, Versorgung, Rechtsfragen sowie Intelligenz/Schulfragen beschlossen. Damit folgt das Politbüro dem vorgegebenen Themenkatalog und schafft die Basis für die Erarbeitung beschlussfähiger Vorlagen. Ein entscheidender Diskussionspunkt, die Aussprache über den Reisebericht, wird auf den nächsten Tag verschoben.
Pressestimmen West:
Erich Dombrowski gibt in seinem Kommentar "Kein Wegweiser an der Straßenkreuzung?" in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" einen Überblick über die allgemeine globale Situation: "Die weltpolitische Lage sieht nicht gerade heiter aus. Frost im Juni. Der Himmel voller Wolken. Es geht, wortwörtlich, im Kalten Krieg so etwas wie eine Auseinandersetzung vor sich. Es ist physikalisch ausgedrückt, ein abwechselnder Anziehungs- und Abstoßungsprozeß, der sich vor unseren Augen zwischen Ost und West abspielt. Das Ende ist noch nicht abzusehen. Wir werden uns mit asiatischer Geduld wappnen müssen. Die beiden Parteien, besser: die beiden Welten tasten noch immer einander ab. Churchill schlug nicht zuletzt deshalb eine Viermächtekonferenz vor, um überhaupt erst einmal die Atmosphäre zu klären, das heißt festzustellen, wer nun eigentlich den Kurs in Rußland, nach dem Tode Stalins, zu bestimmen hat. Bisher kann man nur aus manchen Plötzlichkeiten, Lockerungen hier und Versteifungen da, schließen, daß über die eigentliche Führung der Politik noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Als Folge davon machen sich in den großen Randgebieten des Kommunismus, drüben in China, hüben in der Tschechoslowakei, um nur diese beiden Beispiele zu nennen, gewisse aufbegehrende Regungen bemerkbar. Die Emigration der unterdrückten Völker im Auslande schließt sich, alle Parteiungen beiseite schiebend, zusammen. Man rührt sich auffallend."
Pressestimmen Ost:
"Eine große, unermeßliche Kraft im Friedenskampf" betitelt das "Neue Deutschland" seinen Kommentar zum beginnenden Weltkongreß der Frauen in Kopenhagen: "Auf dem gewaltigen Frauenkongreß ist auch eine Delegation Gesamtdeutschlands vertreten. Die in Berlin durchgeführte Deutsche Frauenkonferenz war ein deutlicher Ausdruck dafür, zu welch einer starken Kraft im Kampf für den Frieden und die nationale Wiedervereinigung Deutschlands die Frauen unseres Volkes herangewachsen sind. So wie die westdeutschen Friedenskämpferinnen unserem Volke viele hervorragende Beispiele des entschlossenen und mutigen Kampfes gegen die Kriegspolitik Adenauers und seiner Militärkamarilla gegeben haben, ebenso großartig sind die vielen patriotischen Taten der Frauen der Deutschen Demokratischen Republik, die in den vordersten Reihen unseres friedlichen Aufbaus stehen."
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