16. Juni 1953 - Teil 1
Am Morgen des 16. Juni 1953 erscheint im Gewerkschaftsblatt "Tribüne" ein Artikel von Otto Lehmann, der die beschlossene zehnprozentige Normerhöhung ausdrücklich rechtfertigt: "Die Beschlüsse über die Erhöhung der Normen sind in vollem Umfang richtig."
Fünf Wochen im Sommer 1953: Der FDGB und der 17. Juni 1953
Zeitzeugen-Bericht von Berthold Falkenthal, damals Maurer beim VEB Bau
Diese Worte ausgerechnet des stellvertretenden FDGB-Vorsitzenden bringen das Faß endgültig zum Überlaufen. Schon am Tag zuvor hatten die Bauarbeiter auf einigen Baustellen in der Stalinallee gestreikt und Versammlungen abgehalten. Den SED- und FDGB-Funktionären war dabei bereits klar geworden, daß die Woche "heiß" werden könnte. Doch wie "heiß" sie werden würde, ahnt am Morgen des 16. Juni noch keiner: weder in Ost- noch in West-Berlin, weder in Moskau, Washington oder Bonn.
Nach hitzigen Diskussionen zwischen Bauarbeitern auf der einen sowie SED- und FDGB-Funktionären auf der anderen Seite formieren sich Demonstrationszüge zuerst in der Stalinallee und von der Baustelle des Krankenhauses Friedrichshain aus. Die Demonstranten fordern die Senkung der Normen und rufen im Chor: "Kollegen reiht Euch ein, wir wollen freie Menschen sein!"
Der Demonstrationszug bewegt sich ab 10.25 Uhr von der Stalinallee in Richtung Ostberliner Stadtzentrum. Auf dem Wege dorthin werden aus einigen hundert schnell mehrere tausend Menschen. Neben dem Hauptzug sind zudem noch weitere Demonstrationszüge bzw. Gruppen von Menschen zwischen Stalinallee und Brandenburger Tor unterwegs.
PdVP Berlin, Lagebericht Nr. 167 des Operativstabes PdVP vom 16./17. Juni 1953
Zeitzeugen-Bericht von Lutz Rackow, damals Journalist
In den Mittagstunden verbreitet der DDR-Rundfunk eine Erklärung des SED-Politbüros. Der Beschluß, die Erhöhung der Arbeitsnormen auf administrativem Wege durchzuführen, sei "völlig falsch", heißt es darin. Das Politbüro schlage der Regierung vor, ihn als unrichtig aufzuheben. Die Arbeiter werden aufgefordert, "sich um die Partei und um die Regierung zusammenzuschließen, um die feindlichen Provokateure zu entlarven, welche versuchen, Unstimmigkeiten und Verwirrung in die Reihen der Arbeiterklasse hineinzutragen."
Erklärung des SED-Politbüros zur Normenfrage (DDR-Rundfunk) 16.6.1953
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