24. Juni 1953 (Mittwoch)
Um 6.00 Uhr früh befinden sich aufgrund des 17. Juni 1953 3.120 Menschen in den Haftanstalten des MfS. Die Volkspolizei meldet 1.891 festgenommene und verhaftete Personen. Insgesamt sind damit bisher mehr als 5.000 Menschen in Zusammenhang mit dem 17. Juni inhaftiert worden.
Im RIAS wird die Freilassung aller im Zusammenhang mit dem 17. Juni Inhaftierten gefordert.
Forderung nach Freilassung der Gefangenen (Werktag der Zone), 24.6.1953 (RIAS Berlin)
Seit dem gestrigen Tage sind die Mitglieder und Kandidaten des SED-Politbüros auf sowjetische Anweisung und Beschluss des SED-ZK in den Schwerpunktbetrieben im Land aktiv. Mit einer Mischung von "selbstkritischen" und drohenden Stellungnahmen sollen die Arbeiter ruhig gestellt werden. Otto Grotewohl spricht in dem nach ihm benannten Braunkohlenkombinat in Böhlen. Fred Oelßner versucht die Waggonbauer in Ammendorf zu agitieren. Walter Ulbricht redet vor den Beschäftigten der Leuna-Werke. Im DDR-Rundfunk wird die erste Rede Walter Ulbrichts nach dem 17. Juni 1953 im VEB Großdrehmaschinenbau "7. Oktober" (früher Niles-Werke) in Berlin Weißensee vom Vortage landesweit ausgestrahlt. Hinsichtlich der Maßnahmen der SED-Führung äußert ein Arbeiter bei der Diskussion mit Ulbricht: "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube."
Rede von Walter Ulbrichts im VEB Großmaschinenbau "7. Oktober" am 23.6.1953 (DDR-Rundfunk), 24.6.1953
Rede von Otto Grotewohl in Böhlen am 24.6.1953 (DDR-Rundfunk), 25.6.1953
"Offene Aussprache zwischen Werktätigen und Partei", TR. 26.6.1953
In der Staatlichen Plankommission häufen sich derweil warnende Stimmen. Sie machen auf eine ernste Gefahr infolge der Durchsetzung des Neuen Kurses aufmerksam. Die angekündigten Einschränkungen in der zuvor bevorzugt geförderten Schwerindustrie lassen schon am Ende des nächsten Monats die "Freistellungen von Arbeitskräften" in größerem Ausmaß befürchten. In der augenblicklichen politischen Situation, so heisst es in einem internen Schreiben an den Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission, bedeuteten diese Arbeitssuchenden "eine sehr ernste Gefahr".
Schreiben von Staatssekretär Malter an den Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission, Bruno Leuschner, 24.6.1953
Erstmals nehmen Mitglieder der Regierung, der Stellvertretende Ministerpräsident Paul Scholz und der Minister für Land- und Forstwirtschaft, Hans Reichelt, öffentlich zur Bedeutung des "Neuen Kurses" in der Landwirtschaft Stellung. Sie bestätigen dessen Inhalt, verweisen jedoch mit Nachdruck darauf, dass der Fortbestand von LPG dadurch nicht in Frage gestellt werde. Zuvor hatte es erhebliche Unruhe und zum Teil auch Bestürzung gegeben, weil vielfach die Meinung in der Landbevölkerung vertreten wurde, dass mit der Verkündung des "Neuen Kurses" am 11. Juni alle LPG wieder aufgelöst werden würden.
Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Situationsbericht über die LPG, 24.6.1953
Im britischen Unterhaus wird die Antwort von Premierminister Churchill auf die Botschaft der Bundesregierung bekannt gegeben. Churchill versichert Adenauer, dass Großbritannien voll hinter der Bundesrepublik steht. Die Regierung Ihrer Majestät sei entschlossen, heißt es in dem Schreiben, "sich treulichst im Geiste und im Buchstaben an unsere Abkommen mit Westdeutschland zu halten; Westdeutschland wird in keiner Weise geopfert werden, noch wird es aufhören, im Rahmen der Abkommen, die wir und die anderen NATO-Staaten mit ihm geschlossen haben, Herr seines Geschicks zu sein."
Antwort Winston Churchills an Bundeskanzler Konrad Adenauer, 24.6.1953
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