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9. Juni 1953 (Dienstag)

Im Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf treten rund 2.000 Belegschaftsmitglieder in einen Streik gegen die Normerhöhungen. Die Werksleitung stellt 1.000 Ostmark Prämie für die Benennung von "Rädelsführern" in Aussicht. Fünf Streikende werden von der Staatssicherheit verhaftet.

Das SED-Politbüro kommt in Anwesenheit des sowjetischen Hohen Kommissars Semjonow zu einer weiteren außerordentlichen Sitzung zusammen. Haupttagesordnungspunkt ist die Diskussion über die Vorlagen der vom Politbüro eingesetzten Kommissionen. Insgesamt werden 16 Maßnahmen diskutiert und hierzu Beschlüsse gefasst: Sofortmaßnahmen auf dem Gebiet des Schulwesens und der Intelligenz, der Finanzen, der Sozialversicherung, der Kirche und konfessionellen Krankenhäuser, der Lebensmittelversorgung, der Landwirtschaft, der Republikflucht, des Grenzregimes, des Eigentums, der Gefangenfrage und des Schicksals von Verurteilten sowie der Warenkontrolle an den Grenzstellen zu Westberlin. Zudem ist der Geburtstag Walter Ulbrichts Diskussionsthema. Beschlossen wird in diesem Zusammenhang die Revidierung des Geburtstagsprogramms für den SED-Chef. Unter Punkt 2 des Beschlusses heißt es: "Die Benennung von Betrieben, Institutionen, Strassen usw. nach lebenden Genossen soll in Zukunft unterbleiben."

Auszüge aus dem Protokoll der Politbüro-Sitzung vom 9.6.1953

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Der Chefredakteur des "Neuen Deutschland", Rudolf Herrnstadt, wird mit der Abfassung eines "Kommuniqué des Politbüros" beauftragt, das am 11.6.1953 veröffentlicht werden soll.

Zur gleichen Zeit tagt das Bundeskabinett in Bonn. Zur Diskussion steht neben einer Reihe ganz unterschiedlicher Themen auch der außenpolitische Vorstoß des SPD-Vorsitzenden Ollenhauer in einer Pressekonferenz am Vortage. Hinsichtlich der Schaffung des Amtes eines sowjetischen Hohen Kommissars erklärte Ollenhauer, "dass die Sowjetunion, wenn sie jetzt auf diese Weise in Kontakt mit den drei westlichen Besatzungsmächten kommen will, gar keine andere gemeinsame vertragliche Basis mit den drei westlichen Besatzungsmächten hat als eben das Potsdamer Abkommen, und das ist durchaus keine so erschreckende oder abschreckende Angelegenheit." Adenauer ist über diesen Vorstoß der SPD verärgert und beunruhigt. In der Kabinettssitzung stellt er klar, dass sich die vier Großmächte auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens ohne Deutschland über Deutschland verständigen könnten. Der Potsdamer Vertrag, so Adenauer, läuft "den elementarsten deutschen Lebensinteressen" zuwider.

Adenauer kritisiert während der Sitzung auch einen Rundfunkbericht des NWDR über sein Gespräch mit Churchill Mitte Mai 1953. Der Bundeskanzler bemerkt dazu, "dass die hierin enthaltenen Ausführungen in vollem Umfang erdichtet seien und offensichtlich die Absicht verfolgen, die deutsch/britischen und deutsch/amerikanischen Beziehungen zu stören." Adenauer fordert, dass beim NWDR Einspruch erhoben wird und die rechtlichen Möglichkeiten geprüft werden, um gegen "eine derartige politische Brunnenvergiftung" vorzugehen.

Auszüge aus dem Protokoll der Kabinettsitzung, 9.6.1953

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Die SPD-Fraktion nimmt den Vorschlag ihres Parteivorsitzenden Ollenhauer vom 8.6.1953 auf und stellt einen Antrag im Bundestag, die Bundesregierung zu ersuchen, sich für Viermächteverhandlungen über Deutschland auszusprechen. Darüber hinaus regt die SPD Verhandlungen der vier Hochkommissare zur Überwindung der Nahrungsmittelknappheit in der DDR an.

Pressestimmen West:

"Gerechte Richter" wünscht sich der Berliner "Telegraf" anläßlich der Eröffnung zweier hoher Gerichte in Berlin: "Das Bundesverwaltungsgericht als oberstes Gericht zum Schutze der Bürger vor Behördenwillkür, und der Bundesdisziplinarhof als die höchste Instanz, dem die Sorge für die Sauberkeit der Beamtenschaft, aber auch für den Schutz des einzelnen Beamten gegen jegliche Willkür obliegt, sind zwei wesentliche Organe des Rechtsstaates. Ihre höchstrichterliche Rechtsprechung wird nicht nur die rechtsstaatliche Entwicklung der Bundesrepublik beeinflussen, sondern kann auch in hohem Maße mithelfen, bei den Menschen der Sowjetzone das rechtsstaatliche Denken und den Impuls zur Wiederherstellung einer rechtsstaatlichen Ordnung in allen Teilen Deutschlands wachzuhalten."

Pressestimmen Ost:

Das "Neue Deutschland" beschäftigt sich mit "Lehren der Lohnkämpfe in Westberlin": "Die von den westberliner Arbeitern einheitlich geführten Kämpfe um höhere Löhne, gegen die Brot- und Mietpreiserhöhungen, ihre Demonstrationen gegen Adenauers und Reuters Remilitarisierungs- und Faschisierungspolitik sind Teile des großen Ringens unseres Volkes gegen eine neue Kriegspolitik auf deutschem Boden, für eine friedliche Lösung der deutschen Frage. Denn jeder Kampf gegen die Verschlechterungen des Lebens erschüttert das westberliner "Frontstadt"-System, entzieht den Kriegspolitikern Mittel und Möglichkeiten zur Fortsetzung ihrer verderblichen Politik."



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