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19. Juni 1953 (Freitag) - Presseschau

Pressestimmen West:

Das "Hamburger Echo" geht in seinem Kommentar ("Terror und Schwäche") auf die Erschütterung der Macht im sowjetischen Einflußbereich ein: "Die moralische Stärke der freien Welt ist durch die Haltung der Bevölkerung Ostberlins und der Zone gewaltig gewachsen. Es war der kleine Mann von der Straße, der sie vollbrachte, der sich gegen die Unterdrücker empörte, ohne an die Folgen für sich, ohne aber auch daran zu denken, daß er der ganzen Welt einen unschätzbaren Dienst erwies. Aufgabe der Politiker ist es, das politische Kapital, das daraus entstanden ist, zu nutzen. Alles muß versucht werden, dem Terror, der Not und der Unterdrückung in der sowjetischen Zone ein Ende zu bereiten."

Die Berliner "Neue Zeitung" sieht die Leistung der Demonstranten vor allem darin, "die endgültige Widerlegung der Legende vom Arbeiterparadies hinter dem Eisernen Vorhang" erreicht zu haben: "Ein System, das behauptet, für die Interessen der Werktätigen in aller Welt zu kämpfen, ist mit Panzern, Kanonen und Gewehren gegen die Arbeiter vorgegangen. Not und Unglück hat der Kommunismus als seine natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die freie Welt betrachtet. Diese Verbündeten sind ihm im eigenen Machtbereich zu einem Todfeind geworden. Nur berechtigte Empörung, nur das Bewusstsein, betrogen und belogen zu werden, und nur der brennende Wunsch, endlich frei zu werden von dem acht Jahre ertragenen Terror, konnten den Demonstranten den Mut und die Kraft geben, trotz der bereitstehenden Vopos und trotz der aufmarschierenden sowjetischen Streitkräfte mit dem sowjetzonalen Regime in der Leipziger Straße abzurechnen."

Paul Sethe beschäftigt sich in seinem Kommentar "Dürfen wir hoffen?" in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit der seit längerem existierenden Verunsicherung des Kreises um Pieck und Grotewohl: "Der neue Botschafter [Semjonow] befahl ihnen vor acht Tagen, die seit einem Jahr beschlossenen Verschärfungen zurückzunehmen. Damit zwang er sie zugleich, vor der Partei einzugestehen, daß alles falsch gewesen, was sie angeordnet und beschlossen hatten. Schließlich aber mußte in ihnen die Furcht aufstehen, daß sie selbst über kurz oder lang preisgegeben und einem gewissen Schicksal ausgeliefert werden würden. Nur so ist es erklärlich, daß die Brutalität gebrochen wurde, die sonst jedem totalitären Regime eigentümlich ist, und daß sie es nicht wagten, ihre eigene Partei einzusetzen, als der Aufstand die Form einer begrenzten Kundgebung sprengte und alle Dämme zu überfluten drohte. Die Unsicherheit, die sie selbst lähmte, muß auch die Bevölkerung gespürt haben. Sonst wäre es nicht denkbar, daß sie angesichts von Polizei und Besatzung wagte, die Symbole der Zwangsherrschaft vom Brandenburger Tor herunterzureißen. Nun haben Grotewohl und Ulbricht ihre Schwäche vollkommen eingestehen müssen und haben die Herrschaft in die Hände der Macht zurückgelegt, von der sie all die Jahre die Macht und den Glanz geborgt hatten, in dem sie lebten."

Pressestimmen Ost:

Unter dem Titel "Der Zusammenbruch des faschistischen Abenteuers" resümiert das "Neue Deutschland" die Aktion "der Bonner Machthaber und ihrer amerikanischen Hintermänner": "Es ist ihnen nicht gelungen, die Arbeit in der DDR lahmzulegen. Die Mehrzahl aller Betriebe hat auch am 17. und 18. Juni in Ruhe gearbeitet, darunter solche mächtigen Werke wie die Max-Hütte und das Stahlwerk Riesa, das Eisenwerk West und Kraftwerk Schwarzheide, das ganze Zwickauer Steinkohlenrevier und viele andere. Es gelang ihnen, im demokratischen Sektor von Berlin und in zahlreichen Orten der Republik Teile der Werktätigen, an einigen Orten beträchtliche Teile, zur Arbeitsniederlegung und zu Demonstrationen zu bewegen, wobei die Gruppen von Provokateuren - entsprechend ihrem Auftrag - in allen Fällen versuchten, die Führung der Demonstration zu übernehmen, ihren Charakter zu verfälschen, banditenhafte Ausschreitungen zu organisieren und Schießereien zu provozieren. In einigen Fällen gelang ihnen das, in der Mehrzahl mißlang es.
Manche Menschen fragen: War es notwendig, daß die sowjetischen Truppen eingegriffen haben? Jawohl, es war notwendig, denn es mußte den Kriegsprovokateuren aus dem Westen eine entschiedene Abfuhr erteilt werden. Das war nicht zuletzt im nationalen Interesse des deutschen Volkes nötig, um zu verhindern, daß Deutschland ein drittes Mal den Weg in die Katastrophe geht. Natürlich wäre es besser gewesen, die deutschen Werktätigen hätten selber zur rechten Zeit die Provokation zurückgeschlagen. Aber leider haben auch große Teile der Arbeiterschaft das erforderliche hohe Bewußtsein nicht aufgebracht."

Die "Tägliche Rundschau" aus Berlin kommentiert die Ereignisse: "Als äußeren Anlaß zu dem provokatorischen Anschlag benutzten die faschistischen Agenten den Umstand, daß die Bauarbeiter von drei Baustellen wegen des falschen Verhaltens der Bauleitung in der Frage der Normenerhöhung für wenige Stunden die Arbeit niedergelegt hatten. Dieser Konflikt entstand am 16. Juni und hatte nur lokalen Charakter. Trotz aller Bemühungen der faschistischen Agenten, diesen Konflikt auszuweiten, beteiligten sich daran höchstens fünf Prozent von mehreren zehntausend Bauarbeitern. Da die faschistischen Agenten enttäuscht waren, daß dieser Anschlag scheiterte, beschlossen sie am 16. Juni, provokatorische Maßnahmen in größerem Umfang zu ergreifen. Die Provokateure setzten alle Mittel der Propaganda, die Presse und den Rundfunk ein, entsandten mehrere tausend Agenten in den demokratischen Sektor und appellierten an die Bevölkerung des demokratischen Sektors von Berlin, einen Generalstreik zu beginnen. [...] Aber auch diesmal gelang es ihnen nur, einen kleinen Teil der Bewohner Ostberlins für diese Provokation zu gewinnen, die große Masse der "Demonstranten" waren mehrere tausend aus Westberlin geschickte faschistische Unruhestifter und Rowdys. Die Organisatoren der Provokation hatten diesen Burschen die Anweisung gegeben, zu den äußersten Mitteln zu greifen, Regierungsgebäude zu überfallen, Betriebe in Brand zu stecken, Geschäfte zu plündern und bewaffnete Zusammenstöße zu provozieren."



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