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21. Juni 1953 (Sonntag) - Presseschau

Pressestimmen West:

Wilhelm Gries fordert in seinem Kommentar "Bis an die äußerste Grenze!" für den Berliner "Tag" konsequentes Handeln auch in Westdeutschland: "Es genügt nicht, die Hunderttausende, die den ungewöhnlichen Mut fanden, einem brutalen System auf offener Straße Auge in Auge entgegenzutreten, in aller Welt zu feiern. Wichtiger ist es, sie in ihrem höchsten Anliegen nicht im Stich zu lassen. Sie müssen sehen und wissen, daß das, was sie begannen, mit diplomatischen Mitteln in der gleichen offensiven Haltung fortgesetzt wird, mit dem unbändigen Willen dazu, den Sowjets die Einheit und Freiheit Deutschlands abzutrotzen. Dazu gehören Initiative, Offensivgeist und Mut, möglicherweise sogar der Mut, bisherige Konzeptionen einer deutsch-europäischen Politik vorübergehend zu ändern, falls sie jenes unmittelbare Ziel erschweren. Wer auch nur die geringste Vorstellung davon hat - und heute sollte jeder sie haben -, mit welchem einzigartigen Triumph freie Wahlen in Ostberlin und in der Zone enden werden, der spürt zugleich auch, welches unerhörte Ereignis dieser Sieg in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West bedeuten würde."

"Stärker als Panzer" sieht die in Berlin erscheinende "Neue Zeitung" die Aufständischen: "Die propagandistischen Fundamente eines in acht Jahren zwischen Oder und Elbe errichteten künstlichen Gebildes sind in der vergangenen Woche vor aller Welt sichtbar für immer zerbrochen. Daß Gewalt und nur Gewalt die Legitimation der Ulbricht und Grotewohl für ihre von der Leipziger Straße aus ausgeübte Herrschaft ist, trat in einer nicht zu übertreffenden Klarheit zutage. Daß die Volkserhebung in Ostberlin begann, ist in zahlreichen Kommentaren mit der unmittelbaren Wirkung begründet worden, die von Westberlin als dem Schaufenster und der Bastion der Freiheit ausgeht. Aber wenn man diese Ausstrahlung Westberlins hervorhebt, so muß man dabei bemerken, daß die Junitage nicht nur Ostberlin im Aufruhr gegen den Terror sahen, sondern daß überall auch in der Ostzone die Flammen der Empörung gegen die kommunistische Unterdrückung emporloderten. Die vergangene Juniwoche war nicht der Protest einer Stadt, sie war die spontane Erhebung der Bevölkerung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Von der Erinnerung an diese Juniwoche wird eine das deutsche Schicksal mitgestaltende Kraft ausgehen. Daß die Deutschen den Kommunismus anlehnen, ja in ihm einen tödlichen Feind erblicken und daß die Wiedervereinigung in Freiheit das Bestreben aller Deutschen ist, diese Gewißheit wurde durch die mutigen Demonstrationen waffenloser Arbeiter vor den Mündungen der Geschütze und Gewehre dargetan."

Pressestimmen Ost:

Johannes Dieckmann zieht mit "Nun erst recht für Einheit und Frieden!" im "Morgen" aus Berlin ein Fazit des bisher in der DDR geschafften: "Die Grundlinie unserer Arbeit war und ist richtig. Gegen die faschistische Barbarei setzen wir den sozialen Fortschritt. Einen anderen oder gar besseren Weg zur Sicherung seines neuen Lebens kann kein Volk gehen. Und wir kämpfen seit Jahren mit allen unseren Kräften für die Wiederherstellung der nationalen Einheit unseres deutschen Vaterlandes und für die Befreiung der Menschen von der Kriegsangst. Es gibt keine höheren und schöneren Ziele. Wenn jetzt offenbar wurde, daß manche unserer Mitbürger diese hehren Ziele über den Steinen am Wege aus den Augen verloren hatten, so müssen diese Steine des Anstoßes jetzt weggeräumt werden."

"Hinter den kleinen stehen die großen Lumpen" titelt die "Tägliche Rundschau" aus Berlin: "Die kleinen Lumpen erkannte man auf den ersten Blick, auch wenn sie für diesen Tag X teilweise ihre Boogie-Woogie-Hemden und Ringelsöckchen mit Arbeiterkleidung vertauscht hatten. Die großen Lumpen erkennt man nicht an ihrer Kleidung. Sie nehmen auch keine Benzinkanister, Brandflaschen und Säurespritzen in die eigenen gepflegten Hände. Trotzdem sind sie erkennbar, oft an ihren Worten, doch immer an ihren Taten. (...) Es ging gegen die Errungenschaften in der DDR. Es ging ihnen beispielsweise darum, die volkseigenen Betriebe wieder aus den Händen der Werktätigen zu reißen. Es ging ihnen darum, die Neubauern wieder von ihren Äckern zu vertreiben und den Junkern und Krautbaronen wieder ihre Herrensitze zurückzugeben. Diese offen eingestandene Zielsetzung zeigt mit voller Deutlichkeit, welche unüberbrückbare Kluft zwischen der Unzufriedenheit der Arbeiter in der Normenfrage und anderen fragen, die von der Regierung der DDR bereits berücksichtigt wurden, und den Losungen der Provokateure besteht."

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